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Streit um Zeitungen in Polen
Schluss mit "deutscher Kontrolle"

Die national-konservative Regierung in Warschau plant Maßnahmen für eine "Repolonisierung" der Medien. Politiker wettern insbesondere gegen den Einfluss deutscher Verlage, zu denen die auflagenstärksten Zeitungen gehören. Doch die EU könnte die Pläne blockieren.

Von Florian Kellermann | 23.03.2017
    polnische Tageszeitungen
    PiS-Politikerin Elzbieta Kruk: "Sollen wirklich die Deutschen die polnische Regierung kontrollieren?" (dpa/picture alliance/Patrick Pleul)
    Eine Mail aus der Geschäftsleitung ist in Polen zu einem Skandal geworden. Mark Dekan, Geschäftsführer des Verlags Ringier Axel Springer, hat sie verfasst, sie ging an die Mitarbeiter (*) der polnischen Medien dieses Verlags. Zu ihnen gehört das größte polnische Nachrichtenportal onet.pl, die auflagenstärkste Tageszeitung "Fakt" und das Politmagazin "Newsweek Polska".
    In seiner Mail zieht Dekan über die polnische Regierung her, vor allem über deren Verhalten beim jüngsten EU-Gipfel. Mit "primitiver Manipulation" habe sie versucht, die Wiederwahl von Donald Tusk als EU-Ratspräsident zu verhindern. Die Journalisten sollten daran denken, dass sich die Medien des Verlags für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und ein vereinigtes Europa aussprechen.
    "Der Brief erniedrigt uns Polen"
    Über diese Worte empören sich seit Tagen rechtskonservative polnische Publizisten und Vertreter der Regierung, so Patryk Jaki, Staatssekretär im Justizministerium:
    "Die Journalisten spielen eine wichtige Rolle im Staat. Deshalb erniedrigt dieser Brief uns Polen. Der deutsche Verlag verschickt wöchentlich solche Mails und erklärt den Polen, wie sie denken sollen. Polen sollen so denken, wie es die Deutschen gerne hätten."
    Dass der Verlag Ringier Axer Springer auch Eigentümer aus der Schweiz hat, und Mark Dekan selbst Österreicher ist, erwähnte der Staatssekretär nicht.
    Auch die Regierung in Warschau reagierte. Beunruhigend sei der Vorgang, erklärte das polnische Außenministerium. Ein ausländischer Konzern mische sich hier in die inneren Angelegenheiten Polens ein, hieß es.
    Ein Skandal zur rechten Zeit
    Für die polnische Regierung kommt der Skandal genau zum richtigen Zeitpunkt. Sie hat das Thema "ausländische Medien" auf die Tagesordnung gesetzt. Elzbieta Kruk, Abgeordnete der Regierungspartei PiS und Vorsitzende des Kulturausschusses:
    "Wir haben hier eine Dominanz von ausländischem Kapital. In anderen Ländern wäre das unvorstellbar. Fast 80 Prozent der Printmedien gehören ausländischen Konzernen, die meisten davon deutschen Unternehmen. Es ist die Aufgabe der Medien, die Regierung zu kontrollieren, das gehört zu einem funktionierenden Staat dazu. Aber sollen wirklich die Deutschen die polnische Regierung kontrollieren?"
    Nein, lautet die Antwort der PiS. Schon seit Monaten arbeitet eine Expertengruppe an einem Gesetz, das ausländische Medienkonzerne aus dem Land drängen soll. "Repolonisierung" heißt das im Jargon der Regierungspartei. Kulturminister Piotr Glinski:
    "Am besten wird es sein, wenn den Medienkonzernen eine Übergangsfrist geben, in der sie sich den neuen Regeln anpassen können. Sie können ihre Medien zum Beispiel verkaufen. Ziel ist es, dass Pluralität entsteht in der Presselandschaft, dass es nicht einige dominierende Marktteilnehmer gibt."
    Maßnahmen widersprechen EU-Recht
    Derzeit berät der Kulturausschuss im Parlament zum ersten Mal über ein mögliches Gesetz. Mitte des Jahres soll das Projekt vorliegen. Das Problem der Regierung dabei: die Regeln der EU. Ein EU-Land darf Kapital aus einem anderen Mitgliedsstaat eigentlich nicht blockieren. Die Regierung will deshalb den Hebel dort ansetzen, wo sie eine Monopolbildung nachweisen kann. Das wäre am ehesten bei den regionalen Tageszeitungen möglich, von denen allein 20 Titel einer Tochterfirma der Verlagsgruppe Passau gehören. Im Gespräch ist aber auch, den Anteil von ausländischem Kapital an Medien grundsätzlich zu beschränken.
    Eine Scheindiskussion sei das alles, meinen Gegner der Regierung. Die Machthaber hätten nicht so sehr etwas gegen ausländische als vielmehr gegen kritische Medien. Juliusz Braun, ehemaliger Vorsitzender des öffentlichen Fernsehens:
    "Dieser Kampfbegriff "Repolonisierung" ist sehr gefährlich für die Pressefreiheit. Das wirkt wie eine Einschüchterung: Passt bloß auf, was ihr schreibt, sonst verstaatlichen wir euch! Noch bedenklicher finde ich Gedankenspiele, staatlich dominierte Konzerne könnten ausländische Medien kaufen. Die Regierung kontrolliert diese Konzerne, sie würde damit Eigentümerin der Medien."
    (*) Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, die Mail sei an die Journalisten der polnischen Medien dieses Verlags gegangen. Diesen Fehler haben wir korrigiert.