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Streit um Polizeikosten
"Vereine investieren jetzt schon in Fanprojekte"

Die Fußball-Vereine seien erst mal für die Sicherheit im Stadion verantwortlich, sagte Arnold Plickert, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, im Deutschlandfunk. Sie könnten nichts dafür, wenn "4.000 Verrückte" gewalttätig seien. "Das sind Straftäter, die wollen den Fußball kaputtmachen."

Arnold Plickert im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 26.07.2014
    Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in NRW, Arnold Plickert, steht in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) am Stand der Gewerkschaft vor der Karikatur eines Einbrechers.
    Der stellvertretende Bundesvorsitzende und Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in NRW, Arnold Plickert (dpa picture alliance / Martin Gerten)
    Er sagte weiter: "Ich glaube, man kann dem Verein Werder Bremen nicht unterstellen, dass er dafür verantwortlich ist, dass es außerhalb zu Auseinandersetzungen kommt. Er billigt das auch nicht." Er bezweifle auch, dass es rechtlich möglich ist, einen Verein für Straftaten außerhalb des Stadions zur Verantwortung zu ziehen.
    Allerdings habe die Gewalt zwischen Fußballfans inzwischen eine andere Qualität. "Wir haben 18 Hundertschaften in Nordrhein-Westfalen und die verbringen ein Drittel ihrer Arbeitszeit ausschließlich bei den Fußballeinsätzen. Das ist schon eine enorme Belastung."

    Das Interview in voller Länge:
    Jürgen Zurheide: Wir haben Anlass, noch mal über Fußball zu reden und festzustellen, manchmal geht es bei den Fußballfunktionären ja ganz schnell. Ich fange mal damit an, wo es langsam geht: Es gibt die aktuelle Debatte angesichts der Diskussion, die wir gerade mit Egon Bahr geführt haben - muss die Weltmeisterschaft 2018 in Russland verlegt oder möglicherweise abgesagt werden, oder auch in Katar, wo es ähnliche, schwierige Umstände gibt? Da heißt es dann immer vom DFB und von allen Handelnden, na ja, da haben wir noch Zeit, da müssen wir drüber nachdenken. Wenn es um die Verlegung eines Fußballspieles von Bremen weggeht, eines Spieles der deutschen Nationalmannschaft, dann geht das innerhalb von Stunden - weil Bremen sich nicht so verhält, wie der DFB, die DFL das verlangt. Über all das wollen wir reden und über das Thema, wer muss denn eigentlich bezahlen im Fußball, denn das ist der Ursprung dieser ganzen Debatte. Darüber wollen wir reden mit Arnold Plickert von der Gewerkschaft der Polizei Nordrhein-Westfalen, der selbst lange auch Polizeiführer in Fußballstadien war. Zunächst einmal guten Morgen, Herr Plickert!
    Arnold Plickert: Schönen guten Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Herr Plickert, zunächst einmal, fangen wir mal abstrakt an. Gewalt und Fußball - Sie sind lange dabei, ich habe es gesagt, Sie haben selbst Einsatzhundertschaften im Fußball geführt. Hat sich zwischen früher und heute eigentlich da etwas verändert?
    Plickert: Wenn wir selbstkritisch sind, müssen wir sagen, nein. Wir haben vielleicht sogar bei manchen Gewalttaten eine höhere Brutalität. Früher war es so, wenn der vermeintliche Gegner am Boden war, da war die Auseinandersetzung beendet. Heute tritt man noch nach, heute kommt man mit Schutzprotektoren, mit Mundschutz zum Fußball. Also, es ist sogar noch eine andere Qualität der Gewalt heute.
    Zurheide: Und die Belastung der Polizei, das hört man allenthalben, vor allen Dingen, Sie sind aus Nordrhein-Westfalen, und hier gibt es viele Fußballvereine, die in erster, zweiter, aber auch in dritter, vierter, fünfter Liga spielen - die Belastung der Polizei, wie ist da der aktuelle Stand?
    Plickert: Ich sage immer, wir werden in Nordrhein-Westfalen dafür bestraft, dass wir so einen guten Fußball spielen und eben auch so viele Mannschaften in diesen Ligen haben. Wir haben 18 Hundertschaften in Nordrhein-Westfalen, und die verbringen ein Drittel ihrer Arbeitszeit ausschließlich bei den Fußballeinsätzen. Das ist natürlich schon eine enorme Belastung.
    "Vereine sind heute Arbeitgeber, Steuerzahler"
    Zurheide: So, und jetzt kommen wir dann zu der Kernfrage, die wir natürlich an jedem Stammtisch mit Ja beantworten: Da sind die Millonarios, zumindest in der ersten Liga, und die, die viel Geld verdienen auch in der zweiten Liga, auf dem Platz, und dann müssen Ihre Kollegen alles Mögliche hinhalten. Warum sollen die dann nicht bezahlen?
    Plickert: Zum einen - genau das, was Sie gesagt haben, ist ja diese Woche oftmals geäußert worden, Millioneneinnahmen, und man zahlt Millionen-Super-Gehälter an Spieler. Ich finde, das ist eine oberflächliche Betrachtung. Es ist viel, viel komplexer. Ich glaube, die Vereine sind heute Arbeitgeber, Steuerzahler. Ich bin mir sicher, das eine oder andere Schwimmbad, das eine oder andere Kulturprojekt würde in den Kommunen schon nicht mehr laufen. Die Vereine investieren auch jetzt schon in Gewaltprävention, und deswegen sind für mich drei Fragen entscheidend: Zum einen, welche Aufgabe hat der Staat, also die Polizei bei Fußballspielen? Welche Aufgaben haben die Vereine? Und dass der DFB und die DFL im Moment vielleicht auch etwas kindisch reagieren mit dieser Verlegung des Länderspiels, hat aus meiner Sicht auch seinen Grund. Da gibt es nämlich Absprachen zwischen IMK, Innenministerkonferenz, und DFB und DFL, und da fühlen die sich so ein bisschen über den Tisch gezogen im Moment.
    Zurheide: Sie sagen also in der Kurzfassung, na ja, wenn die Vereine ihre Aufgabe erfüllen und viel investieren in Fanarbeit, dann müssen wir das nicht bezahlen? Oder wo ist da für Sie die Grenze? Innerhalb und außerhalb des Stadions wird ja manchmal auch unterschieden - ist das richtig oder falsch? Ihre Kollegen von anderen Gewerkschaften sind da etwas populistischer als Sie.
    Plickert: Ja, gut, ich hatte da diese Woche auch ein Interview gehört, bloß ich hatte den Eindruck, man wusste selbst nicht, wie man das umsetzt. Von der Zuständigkeit ist die Polizei erst mal generell für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verantwortlich. Das ist natürlich ein abstrakter Begriff. Es geht im Prinzip darum, Straftaten zu verhindern und zu verhüten, und alle Gesetze eben, dass die befolgt werden. Der Verein als solcher ist erst mal im Stadion für die Sicherheit verantwortlich, und da haben die auch in den letzten Jahren eine Menge gemacht. Die Stadien sind hochmodern ausgebaut, die Beweissicherungsanlagen sind professionalisiert worden. Man muss hauptamtlich einen Sicherheitsbeauftragten und eine Fanbeauftragten ein ...
    "30 Prozent der Kosten für die Fanprojekte werden von den Vereinen übernommen"
    Zurheide: Na ja, es gab aber immer noch so Fälle, wo dann meinetwegen Fünf-Euro-Kräfte da waren. Solange man so was sieht, da schwillt einem doch der Kamm, oder?
    Plickert: Wir haben ja auch nicht gesagt, dass alles im besten Sinne ist. Dieses Beispiel haben wir in Dortmund gesehen, wo Leute da quasi hinkamen und sofort Ordnerdienste waren. Da gibt es mit Sicherheit auch noch Verbesserungsmöglichkeiten. Aber die Vereine investieren in Fanprojekte. Man muss wissen, 30 Prozent der Kosten für die Fanprojekte werden vom DFB und vom DFL und somit von den Vereinen übernommen. Und genau das befürchte ich auch: Wenn wir die Vereine, wo ich rechtlich große Bedenken habe - ich glaube, man kann dem Verein Werder Bremen nicht unterstellen, dass er dafür verantwortlich ist, wenn es außerhalb zu Auseinandersetzungen kommt. Er billigt das auch nicht. Das heißt, er ist im Prinzip Nicht-Störer, und ich glaube, das wird eine spannende rechtliche Frage werden, wie ein Nicht-Störer in diesem Fall in die Verantwortung zu ziehen - ich weiß nicht, wenn wir Zeit haben, ich habe noch ein Beispiel aus dieser Woche.
    Zurheide: Ein ganz kurzes.
    Plickert: Ja, genau. In Gelsenkirchen hat es eine Verhandlung gegeben zu den Vorkommnissen vom Heimspiel Schalke gegen Dortmund. Haben wir, glaube ich, alle noch so vor Augen. Da sind drei Dortmunder verurteilt worden. Dann haben die das Gerichtsgebäude verlassen und sind dann von zwei Pkw verfolgt worden. Das Fahrzeug ist gestoppt worden, und dann hat man auf diese Personen, auf den Rechtsanwalt plus die Täter eingeschlagen. Und das ist die Zielgruppe. Wir müssen an diese 4.000 Verrückten herankommen. Das sind Straftäter, die wollen den Fußball kaputtmachen. Und jetzt zu sagen, Schalke 04 ist dafür verantwortlich, dass die solche Dinge begehen, das halte ich für etwas weit hergeholt.
    Zurheide: Das war Arnold Plickert, der Chef der Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen, zu der diffizilen Frage, sollen, müssen Fußballvereine direkt bezahlen. Er ist da eher zurückhaltend, er hat begründet, warum. Herr Plickert, ich bedanke mich für das Gespräch!
    Plickert: Ich danke auch, Herr Zurheide!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.