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Streit um resistente Rapszüchtung

Der Raps-Anbau boomt in Deutschland. Für die Landwirte ist die Ölfrucht lukrativ, seit sie als nachwachsender Rohstoff verwendet wird – etwa in Bio-Diesel. Der Chemiekonzern BASF verspricht den Bauern nun mit einer Kombination aus speziellem Saatgut und Unkraut-Vernichtungsmittel höhere Gewinne. Pflanzenschutzbehörden und Umweltschützer warnen vor dem System.

Von Sven Kästner | 18.02.2013
    Noch gut zwei Monate, dann blüht der Raps wieder grell und gelb – auf mittlerweile 1,4 Millionen Hektar in Deutschland. Noch mehr Anbaufläche geht kaum. Raps laugt den Boden aus und kann erst nach zwei Jahren wieder auf dem selben Feld gesät werden. Doch es ist möglich, auf gleicher Fläche noch mehr Ertrag herauszuholen: Der Chemie-Riese BASF hat hierfür neue Raps-Sorten züchten lassen. Das Besondere daran: Sie sind resistent gegen ein Unkrautvernichtungsmittel. Markus Röser, Sprecher der Konzernsparte Pflanzenschutz:

    "Die ersten Ergebnisse zeigen Ertragssteigerungen von fünf bis zu dreißig Prozent bei gleicher Körnerqualität und bei gleichem Ölgehalt."

    "Clearfield" heißt das Paket, das BASF erstmals für den derzeit heranwachsenden Winterraps in Deutschland vermarktet hat. Es besteht aus dem Unkrautvernichtungsmittel "Vantiga" und den neuen Raps-Sorten.

    "In der Kombination wird das eben zur Bekämpfung ... von ganz speziellen Schadunkräutern genutzt, die sonst mit den Standard-Herbiziden schlecht oder gar nicht mehr bekämpft werden können."

    Aus Sicht konventioneller Bauern hat Raps als einheimische Pflanze ein Problem: Die häufigsten Unkräuter gehören wie die Ölfrucht selbst zur Familie der Kreuzblütler. Eine hohe Dosis des Herbizides "Vantiga" würde nicht nur die Wildkräuter, sondern auch den Raps sterben lassen. Die neuen Züchtungen aber vertragen den Wirkstoff-Cocktail.

    "... weil es ein Produktionssystem ist, wo diese Herbizidtoleranz eben in den Raps mit eingezüchtet wurde."

    Erklärt Röser. Bisher gab es solche Herbizidtoleranzen nur bei gentechnisch erzeugten Sorten – der BASF-Raps ist jedoch mittels Züchtung entstanden. Das System ist umstritten und ruft nicht nur bei Umweltschützern Besorgnis hervor. Die zuständigen Behörden von sieben Bundesländern warnen Landwirte vor unbedachter Anwendung. Sie sehen die Gefahr, dass sich resistente Raps-Sorten unkontrolliert ausbreiten, wie Ewa Meinlschmidt vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sagt.

    "Das eigentliche Problem entsteht, wenn Clearfield-Raps auf Flächen von Landwirten auftaucht, die sich nicht für dieses System entschieden haben. Es kommt zu einer Verbreitung durch Ernte- und Transportmaschinen."

    Aber auch auf ihren eigenen Feldern könnten Landwirte Ärger bekommen, die sich für das BASF-System entscheiden. Raps überdauert nach der Ernte gut zehn Jahre im Boden und keimt in den Folgejahren wieder auf, wenn andere Pflanzen auf dem Acker angebaut werden. Das schmälert die Erträge, warnt Meinlschmidt.

    "Den Ausfall-Raps müssen die Bauern als Unkraut bekämpfen. Der Clearfield-Ausfall-Raps in diesem Fall ist gegenüber anderen Herbiziden resistent bzw. teilresistent."

    Kritiker der Agrarindustrie befürchten zudem, dass mit dem System die Abhängigkeit der Bauern von den großen Saatgutzüchtern und von BASF wächst. Bernd Voß, Vorsitzender der "Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft", sieht außerdem die Gefahr, dass sich die Wildkräuter nach einigen Jahren an das neue Herbizid anpassen.
    "Wir werden Resistenzen bekommen, dass verwandte Pflanzenschutzmittel auch nicht mehr so eingesetzt werden können. Und das führt einfach zu immer mehr Pflanzenschutzeinsatz. … Wir werden einfach verstärkten Einsatz von Wirkstoffen wieder bekommen … Und das ist einfach nicht gut, weil das noch mehr Grundwasser belastend ist."

    Diese Einschätzung wird auch von Fachleuten aus den Behörden geteilt. Ewa Meinlschmidt vom sächsischen Landesamt zählt einige Wildkräuter auf, die betroffen sein könnten:

    "Diese Gefahr der Resistenz ist schon gegeben bei Acker-Fuchsschwanz, Windhalm und bei der Kamille."

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