Donnerstag, 25. April 2024

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Streit um Welfenschatz
"Das wird richtig teuer"

Um den mittelalterlichen Welfenschatz wird seit Jahren gerungen. Erben jüdischer Kunsthändler drängen auf Rückgabe und klagen. Werde die Klage zugelassen, habe das "Signalwirkung für die ganze Restitutionsdiskussion in Deutschland", sagte Raubkunstexperte Willi Korte im Dlf.

Willi Korte im Gespräch mit Anja Reinhardt | 21.06.2019
Ein Tragaltar des Eilbertus aus dem Welfenschatz im Kunstgewerbemuseum. Der Streit um die Herausgabe des Welfenschatzes durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) geht weiter
Der Tragaltar des Eilbertus aus dem Welfenschatz (dpa / picture alliance / Alina Novopashina)
Anja Reinhardt: Die Erben der jüdischen Kunsthändler, die Teile des Welfenschatzes 1935 an die Nationalsozialisten verkauften, klagten erstmals 2015 in den USA gegen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in deren Besitz sich mehr als 40 Objekte aus dem Konvolut des Schatzes befinden, dessen Wert auf bis zu 260 Millionen Euro geschätzt wird. Die Erben sagen: Die Objekte wurden weder freiwillig noch ihrem Wert angemessen verkauft, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sagt: Alles hatte seine Ordnung. Schon letztes Jahr hat ein amerikanisches Gericht entschieden, eine Klage auf Herausgabe des Schatzes zuzulassen, diese Entscheidung wurde jetzt noch einmal juristisch besteigt. Darüber habe ich mit dem Provenienzforscher Willi Korte gesprochen und ihn gefragt, was das nun konkret für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bedeutet?
Willi Korte: Also wie ich schon von Anfang an sagte, wenn die Zuständigkeitsfrage mal geklärt ist zugunsten des Klägers, wird es vor allem richtig, richtig teuer, zunächst einmal die Anwaltskosten, wenn man das Verfahren jetzt also durchzieht.
Signalwirkung für die Diskussion um Restitution
Reinhardt: Gut, aber der Welfenschatz an sich hat ja schon einen unschätzbaren Wert.
Korte: Davon rede ich auch gar nicht. Stellt sich nur die Frage, wie soll nun Berlin weitermachen? Also ein Hauptverfahren würde ich mal sagen in der 1. Instanz zieht sich in den USA erfahrungsgemäß über zwei bis drei Jahre hin. Da haben sie schon mal bei ihren Anwälten siebenstellige Honorarkosten.
Mit sehr, sehr teuer, meine ich auch, eben was sie gerade angesprochen haben, der Wert des Schatzes. Erfahrungsgemäß, wenn man sich die anderen, ähnlichen, vergleichbaren Verfahren also zu Raubkunstfällen ansieht, kapitulieren die meisten Beklagten nach der Klärung der Frage der Zuständigkeit, weil sie eben ein sehr hohes Prozessrisiko, ein sehr hohes Kostenrisiko eingehen. Wenn man also nun in Richtung Vergleich denkt in Berlin, stellt sich natürlich die Frage im Hinblick auf den Wert des Welfenschatz, ja in welchen Dimensionen soll man an einen Vergleich denken?
Also ich gehe mal nicht davon aus, dass die Berliner, sagen wir mal, die Hälfte des Welfenschatzes nun rausgeben wollen. Also wenn ich davon ausgehe, dass es eine finanzielle Regelung geben könnte. Die Rede ist ja hier von 250 Millionen US-Dollar. Was soll denn die Stiftung anbieten? 50 Millionen Dollar, 75 Millionen, hundert Millionen. Also, wir sind ja hier in Dimensionen, von denen ich annehme, dass sie weit über das Jahresbudget der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hinausgehen.
Unterschiedliche Sicht auf die NS-Zeit
Reinhardt: Aber, wenn wir jetzt mal darüber sprechen, wie groß vielleicht auch der Image-Schaden für die SPK ist, wie würden Sie das einschätzen, weil die SPK sich ja auch zum Beispiel, was die Restitution von Sammlungsgut aus kolonialem Kontext angeht, nicht besonders kooperativ zeigt?
Korte: Das wäre natürlich im Hinblick a) auf die Prominenz der Objekte und b) natürlich auch im Hinblick auf die Prominenz der Institution der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sicherlich ein Urteil, zugunsten der Kläger, wenn es so ausgehen würde, dass eine erhebliche Signalwirkung für die ganze Restitutionsdiskussion in Deutschland noch mal hätte.
Wir sind ja ständig internationaler Kritik ausgesetzt. Sie können sich erinnern, im November letztes Jahr, gab es eine Konferenz zum Thema, nicht Restitution, zwanzig Jahre Washingtoner Konferenz. Da wurde ja auch wieder erhebliche Kritik an den verschiedenen Aspekten der Restitutionsarbeit in Deutschland geäußert. Wenn nun dieses Verfahren laufen sollte, und damit auch die ganze deutsche Restitutionshaltung, -politik noch mal in Frage gestellt würde, wäre das nicht nur ein Imageschaden für die BRD und die SPK, sondern würde noch mal die ganze Diskussion in diesem Lande zum Thema Umgang mit dem Raubkunst – und da können Sie dann den Kontext zum Kolonialerbe herstellen, wird ja noch mal erheblichen Druck auf dieses ganze Thema ausüben, zumal, wenn Sie sich die Urteile ansehen, die ja bisher nur zum Thema eben 'Zulässigkeit der Frage' formuliert wurden, finden Sie da einen ganz erheblichen Unterschied in der rechtsphilosophischen, geschichtlichen Sichtweise auf dieses Thema.
Das amerikanische Gericht geht im wesentlichen davon aus, dass die Nazi-Zeit aus der Sichtweise des Endergebnisses, nämlich des Holocaust gesehen werden muss. Und wenn sie das Urteil lesen, wird dann auch expressis verbis dort ausgeführt, dass deshalb auch die Entziehung jüdischen Vermögens, im Kontext letztlich des Holocuast gesehen werden muss. Das ist eine holistisches Sichtweise, die diametral der deutschen Sichtweise entgegensteht, wo man gerade auch in diesem Fall argumentiert: na ja, 1935 war das ja noch nicht so schlimm, da gab es ja noch gar keinen Holocaust. Die Verhandlungen haben ja schon früher angefangen, die haben ja versucht den Welfenschatz schon seit den Zwanziger Jahren zu verkaufen. Also, man versucht eher kleinteilig auf die besonderen Verhältnisse in dieser Periode, also hier von 1933 bis 1935 die Situation einzuschätzen.
Und, wenn sie die Vorgaben aus den bisherigen Urteilen zum Thema eben der Zulässigkeit jetzt übertragen auf das Hauptverfahren, würde es für die Stiftung nach meiner Ansicht, und ich hab auch öfters schon prozessiert in USA zu jenen Fällen, sehr, sehr schwierig, diesen Prozess zu gewinnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.