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Ströbele: Parlament an No-Spy-Abkommen beteiligen

Auch die USA dürften nur in Einzelfällen deutsche Bürger ausspionieren, fordert Hans-Christian Ströbele (Grüne) in Bezug auf das geplante deutsch-amerikanische Antispionage-Abkommen. An den Verhandlungen müsse das deutsche Parlament federführend mitwirken.

Hans-Christian Ströbele im Gespräch mit Peter Kapern | 15.08.2013
    Peter Kapern: Kanzleramtsminister Ronald Pofalla hat den geplanten Vertrag mit den USA bereits als "stilbildend für alle westlichen Geheimdienste" bezeichnet. Die Rede ist vom sogenannten No-Spy-Abkommen, das Deutschland und die USA derzeit aushandeln. Das Abkommen soll sicherstellen, oder, wie Kritiker sagen, vortäuschen, dass die Geheimdienste des einen Landes nicht mehr im anderen Land agieren. Einige Eckpunkte dieses Abkommens sind bekannt: Keine Wirtschaftsspionage, keine Schnüffeleien in den Regierungsstellen und diplomatischen Vertretungen der anderen Seite, keine Datenbanken, die gegen die Interessen des Vertragspartners verstoßen. Wie er diese Grundzüge des No-Spy-Abkommens bewertet, das habe ich vor der Sendung den Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele gefragt.

    Hans-Christian Ströbele: Ja das hört sich alles ganz prima an. Als Erstes fällt mir dann dazu ein, dass es ganz offensichtlich diese Verstöße gegeben hat. Sonst braucht man ja kein Abkommen und muss auch nicht lange darüber verhandeln, sondern dann würde man davon ausgehen, dass es auch in Zukunft nicht der Fall sein wird. Nein, man soll darüber reden, das ist immer richtig, aber da fehlen natürlich wir alle, die Bürgerinnen und Bürger. Unternehmen soll man nicht ausspionieren, die Behörden soll man nicht ausspionieren, diplomatische Vertretungen nicht, aber auch die gesamte Bevölkerung soll eigentlich durch Freunde, in den USA befreundete Geheimdienste und Verbündete, nicht ausgespäht werden. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, weil für die bundesdeutschen Nachrichtendienste ist es geradezu ein heiliges Tabu, dass die USA als Verbündete und Freunde nicht ausgespäht werden. Das wird uns immer wieder versichert, und warum soll es nicht umgekehrt genauso sein.

    Kapern: Was denken Sie, warum gerade dieser Punkt nicht zu den Eckpunkten zählt, über die man da so viel liest und hört?

    Ströbele: Weil da erstens die Spionage stattgefunden hat, offenbar in großen Massen. Wir wissen ja keine konkreten Zahlen.

    Kapern: Was aber Ronald Pofalla gerade dementiert hat.

    Ströbele: Nein, hat er nicht dementiert! Er hat immer wieder behauptet, in Deutschland werden keine flächendeckenden – diese beiden Betonungen muss man ernst nehmen – Daten von Bürgerinnen und Bürgern abgezogen. Er hat überhaupt nicht infrage gestellt, weil er es nicht kann, sondern ganz im Gegenteil – davon muss man inzwischen ausgehen -, dass die NSA, also der US-amerikanische Militärgeheimdienst, sowohl die Datenverbindungen, die Knoten, die sich etwa in Südengland befinden, nach dem Programm Tempora kopieren, speichern und auswerten, als auch aus den Servern, die in den USA stehen, und dann noch die Daten, die er von Google, Facebook und anderen Großunternehmen bekommt. Das heißt, da sind die Daten, die Kommunikations-Verbindungsdaten, Telefonieren, E-Mail, Internet, drin von Deutschen, und diese Daten werden gebraucht, missbraucht, ausspioniert.

    Kapern: Denken Sie, der NSA lässt sich überhaupt davon überzeugen, auf die Spionage gegen deutsche Bürger, sei es in Deutschland oder an den Knotenpunkten der Kommunikation im Ausland, zu verzichten?

    Ströbele: Da habe ich erhebliche Zweifel, weil der NSA ja auch in der Vergangenheit das betrieben hat und überall in der Welt, auch in Deutschland Stützpunkte hat, bei denen das organisiert wird, wenn er auch behauptet, dass er in Deutschland das nicht abgreift. Das muss er gar nicht machen, weil der ganz überwiegende Teil der Kommunikation auch in Deutschland läuft über diese Kabel, diese Glasfaserkabel in die USA und zurück und läuft dort auch in die großen Server und an die Großunternehmen. Das heißt, was in der Vergangenheit falsch gemacht wurde, offenbar unter Verstößen gegen internationale Regeln und auch, ich sage ganz klar, unter Verletzung von Grundrechten deutscher Bürgerinnen und Bürger, das soll offenbar jetzt nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden.

    Kapern: Kanzleramtsminister Pofalla hat gesagt, ein solches Abkommen, dessen Eckpunkte wir erläutert haben, wäre unter westlichen Diensten stilbildend. Ihrer Meinung nach wäre es eher ein Muster ohne Wert?

    Ströbele: Na ja, wir freuen uns ja über jeden Fortschritt in dieser Hinsicht. Aber es kann nicht sein, dass deutsche Bürgerinnen und Bürger von den USA, von dem Freund und Verbündeten ausspioniert werden. Wenn die was wissen wollen über Telekommunikationsverbindungen in Deutschland von Deutschen, dann sollen sie sich doch an ihre befreundeten Dienste in Deutschland wenden. Die dürfen streng nach dem Gesetz und nur unter bestimmten Voraussetzungen und parlamentarisch kontrolliert in Einzelfällen so was tun, und mehr sollten die Amerikaner auch nicht tun dürfen.

    Kapern: Nun haben wir, Herr Ströbele, über dieses Abkommen immer so geredet, als ginge es nur darum, Deutschland vor US-Spionage zu schützen. Aber so ein Abkommen bindet ja auch immer beide Seiten. Werden dem BND damit bei seiner bisherigen Tätigkeit in den USA auch Fesseln angelegt?

    Ströbele: Nein. Der BND übt keinerlei Tätigkeiten in den USA aus. Der BND schwört heilige Eide darauf. Immer wenn wir fragen, was machen die USA, was können die USA und was gibt es aus den USA zu melden, hören wir immer dieselbe Antwort, ob öffentlich oder in Gremien: Wir spionieren und spähen die USA und US-Bürger nicht aus, das sind unsere Freunde und Verbündete. Und ich sehe überhaupt nicht ein, warum das umgekehrt nicht genauso gelten sollte.

    Kapern: Gleichwohl heißt es beispielsweise in der FAZ, dass die USA großen Wert darauf legen, dass Wirtschaftsspionage durch ein solches Abkommen ausgeschlossen wird. Warum sollten sie da großen Wert drauflegen, wenn diese Wirtschaftsspionage von deutscher Seite aus gar nicht stattfindet?

    Ströbele: Ich habe noch nie gehört, dass die USA behaupten, dass der Bundesnachrichtendienst in den USA Wirtschaftsspionage betreibt. Ich denke, die USA und die dortigen Behörden würden keine Sekunde zögern, ganz anders als die Bundesregierung und die Bundesanwaltschaft, dann entsprechende Verfahren auch gegen den Bundesnachrichtendienst durchzuführen. Bisher kenne ich keine, habe ich keine Informationen darüber, sondern ganz im Gegenteil: ich höre immer das Gegenteil, dass die deutschen Behörden - vor allen Dingen wäre das der Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz dürfte das gar nicht nach deutschem Recht - dass die das gar nicht dürfen.

    Kapern: Die Bundesregierung hat den BND-Chef Schindler beauftragt, mit seinem NSA-Amtskollegen Alexander die Eckpunkte dieses sogenannten No-Spy-Abkommens zu erörtern. Macht man damit die Böcke zum Gärtner? Sind die Verhandlungen bei diesen beiden Gesprächspartnern genau an der richtigen Adresse?

    Ströbele: Das sind sicherlich die Leute, die das dann praktizieren beziehungsweise die Verantwortung über die Organisationen haben, die das dann praktizieren. Die sind wichtig, aber man darf das – da haben Sie völlig recht – nicht alleine Herrn Schindler und Herrn Alexander überlassen, sondern da muss die Bundesregierung selbst und auch das Parlament dran beteiligt sein, sogar federführend.

    Kapern: Die USA und Deutschland verhandeln über ein sogenanntes No-Spy-Abkommen. Das war ein Gespräch mit dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, das wir vor der Sendung aufgezeichnet haben.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.