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Ströbele: Durch Folter entstandene Aussagen dürfen nicht genutzt werden

In der Debatte um eine deutsche Beteiligung an Verhören des US-Geheimdienstes hat der Grünen-Politiker Christian Ströbele betont, in Kenntnis der unmenschlichen Bedingungen im US-Gefangenenlager Guantanamo und in Gefängnissen in Syrien hätten deutsche Ermittler sich dort nicht an Befragungen beteiligen dürfen. Das absolute Folterverbot bedeute auch ein Verbot, durch Folter entstandene Aussagen zu nutzen, sagte Ströbele.

15.12.2005
    Meurer: Am Telefon begrüße ich den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Bündnis-Grünen Hans-Christian Ströbele, er sitzt im Rechtsausschuss des Bundestages. Guten Tag, Herr Ströbele!

    Ströbele: Ja, guten Tag!

    Meurer: Um vielleicht mit der letzten kurzen Behauptung zu beginnen. Hat es da einen Deal geben sollen, dass die Grünen auf einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss verzichten und im Gegenzug es einen Untersuchungsausschuss dann eben im Europaparlament gibt?

    Ströbele: Nein, wir handeln nicht mit Kühen. Und ich glaube an dieser Meldung ist nichts dran. Ich habe jedenfalls zum ersten Mal davon aus der Zeitung erfahren.

    Meurer: Die beiden Fälle von denen wir seit gestern öffentlich gehört haben, deutsche Beamte haben einen Terrorverdächtigen in Syrien verhört und Verhöre auch in Guantánamo vorgenommen. Wie korrekt haben sich die deutschen Beamten verhalten?

    Ströbele: Also, erstmal: beide Meldungen sich nicht neu. Die Zammar-Geschichte, die schrecklich ist, die dramatisch ist, die stand schon sehr ausführlich im Spiegel und war deshalb ja auch Grundlage von unseren Anfragen an die Bundesregierung. Und auch...

    Meurer: Aber sie ist jetzt vom Innenminister bestätigt.

    Ströbele: Richtig. Und genauso verhält es sich mit der Geschichte in Guantánamo. Die Geschichte ist auch ein paar Jahre alt, sie stand schon mal in der Zeitung. Das neue ist, dass das jetzt von der Bundesregierung, das heißt vom Bundesinnenminister in einer öffentlichen Sitzung im deutschen Bundestag bestätigt worden ist. Ich denke da ist ein Riesenproblem. Wir sollten uns auch nicht damit zufrieden geben, dass das jetzt bestätigt worden ist, sondern wir sollten ganz konkret auch nach den Einzelheiten, weitere Informationen verlangen. Wir sollten auch verlangen, dass klar ist, wer hatte da was in der Bundesregierung zu verantworten. Also, wer hat an der Entscheidung mitgewirkt damals. Und dann müssen wir uns die grundsätzliche Frage stellen: sind solche Vernehmungen auch in Extremsituationen wie nach dem 11.9. möglich, richtig, vertretbar. Und ich sage dazu: ganz eindeutig Nein!

    Meurer: Einmal von der Rechtslage abgesehen, Herr Ströbele, hat der Bundesnachrichtendienst nicht das Recht in Guantánamo mit einem befreundeten Dienst zusammen Verhöre vorzunehmen?

    Ströbele: Wir haben in Deutschland nach dem Grundgesetz, also nicht nach irgendeiner Regelung, sondern nach dem Grundgesetz ein absolutes Folterverbot. Und wir haben die internationale Menschenrechts-Antifolterkonvention unterschrieben. Wir haben die europäische Konvention unterschrieben, die die Folter ausdrücklich absolut verbietet. Und das heißt auch: absolutes Folterverbot bedeutet, dass wir auch nicht die Früchte von Folter ernten dürfen. Das kann nicht so sein, dass wir in Kenntnis dessen, dass jemand in Guantánamo inhaftiert ist, in Kenntnis der dortigen unmenschlichen Bedingungen unter denen die dort inhaftiert sind, dann wenn dann jemand aussagebereit gemacht worden ist, dann hingehen und sagen, wir foltern ja nicht, aber wir gehen jetzt hin und wollen trotz der Kenntnis der unmenschlichen Behandlung Angaben von dieser Person haben, weil sie uns für unsere Ermittlungen möglicherweise auch zur Gefahrenabwehr erforderlich scheint.

    Meurer: Was sagen Sie dann zu der Erläuterung von Innenminister Wolfgang Schäuble im Fall des syrischen Gefängnisses, hätten die Akten keinerlei Hinweise gezeigt, dass der Deutsch-Syrier Haidar Zammar gefoltert worden sei.

    Ströbele: Also, das ist ja erstmal eine sehr vorsichtige Formulierung des Innenministers. "Die Akten haben keine Hinweise gezeigt". Vielleicht gab es wo anders Hinweise. Und ich glaube sowohl die USA als auch die deutschen Behörden wissen, was in dem berüchtigten syrischen Foltergefängnis in Damaskus üblich ist und was dort passiert. Aber selbst wenn sie es nicht gewusst hätten, dann müssten sie auch Aussagen von Mitgefangenen von Herrn Zammar zur Kenntnis nehmen, die ja auch veröffentlich worden sind, die ganz klar dahin gingen, dass nicht nur allgemein dort gefoltert wurde, sondern dass auch Zammar misshandelt worden ist und gefoltert worden ist. Und dann ein Zusammenhang zu einer Aussagebereitschaft herzustellen ist dann nicht mehr schwierig. Im übrigen waren die Informationen gerade zu diesem Punkt in den Ausschüssen - wir müssen das noch mal zusammenstellen - offenbar nicht ganz einheitlich, sondern unterschiedlich oder auch widersprüchlich.

    Meurer: Besteht eigentlich die Möglichkeit, dass die Beamten des BKA, also Bundeskriminalamt und Bundesnachrichtendienst vor den Bundestagsausschüssen aussagen könnten?

    Ströbele: Erstens besteht grundsätzlich diese Möglichkeit, natürlich, wenn die Bundesregierung sie zur Verfügung stellt und die bereit sind. Und vor einen Untersuchungsausschuss müssten sie sogar aussagen. Der Unterschied zwischen Untersuchungsausschuss und einem normalen Ausschuss ist, dass der Untersuchungsausschuss Zeugen laden kann, die dann auch kommen müssen und auch aussagen müssen, es sei denn sie haben ein Aussageverweigerungsrecht. Das ist allgemein sonst nicht der Fall, sonst ist das eher ein freiwilliges zur Verfügung stellen gegenüber, als Auskunftsperson für einen Ausschuss. Aber es ist durchaus möglich und auch üblich, dass die Bundesregierung auch Beamte für bestimmte Informationen zur Verfügung stellt.

    Meurer: Sie haben gestern im Rechtsausschuss Auskünfte erhalten von Justizministerin Brigitte Zypries, sie ist jetzt Justizministerin, war es auch in der alten Regierung, wie zufrieden waren Sie gestern mit ihrem Auftritt?

    Ströbele: Ich war sehr unzufrieden. Erstens, zeigte sich die Ministerin über wesentliche Fragen, die wir vorher schon schriftlich eingereicht hatten oder beispielsweise einen längst bekannten ausführlichen Spiegelartikel über den Fall Zammar wenig informiert. Und dann wurde uns auferlegt eine Geheimhaltung zu all diesen Punkten, wir sollten sogar aus unseren Handys die Batterien rausmachen.

    Meurer: Haben Sie das getan?

    Ströbele: Nein, habe ich nicht getan. Und anschließend habe ich dann dieselben Informationen, die angeblich so geheim sein sollten, im Plenum des deutschen Bundestages von Herrn Schäuble noch mal dargestellt bekommen.

    Meurer: Nur was soll die Justizministerin wissen, die Fäden laufen vermutlich, wenn dann eher im Innenministerium zusammen.

    Ströbele: Das ist nicht ganz richtig, weil etwa das Bundeskriminalamt ja eine Ermittlungsbehörde ist, die dem Generalbundesanwalt unterstellt ist und der wiederum ist der Justizministerin in gewisser Weise auskunftsverpflichtet und auch unterstellt.

    Meurer: Hans-Christian Ströbele, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag. Danke, Herr Ströbele, und auf wieder hören!

    Ströbele: Okay, gern und auf wieder sehen.