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Streit um Tagebau
Hambacher Forst vor heißem Herbst

Im Streit um den Tagebau am Hambacher Forst hat RWE angekündigt, Ende Oktober die Rodungen fortzusetzen. Dagegen kündigt sich bereits jetzt heftiger Widerstand von Umweltschützern an. Sie fordern, erst die Grundsatz-Entscheidung der Kohlekommission über den Braunkohleausstieg abzuwarten.

Von Moritz Küpper | 23.08.2018
    Hütten von Baumbesetzern im Hambacher Forst
    Hütten von Baumbesetzern im Hambacher Forst (Deutschlandradio/Ute Meyer)
    Zuletzt ging es sogar um eine Gartenlaube. Die Polizei stoppte am vergangenen Wochenende einen damit beladenen Kleinlaster an einer Raststätte der Autobahn 61 und stellte dort das kleine Häuschen sicher. Die Bemalung, so die Aachener Polizei später, habe einen konkreten thematischen Bezug zur Waldbesetzerszene im Hambacher Forst aufgewiesen. Ein weiteres Indiz dafür, dass es im rheinischen Braunkohlerevier zu einem heißen Herbst kommen könnte. Ende Oktober will der Essener RWE-Konzern dort wieder roden, um anschließend Braunkohle für seine Kraftwerke abbauen zu können.
    Mitte August hatte das Unternehmen einen Brief an die vier Vorsitzenden der "Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" weitergeleitet. Im Volksmund nur Kohlekommission genannt, soll diese einen Zeitplan für den Kohleausstieg erarbeiten. In dem Brief, der zuvor bereits an das Kanzleramt und das Wirtschaftsministerium geschickt wurde, begründet RWE, warum es nun weitere Teile des Waldes zu roden gedenkt. Kirchen, Umweltschützer und Bürgerinitiativen halten dagegen. Ihre Auffassung: Die Rodungen und der Tagebau müssten so lange ausgesetzt werden, bis die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für den deutschen Braunkohleausstieg feststünden, meint auch Dirk Jansen, Geschäftsleiter des BUND in Nordrhein-Westfalen:
    Umweltschützer: RWE schaffe "unumkehrbare Fakten"
    "Ein Zeichen guten Willens wäre, wenn sie jetzt sagen: Solange die Kohlekommission noch tagt in Berlin, verzichten wir auf weitere Rodung. Denn das wäre ja ein Unding, dass in Berlin fleißig getagt und debattiert wird - und im Hambacher Wald rollen die Kettensägen durch."
    RWE versuche - Zitat: "beschleunigt und ohne energiepolitische Erfordernis unumkehrbare Fakten zu schaffen", heißt es im Schreiben der Umweltschützer.
    "Tagebau Hambach, der zerstört gerade ein einstmals 4100 Hektar großen Altwald, der 12.000 Jahre Entstehungsgeschichte hinter sich hat. Dieser Wald wird bis auf wenige Reste vernichtet."
    Der BUND in NRW hatte daher immer wieder gegen den Abbau geklagt, war aber zuletzt gescheitert. Das Verwaltungsgericht in Köln bedauerte, dass RWE und das Land NRW einen Kompromissvorschlag des Gerichts abgelehnt hatten. Eine Entscheidung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster steht allerdings noch aus. An einer Rodung führe jedoch kein Weg vorbei, hieß es in einem aktuellen Schreiben von RWE an die Kohlekommission. Und auch Frank Weigand, Vorstandsvorsitzender RWE Power, bekräftigte:
    Hambach: "Knapp 15 Prozent des Strombedarfs von NRW"
    "An der Tagebauproduktion Hambach hängt etwa eine Stromproduktion, die circa knapp 15 Prozent des Strombedarfs von Nordrhein-Westfalen ausmacht. Deswegen ist das eine betriebliche Notwendigkeit, die auch nichts mit den langfristigen Diskussionen zu tun hat, die derzeit in der Strukturkommission diskutiert werden."
    Und auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet von der CDU stellt sich gegen einen sofortigen Ausstieg:
    "Wenn wir wissen, dass Nordrhein-Westfalen in der Chemie-Industrie, in der Stahl-Industrie, beim Aluminium, bei Glas, beim Papier immer, zu jeder Sekunde bezahlbaren Strom braucht, dann hängen mehr Arbeitsplätze davon ab als nur die 9.000 dort Beschäftigten. Und deshalb müssen wir Kohle reduzieren, Jahr für Jahr, aber nicht mit einem Bruch, wie das manche Parteien fordern."
    Laufzeitgarantie für Tagebau bis 2045
    Die Kritik und die Forderungen, die nun vor allem von den Grünen vorgetragen werden, kann Laschet an sich abperlen lassen, denn für die drei im Rheinischen Revier laufenden Tagebauen gibt es Abbaugenehmigungen, die vor zwei Jahren von der rot-grünen Vorgängerregierung zwar verkleinert wurden, bei denen aber an der Laufzeit bis 2045 festgehalten wurde:
    "Alles, was derzeit abgebaggert wird, haben rot-grüne Regierungen in den letzten Jahren beschlossen. Ende 2045 endet die letzte Genehmigung für Garzweiler. Wenn wir uns anstrengen, können wir schneller sein als 2045 - und daran arbeiten wir."
    Und auch die Kohlekommission in Berlin. Doch offen ist, ob die Umweltverbände die Kommission verlassen, wenn RWE mit den Rodungen beginnt, und wie sich mögliche Eskalationen und Ausschreitungen mit der Waldbesetzer-Szene im Hambacher Forst auf die Diskussion auswirken.