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Ströbele: Arbeit der Presse nachhaltig geschädigt

Nach Ansicht des Grünen-Politikers Christian Ströbele ist das Verbot, Journalisten grundsätzlich als Quellen des Bundesnachrichtendienstes zu führen, ein eindeutiges Schuldeingeständnis des Kanzleramts und eine längst überfällige Maßnahme. Er verlangte, der Öffentlichkeit müssten alle Informationen über den Vorgang zugänglich gemacht werden, um das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Presse wiederherzustellen.

    Breker: Die Arbeit der geheimen Dienste findet im Geheimen statt und scheut von Natur aus die Öffentlichkeit. Deswegen findet die geheime Tätigkeit aber nicht unkontrolliert statt, zumindest nicht in Demokratien. Nun gab es im Bundesnachrichtendienst, dem BND, der für die Auslandsaufklärung zuständig ist, eine vermutete undichte Stelle. Peinlich, oberpeinlich. Das Leck sollte so schnell wie möglich geschlossen werden und dafür arbeitet man auch schon mal im Innern. Journalisten werden zur Bespitzelung von Kollegen eingesetzt und keiner will etwas gewusst haben, weder der zuständige Koordinator, noch der Chef. Der Bundesnachrichtendienst und die Pressefreiheit.
    Am Telefon begrüße ich nun Christian Ströbele, für die Bündnis-Grünen im parlamentarischen Kontrollgremium für die Aktivitäten der Geheimdienste. Guten Tag Herr Ströbele!

    Ströbele: Guten Tag!

    Breker: Das kann man irgendwie nachvollziehen. Für einen Geheimdienst gibt es nichts Schlimmeres als eine undichte Stelle in den eigenen Reihen. Da ist die Panik eigentlich absehbar?

    Ströbele: Das ist richtig. Nur die Panik darf nicht dazu führen, dass panisch reagiert wird und dass rechtsstaatliche Kriterien über Bord geworfen werden, und das scheint hier so der Fall zu sein. Nach den Veröffentlichungen, die wir jetzt jeden Tag erleben, sehe ich nicht nur die Pressefreiheit in Gefahr, sondern die Arbeit der Presse jedenfalls in einem bestimmten Bereich heute schon nachhaltig geschädigt.

    Breker: Aber nachvollziehbar ist auch, dass man die undichte Stelle selber finden will, dass man damit nicht an andere Dienste oder sonst wen herantritt?

    Ströbele: Ja genau das ist eines der Probleme, die zu klären sind, die zu besprechen sind. Aber ich sage noch mal: Das darf nicht dazu führen, dass man die Arbeit der Presse behindert, dass man Presseleute zu Mitarbeitern des Geheimdienstes macht und ein Journalist den anderen ausspioniert. Wissen Sie wenn heute ein Journalist vor mir steht und mich befragt, dann ist es doch nach diesen Presseveröffentlichungen jetzt schon so, dass ich ihm tief in die Augen gucken muss und die Frage stelle, arbeitet der jetzt nur für das und das Medium oder die und die Zeitung, oder trägt er auf mehreren Schultern und erzählt er das, was wir jetzt miteinander besprechen, dann auch gleich anschließend einem Geheimdienst.

    Breker: Für Mitarbeiter von Geheimdiensten sind Journalisten zugleich natürliche Feinde, aber irgendwo auch natürliche Freunde, denn die wissen ja auch eine ganze Menge?

    Ströbele: Das ist richtig, aber man muss das streng getrennt halten und es darf nicht so sein, dass die Gehälter von Journalisten von einer Zeitung, von einer Rundfunkanstalt und gleichzeitig etwa vom Bundesnachrichtendienst oder einem anderen Geheimdienst bezahlt werden.

    Breker: Nun hat ja heute das Bundeskanzleramt grundsätzlich verboten, dass Journalisten als Quellen geführt werden. Hilft das?

    Ströbele: Das ist erst mal ein eindeutiges Schuldeingeständnis. Das ist in Ordnung und das kann ein erster Schritt der Aufarbeitung sein. Ich sage eine Sofortmaßnahme, die dringend erforderlich ist. Aber damit ist das Problem nicht gelöst. Wir müssen alle Fakten, möglichst den gesamten Bericht, der erstellt worden ist, der Öffentlichkeit zugänglich machen und müssen auch die Fragen klären, die jetzt im Nachhinein schon in der Öffentlichkeit geführt werden, zwischen etwa dem früheren Chef des Bundesnachrichtendienstes Herrn Geiger und dem Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt unter der Regierung Kohl, der ja der Vorgesetzte, wenn Sie so wollen, des Herrn Geiger war, Herrn Schmidbauer. Es darf nicht sein, dass im parlamentarischen Kontrollgremium einer sich selber kontrolliert.

    Breker: Was wir da gerade erleben von Seiten Herrn Schmidbauers und Herrn Geigers, ist ja so etwas wie keiner will was gewusst haben. Das führt zur Frage zwischen Wissen und Verantwortung. Verantwortung haben sie aber beide getragen?

    Ströbele: Genau das ist richtig. Es gibt eine Verantwortung für das, was man weiß, aber es gibt auch eine Verantwortung für das, was man nicht weiß, aber was man als Chef einer Behörde wissen muss. Dann gibt es Organisationsmängel oder man hat den Laden nicht richtig im Griff. Jedenfalls kann sich ein Präsident eines Bundesnachrichtendienstes nicht damit herausreden, da sind Einzelne oder ganze Abteilungen eines Dienstes außer Kontrolle geraten. Das muss Konsequenzen haben und wenn wir alle Fakten auf dem Tisch haben, dann müssen wir darüber reden: was sind die organisatorischen Konsequenzen, was sind möglicherweise die Weisungskompetenzen nach dem, was die Bundesregierung jetzt schon angeordnet hat, aber auch wer trägt persönliche und politische Verantwortung. Auch das muss Konsequenzen haben.

    Breker: Kann das vielleicht öffentlich aufgearbeitet werden, eine Forderung, die ja nun auch im Raum steht? Ist das eine für Sie sympathische Idee?

    Ströbele: Natürlich! Das muss öffentlich aufgearbeitet werden. Wissen Sie eine Affäre, die jetzt bereits in allen Medien breit getreten wird, da muss Grund reingebracht werden und es muss das Vertrauen der Bevölkerung in eine unabhängige Presse wieder hergestellt werden. Schon dafür ist erforderlich, dass der Umfang dieses Skandals öffentlich diskutiert wird, dass alle Fakten auf den Tisch gelegt werden und dass sie einer öffentlichen Beurteilung und übrigens auch der Beurteilung durch die über 600 Abgeordneten des deutschen Bundestages – und zwar durch alle – zugeführt werden.

    Breker: Der parlamentarische Kontrollausschuss hat ja den Schäfer-Bericht, in dem diese Vorwürfe drin stehen, bekommen. Muss dieser Bericht eigentlich wirklich geheim bleiben? Was steht da so Brisantes drin, was diesem Land schaden könnte?

    Ströbele: Ich meine der muss nicht geheim bleiben. Wir haben eine Sondersituation. Deshalb sollte dieser Bericht, ich sage mal einschränkend, so weit wie irgendwie möglich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Es hat sich hier übrigens gezeigt, dass das parlamentarische Kontrollgremium mit seinen Hilfsmitteln mindestens in diesem Falle sehr effektiv gearbeitet hat. Das Gremium hat sich im letzten Herbst mit den ersten Meldungen über diese Bespitzelung von Journalisten befasst, hat gesagt da stinkt etwas, da ist weitere Aufklärung erforderlich und hat von seinem wichtigsten Mittel Gebrauch gemacht, einen Sachverständigen oder man kann auch sagen einen Sonderermittler eingesetzt, der offenbar sehr, sehr effektiv gearbeitet hat. Dieses Arbeitsergebnis muss der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden und muss Grundlage der öffentlichen Aufarbeitung sein können.

    Breker: Muss es vielleicht strukturelle Änderungen geben?

    Ströbele: Ganz sicher, ja. Es wird immer deutlicher, dass die Möglichkeiten des parlamentarischen Kontrollgremiums erweitert werden müssen. Aber vor allen Dingen muss in den Diensten ein reinigendes Gewitter stattfinden. Es kann nicht sein, dass sich immer wieder im Bundesnachrichtendienst Teile, einzelne Personen selbständig machen, unkontrolliert etwas machen, was rechtswidrig ist, was mit der Politik der Bundesregierung nicht zu vereinbaren ist, dass dort Teile eines solchen Dienstes außer Kontrolle geraten. Da müssen Vorkehrungen getroffen werden und auch persönliche Konsequenzen gezogen werden.

    Breker: Christian Ströbele war das in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Er sitzt für die Bündnis-Grünen im parlamentarischen Kontrollgremium für die Aktivitäten der Geheimdienste. Herr Ströbele, danke für dieses Gespräch!

    Ströbele: Okay! Auf Wiederhören!