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Streit um Kompetenzen des UN-Menschenrechtsrats

Dem 2006 gegründeten UN-Menschenrechtsrat gehören 47 Länder an. Im Streit um die periodische Untersuchung der Menschenrechtslage fordern die acht europäischen Mitgliedsländer die Einbeziehung von Informationen auch von Nicht-Regierungsorganisationen und der internationalen Gemeinschaft. Ob es bei den Verhandlungen allerdings gelinge, dass alle Länder objektive Berichte akzeptierten, sei ungewiss, sagte der deutsche Botschafter im Menschenrechtsrat, Michael Steiner.

    Jochen Spengler: Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit. So heißt es in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Menschen zu diesem Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit zu verhelfen, das war Aufgabe der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen. Doch die wurde dermaßen politisch missbraucht, dass im letzten Jahr eine neue, eine Nachfolgeorganisation gegründet wurde: der UN-Menschenrechtsrat mit Sitz in Genf. 47 Staaten gehören ihm an, davon acht europäische Staaten. Der deutsche Botschafter im Menschenrechtsrat heißt Michael Steiner, und er ist jetzt in Genf am Telefon. Guten Morgen, Herr Steiner.

    Michael Steiner: Guten Morgen, Herr Spengler!

    Spengler: Seit vorgestern streitet der Rat um seine künftige Arbeitsgrundlage. Was heißt das, worüber streiten Sie konkret?

    Steiner: Wir beschäftigen uns damit seit einem Jahr und kommen hoffentlich nächsten Montag zu einem Ergebnis. Es geht darum, sozusagen die neue Architektur des Rats zu schaffen, zum Beispiel ein neues Instrument, jeder Staat dieser Erde, das heißt 48 Staaten im Jahr, muss regelmäßig überprüft werden auf seine Menschenrechtslage. Und da streiten wir darum, dass objektive Fakten zugrunde liegen, dass es ein klares Ergebnis gibt, dass die Zivilgesellschaft mitwirkt. Ein Punkt. Zweiter Punkt zum Beispiel …

    Spengler: Darf ich kurz unterbrechen: Was gibt es denn darüber zu streiten? Das klingt doch selbstverständlich.

    Steiner: Da bin ich ganz Ihrer Meinung, und das ist auch der Punkt der Europäischen Union, die ja hier eigentlich die führende Kraft ist, um den Menschenrechtsschutz zu verbessern. Andere Staaten sagen, wir müssen diese Faktenüberprüfung nur durchführen auf der Basis von nationalen Staatenberichten, nicht unbedingt von internationalen Informationen. Das sind die Dinge, mit denen wir uns hier auseinandersetzen.

    Spengler: Das heißt, da würde man den Bock möglicherweise zum Gärtner machen?

    Steiner: Das haben Sie gesagt. So eine Formulierung liegt nicht ganz neben der Wahrheit.

    Spengler: Das heißt also, es ist schwer zu erwarten von Staaten, die möglicherweise selber sich schwertun mit Menschenrechten, dass Sie dann einen objektiven Bericht darüber beim Menschenrechtsrat abliefern. Das heißt das konkret.

    Steiner: Das heißt es, und das heißt natürlich, dass wir auch dritte Informationen brauchen – der NGOs, der Zivilgesellschaft, der internationalen Gemeinschaft. Nur dann haben wir ein objektives Bild. Aber wir haben auch andere Probleme, wenn ich das nur kurz anreißen darf. Wir müssen sicherstellen, dass der Menschenrechtsrat zu jeder Zeit sich mit kritischen Menschenrechtssituationen auf der Welt beschäftigen kann. Wir haben ja immerhin die Möglichkeit, quasi permanent uns die Lage auf der ganzen Welt anzuschauen. Und dann müssen wir die Kronjuwelen des Menschenrechtsrats sichern, das heißt das System der Sonderberichterstatter, davon haben wir ungefähr 40, und das muss gestärkt und erhalten werden.

    Spengler: Das ist offenbar auch umstritten?

    Steiner: Alles ist umstritten, und Sie können sich vorstellen, wenn Sie in einer solchen klaren Minderheitensituation sind, das ist nun mal eine Hypothek, die wir haben. Acht von 47, das ist nicht einfach, aber Sie können sich auf uns verlassen, wir stehen zusammen und wissen, was wir wollen, und werden auch unterstützt hier von den NGOs, von der Zivilgesellschaft. Die Verhandlungen stehen Spitze auf Knopf. Man wird sehen, was letztlich am Montag herauskommt. Wir wollen ein Ergebnis, aber kein Ergebnis um jeden Preis.

    Spengler: Ich habe mal nachgelesen: Also das einzige Land, das bislang vom Menschenrechtsrat gerügt wurde und das auch mehrfach, das ist Israel. Bei allen anderen hat es nicht gereicht, zum Beispiel Darfur. Warum tut sich der Menschenrechtsrat so schwer, zum Beispiel diese Lage in Darfur, die Verbrechen, sage ich jetzt mal, der sudanesischen Regierung an der eigenen Bevölkerung zu verurteilen?

    Steiner: Also erstens Mal befinden wir uns auf einer Großbaustelle. Wir müssen ja erst mal schaffen hier die Einrichtung dieser verschiedenen Komponenten, die ich genannt habe. Gleichzeitig müssen wir schon agieren. Das ist nicht einfach. Aber Sie haben natürlich Recht. Wir haben uns zu Recht auch mit der Lage in Palästina beschäftigt, aber ungleichgewichtig sicherlich viel zu oft und zu wenig zum Beispiel mit anderen Fragen wie Sudan. Immerhin, und da würde ich Ihnen nicht ganz Recht geben, hat es die EU in sehr zähen Verhandlungen geschafft, hier eine operative Resolution vor einiger Zeit zu verabschieden, und die übrigens wird heute – da sind beschlossen worden ein Expertengremium, ein Gremium von Sonderberichterstattern –, die werden heute ihren Bericht vorlegen dem Rat. Und da ist eine Innovation geschafft worden und auch ein Mehrwert geschafft worden. Ich glaube, das Bild ist gemischt, es gibt sicherlich Dinge, die nicht gut gelaufen sind, aber es gibt auch Dinge, wo wir eine gewisse Hoffnung haben können.

    Spengler: Es gibt viele Menschen, die sagen, Darfur braucht nicht noch weitere Berichte, sondern Hilfe.

    Steiner: Das ist richtig, aber der Menschenrechtsrat ist nicht der Sicherheitsrat. Wir müssen uns konzentrieren auf die menschenrechtlichen Fragen. Und immerhin haben wir dieses Expertengremium, was genau definiert hat, wo das Manko besteht und wo wir mehr tun müssen und auch genaue Handlungsanleitungen geben wird.

    Spengler: Wird denn der Rat seiner Aufgabe gerecht, nämlich Menschen zu ihrem Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit zu verhelfen?

    Steiner: Also letztlich werde ich Ihnen darauf erst eine Antwort geben können am kommenden Montag, wenn wir festgezurrt haben die künftige Arbeitsweise des Menschenrechtsrats. Das wird der Lackmustest sein, und wie gesagt, stehen hier die Verhandlungen Spitze auf Knopf. Erst dann werde ich Ihnen da eine Antwort geben können. Man muss natürlich sehen, dass wir ein zentrales Gremium brauchen für den universellen Menschenrechtsschutz, und dieses Gremium muss natürlich im VN-System angelegt sein. Es wäre in der Tat ein Manko, wenn wir das nicht hätten, bei allen Mängeln, die so was hat. Natürlich spiegelt dieser Rat mit 47 Mitgliedern die Realität in der Welt wider, wie die Welt eben ist mit ihren über 190 Mitgliedstaaten. Diese Realität muss man anerkennen. Aber es ist natürlich schwierig, in einem solchen Gremium eine Menschenrechtspolitik zu verfolgen, wie sie unseren idealen Vorstellungen entspricht.

    Spengler: Aufgeben gilt nicht, wenn Sie sich nicht durchsetzen können?

    Steiner: Das müssen wir sehen. Jetzt wollen wir erst mal auf einen Erfolg setzen. Unsere Linie ist, dass man eine so wichtige Frage wie die zukünftige Gestaltung dieses Gremiums im Konsens entscheiden muss. Wir wollen hier einen Erfolg haben. Ob wir es schaffen, werden wir sehen. Und wir werden auch dann weitersehen, wie wir uns einstellen. Wir haben eine Chance, das zu schaffen, aber sicher ist es nicht.

    Spengler: Die USA machen ja nicht mit, weil sie genug haben mit den Erfahrungen der Menschenrechtskommission. Haben Sie noch die Hoffnung, dass der Rat sich doch positiv absetzt von der Kommission, die ja politisch missbraucht worden ist, oder läuft das alles aufs selbe wieder hinaus?

    Steiner: Ich bin mir nicht sicher, ob man das jetzt schon sagen kann. Was die Position der USA angeht, ist es eine Schwächung der Position der Freunde des Menschenrechtsrats, dass sie sich entschieden haben, nicht dem Gremium fürs Erste anzugehören. Es ist natürlich einfacher, draußen zu sein und zu kritisieren, als drinnen zu sein und die Kernarbeit zu leisten. Da ist die EU jetzt faktisch allein als Kraft, und wir vermissen natürlich die USA hier. Ich kann nur sagen, dass wenn man die Zielsetzung hat, die Menschenrechte zu verbessern, dann muss man das auch in den Gremien tun, die dafür vorgesehen sind. Es nützt uns nichts, von außen den Zeigefinger zu erheben. Das ist harte Arbeit, die man hier durchführen muss.

    Spengler: Michael Steiner, deutscher Botschafter beim UN-Menschenrechtsrat in Genf. Danke für das Gespräch, Herr Steiner.

    Steiner: Ich danke Ihnen.