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Strom aus Bäumen melken

Energie.- Einen Baum mit der Erde über einen Draht verbinden und dann behaupten, man könne so nutzbaren elektrischen Strom abzapfen, klingt abwegig. Doch für Gordon Wadle aus Illinois keineswegs.

Von David Goeßmann | 14.09.2009
    ""Ich schlage ein Metallstäbchen in die Erde und eins in den Baum. Und man sieht, dass wir ein Volt haben.”"

    Ein Volt, ist das viel?

    ""Ist es nicht. Aber wir haben einen Stromkreis entwickelt, der ein Volt auf 2,4 Volt bringt, eine ordentliche Spannung, die genutzt werden kann. Wir sind jetzt in einem Bereich, in dem Batterien aufgeladen werden. Fast alles läuft auf 2,4 Volt.”"

    Chris Lagadinos führt den Familienbetrieb MagCap Engeneering nahe Boston. Dort baut man eigentlich Hochleistungstransformatoren für das US-Militär. Lange hat Lagadinos nicht an die Idee geglaubt, aus Bäumen Strom zu gewinnen. Doch das hat sich geändert.

    Das Massachusetts Institute of Technology, Center for Biomedical Engeneering. Andreas Mershin holt die alten Geräte hervor, mit denen man vor über zwei Jahren die ersten Versuche startete. Im kalten Winter 2006 stand er mit Leuten vom MIT Energy Club und Chris Lagadinos um einen Baum. MagCap wollte wissenschaftliche Bestätigung für den Baumstrom. Doch die Forscher winkten ab. Ein bekanntes Phänomen. Es funktioniere wie bei der Kartoffel- beziehungsweise Zitronenbatterie. Die unterschiedlichen Metalle, die verwendet würden, erzeugten eine kurzfristige elektrische Spannung. Doch diese Spannung verschwinde mit der Zeit, sobald die Metalle "verbraucht” seien. Andreas Mershin, Biophysiker am MIT:

    ""Und die von MagCap sagten: 'Warum benutzen wir nicht die gleichen Metalle. Dann sollte der Effekt verschwinden, nicht?' Und wir sagten alle: 'Ja, selbstverständlich.' Wir probierten die gleichen Metalle aus. Aber beim Baum zeigte sich der Stromeffekt wieder. Es brauchte nur länger. Jetzt begann der Baumstrom wissenschaftlich interessant zu werden.”"

    Die Forscher gingen ans Werk. Der Test wurde im faradyschen Käfig durchgeführt, um alle etwaigen Einflüsse wie elektromagnetische Störfelder auszuschließen. Doch der Stromfluss ließ sich auch im Labor weiter nachweisen. In der Forschungsliteratur stießen die MIT-Forscher schließlich auf die Lösung. Die Grundlagen für das Phänomen des Baumstroms wurden schon Anfang des 20. Jahrhunderts von dem deutschen Physiker und Nobelpreisträger Walther Nernst untersucht. Der interessierte sich für galvanische Spannungen und entwickelte die sogenannte Nernst-Gleichung. So konnte der Wissenschaftler elektrochemische Spannung zurückführen auf das Konzentrationsgefälle zwischen zwei chemischen Lösungen. Der Baumstrom, so Mershin, funktioniere nach diesem Modell wie eine riesige Konzentrations-pH-Zelle. Der unterschiedliche Säuregehalt von Baum und Erde erzeuge die elektrische Spannung.

    ""Man nennt es den homoöstatischen Mechanismus. Das funktioniert wie bei der Temperaturregulierung beim Menschen. Der Körper muss auf einer Temperatur von 37 Grad Celsius gehalten werden. Auch beim Baum ist das so. Er muss einen bestimmten pH-Wert aufrecht erhalten. Weicht der Säuregehalt der umgebenden Erde vom Baum ab, arbeitet er dagegen, um seinen pH-Wert zu halten. Und diese Arbeit nutzen wir, um ein wenig Elektrizität für den Stromkreis zu erzeugen.”"

    Die Konzentrations-pH-Zelle besteht aus zwei Halbzellen, beim Baumstrom sind das der Baum und die Erde. Beide Zellen unterscheiden sich lediglich durch die unterschiedliche Konzentration von Ionen. Die elektrisch geladenen Ionen wandern nun kontinuierlich durch die Wurzelzellen in den Baum, wo sie durch Prozesse wie die Photosynthese entladen werden. Das Licht pumpt gewissermaßen immer wieder Ionen in den Baum, um den Säuregehalt konstant zu halten. Wie bei einem Wasserkraftwerk erzeugt dieser Ionenstrom dabei ständig Energie, die mit Hilfe des Drahts zwischen Baum und Erde als nutzbarer elektrischer Strom abgezapft wird.

    Jetzt soll der Baumstrom eine erste Anwendung finden bei der Bekämpfung von Waldbränden. Mershin und MagCap haben für die US-Forstaufsicht in Idaho ein Waldmonitorgerät entwickelt, eine kleine Metallkiste mit Sensoren und Sender. Diese Geräte sammeln kontinuierlich Daten über Feuchtigkeit, Temperatur und Feuer und können diese zudem per Funk übermitteln.

    ""Allein der Transport von Feuerwehrmännern in Hubschraubern kostet sehr viel Benzin und verschmutzt die Umwelt in so starkem Umfang, dass, wenn unser Frühwarnsystem die Waldbrandbekämpfung effizienter machen kann, dadurch viel Geld gespart und die Umwelt geschützt werden kann.”"