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Streit um Wüstenstrom aus Nordafrika

Das Industriekonsortium des Wüstenstromprojekts Desertec verliert weiter an Rückhalt: Nach dem Abgang namhafter Gesellschafter wie Siemens und Bosch verabschiedet sich nun auch der Initiator und Mitbegründer, die Desertec Stiftung.

Von Verena Herb | 01.07.2013
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    Thiemo Gropp, Vorstand der Desertec Foundation erklärt gegenüber unserem Programm die Entscheidung der Stiftung, ihre Mitgliedschaft in der Planungsgesellschaft Desertec Industry Initiative, kurz DII, zu kündigen:

    "Wir haben gekündigt, weil derzeit die Schädigung des Namens Desertec und des dahinter liegenden Konzeptes und der Vision durch den Streit unter dem Namen, den wir nicht verhindern können, so großen Reputationsschaden mit sich bringt, dass wir es nicht mehr verantworten können. Das heißt also, wir ziehen uns als auch den Namen des Konzeptes aus dieser Organisation zurück und versuchen damit ein klares Stoppsignal zu setzen."

    Der Grund ist ein schon seit einiger Zeit schwelender Streit innerhalb der DII-Geschäftsführung zwischen Aglaia Wieland, die an der Exportaussicht des nordafrikanischen Stroms nach Europa festhalten will. Auf der anderen Seite steht Geschäftsführer Paul van Son, der kürzlich in Frankfurt erklärte, dass es in den nächsten fünf bis zehn Jahren wohl eher so sein werde, dass Europa Strom nach Nordafrika exportiere, da es hierzulande ein Überangebot gebe. Mit Importen aus Nordafrika sei erst ab 2020 oder 2030 zu rechnen. Es gibt Probleme in der Führungsspitze, räumt Klaus Schmidtke, Pressesprecher der DII ein:

    "Das ist ganz offensichtlich. Und was in den letzten Tagen passiert ist, dass einige Personen in verantwortungsloser Weise interne Inhalte nach draußen getragen haben, das waren leider auch Personen aus dem Unternehmen selbst, mit dem Ziel, jeweils eine Person in der Geschäftsführung schlecht aussehen zu lassen. Ich kann dazu nur sagen, dass die Mitarbeiter bei der DII über diese Vorgehensweise sehr geschockt sind."

    Die Desertec Stiftung begründet ihren Ausstieg auch mit dem vermeintlichen Strategiewechsel der DII-Stiftungsvorstand Thiemo Gropp:

    "Wenn das Konzept jetzt mal kurzerhand über die Presse geändert wird und auch öffentlich auch so wahrgenommen wird, dann haben wir damit ein Problem. Wir werden das entsprechend verhindern. Grundsätzlich sind wir aber auch der Meinung, dass die Kraftwerke, die jetzt gebaut werden für die Versorgung vor Ort, in Marokko und anderen Ländern, selbstverständlich der wichtige erste Schritt sind. Und langfristig der Export nach Europa eine wichtige Rolle spielt."

    DII-Sprecher Klaus Schmidtke bestreitet einen Strategiewechsel:

    "Wir stehen weiter zu der Idee, Wüstenstrom für die Menschen in Nordafrika und im Nahen Osten und Wüstenstrom für Europa. Das wird es beides geben. Das hätten wir gerne auch noch einmal bekräftigt."

    Die Idee, in Zukunft unabhängig zu sein von fossilen Brennstoffen, hatte zahlreiche Großunternehmen 2009 dazu veranlasst, der Industrieinitiative DII beizutreten: Konzerne wie etwa die Munich RE, RWE und Eon, die Deutsche Bank oder Schott Solar. Zwischenzeitlich ist die Zahl der Unterstützer von 32 auf knapp 20 geschrumpft: Siemens, Bosch, Evonik und die Commerzbank haben ohne Begründung ihre Mitgliedschaft im DII gekündigt – schon das hatte ein schlechtes Licht auf das Vorhaben geworfen. Nun kommen die internen Streitigkeiten bei der DII dazu. Doch weder die Desertec Stiftung noch die Industrie Initiative wollen die Idee "Wüstenstrom" verloren geben. Zwar werden DII und die Stiftung fortan getrennte Wege gehen – dies schließe eine künftige Zusammenarbeit jedoch nicht aus.