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Streit um Schottland-Referendum
Sturgeon stiehlt May die Show

Das britische Oberhaus hat seinen Widerstand gegen den Brexit aufgegeben. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass Premierministerin Theresa May heute schon den Abschiedsbrief an Brüssel abschicken wird. Der Grund: die Schotten. Denn die haben May mit ihrem Ruf nach einem neuerlichen Referendum über Abspaltung von England die Show gestohlen.

Von Friedbert Meurer | 14.03.2017
    Die britische Premierministerin Theresa May (l) und die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon.
    Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon (r) möchte ein zweites Referendum, die britische Premierministerin Theresa May lieber nicht. (picture alliance / dpa / PA IMAGES)
    Es hätte heute der Tag der Tage werden können. Letzten Oktober hatte Premierministerin Theresa May angekündigt, sie werde bis Ende März den Antrag auf Austritt aus der EU einreichen. Jetzt ist schon Mitte März und seit gestern Abend das parlamentarische Verfahren abgeschlossen. Ab heute könnte Theresa May den ersehnten Antrag endlich in Brüssel stellen, sie hat sich klar in beiden Kammern des britischen Parlaments durchgesetzt.
    Die Abstimmung im House of Lords war eindeutig: 118 Stimmen für Änderungen am EU-Ausstiegsgesetz, 274 waren dagegen. Die Mitglieder des Oberhauses haben ihren Widerstand aufgegeben. Sie beugen sich dem Willen des demokratisch gewählten Unterhauses.
    David Pannick, ein unabhängiger Peer, hatte Gina Miller als Anwalt unterstützt und vor dem Supreme Court gegen die Regierung gewonnen. Aber selbst er sagte: jetzt noch Widerstand zu leisten sei eine sinnlose Geste.
    Angriff aus dem Hinterhalt
    Um halb zwei deutscher Zeit wird Premierministerin Theresa May eine Rede vor dem Unterhaus halten. Aber die meisten glauben, sie wird noch nicht den Antrag auf den Austritt aus der EU verkünden. Der Hauptgrund: Nicola Sturgeon habe ihr mit der Forderung nach einem neuen Unabhängigkeitsreferendum der Schotten die Schau gestohlen, so der Titel des "Guardian". Die "Times" spricht von einem "Angriff aus dem Hinterhalt auf May", die "Daily Mail" warnt Sturgeon: "Hände weg von unserm Brexit!"
    "Wir haben die Wahl", verteidigt Angus Robertson von der schottischen Nationalpartei das Vorgehen Sturgeons. "Wir können im Bus sitzen, den Mund halten und zusehen, wie Theresa May mit uns über die Brexit-Klippe fährt. Oder die Menschen in Schottland nehmen ihre Zukunft selbst in die Hand."
    Premierministerin May will jetzt, so heißt es, erst Ende März den Antrag auf Austritt aus der EU stellen. Ihrer Opponentin Nicola Sturgeon unterstellt sie politische Spielchen.
    "Die schottische Regierung sollte sich einfach darauf konzentrieren, gute Arbeit für Schottland zu leisten. Politik ist kein Spiel."
    Das Spiel hat begonnen
    Das Spiel aber hat begonnen. Viele in Westminster glauben, es gehe nicht darum, ob die Regierung in London die Schotten mit ihren zweiten Referendum gewähren lässt, sondern wann. David Mundell ist Schottland-Minister in der Regierung May. "Es könnte ein neues Referendum geben. Dafür gibt es ein Verfahren. Aber wir sagen klar: Es sollte kein zweites Referendum geben."
    Nicola Sturgeon, die Erste Ministerin Schottlands, will möglichst im Herbst 2018 abstimmen lassen. Theresa May erst ab Frühjahr 2019, wenn Großbritannien die EU verlassen hat. Diese Alternative ist weit wichtiger als die Frage, ob die britische Premierministerin heute oder erst in zwei Wochen ihren Abschiedsbrief an die EU schickt.