Dienstag, 30. April 2024

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Stromerzeugung
"Fotovoltaik ist die billigste Technologie"

Mit Fotovoltaik ließe sich momentan am günstigsten Strom produzieren, sagte Andreas Bett, Forscher im Bereich Solarenergie, im Dlf. Es sei zukünftig auch möglich, Deutschland zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie zu versorgen. Eine CO2-Bepreisung könnte den Umstieg beschleunigen.

Andreas Bett im Gespräch mit Georg Ehring | 04.06.2019
Solarkraftwerk, endlose Solarpaneele, Symbolbild *** Solar power plant endless solar panels symbolic image
Solar- und Windenergie werde sich in Zukunft durchsetzen, so Andreas Bett (imago / Andreas Vitting)
Georg Ehring: Die Sonne schickt keine Rechnung, hieß es einst in der Werbung für Solaranlagen. Die Solaranlage gibt es zwar nach wie vor nicht umsonst, aber sie ist in den vergangenen Jahren immer billiger geworden – so billig, dass Solarforscher zu dem Schluss kommen, dass diese Energiequelle dabei ist, die Spielregeln auf dem Energiemarkt komplett neu zu schreiben. Einer dieser Forscher ist Dr. Andreas Bett, der Chef des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg, und ihn habe ich vor dieser Sendung gefragt, wie billig Solarstrom mittlerweile erzeugt werden kann, auch im Vergleich etwa mit der Kohle.
Andreas Bett: Ja, wir können in Deutschland bei Großanlagen schon im Bereich von vier bis fünf Eurocent pro Kilowattstunde Strom erzeugen. Kohlekraftanlagen sind noch ein bisschen darunter, zwischen drei und vier Eurocent pro Kilowattstunde. Das liegt aber daran, dass die Anlagen größtenteils schon abgeschrieben sind. Wenn Sie heute neue Kohleanlagen, Kohleverstromungsanlagen bauen würden, dann haben Sie deutlich höhere Kosten im Bereich von sechs bis sieben Eurocent pro Kilowattstunde. Das heißt, wir sind mit Fotovoltaik tatsächlich im Moment die billigste Erzeugungstechnologie für Strom in Deutschland.
"Weitere Technologien entwickeln"
Ehring: Das heißt, die Fotovoltaik könnte im Prinzip alle anderen Anbieter aus dem Markt drängen?
Bett: Wenn man rein die Strom-Gestehungskosten betrachtet, wäre das so. Nun müssen wir natürlich auch eine Netzverfügbarkeit betrachten. Wir haben ja nachts keine Sonne. Das heißt, wir müssen dann natürlich noch mal eine andere Kostenkalkulation zugrunde ziehen. Insofern ja, wenn man die reinen Strom-Gestehungskosten betrachtet, dann ist die Fotovoltaik die billigste Technologie. Aber um Strom-Versorgungssicherheit zu haben, müssen wir natürlich weitere Technologien entwickeln, wie zum Beispiel dann auch Speicher.
Ehring: Was kommt denn da noch an Kosten drauf und ist es inzwischen möglich, eine stabile Stromversorgung mit einem sehr hohen Solaranteil hinzubekommen?
Bett: Ja, wir glauben, dass es grundsätzlich möglich ist, eine hohe Stromversorgung aus Erneuerbaren, das heißt die Kombination von Wind und Sonne, die sich in Deutschland sehr, sehr gut ergänzt, auch über die Jahreszeiten hinweg, zu ermöglichen. Hinzu kommt ja noch Biomasse, die dann auch regelbar eingesetzt werden kann, und auch noch Wasserkraft. Das heißt, wir rechnen Szenarien, wo wir auch mit einer 100 Prozent erneuerbaren Energie-Versorgung Deutschland versorgen können, und technisch ist das machbar.
Ehring: Braucht denn dann die Solarenergie überhaupt noch Förderung? Sie müsste sich ja dann von ganz allein durchsetzen.
Bett: Es ist natürlich so, dass wir noch Förderung benötigen, weil wir auch in der Zukunft die Preise noch weiter absenken wollen. Wir wollen noch höhere Wirkungsgrade erzielen mit unseren Modulen. Aber wir wollen vor allen Dingen die Fotovoltaik auch integrieren in bestehende Gebäude. Die Preise, wo ich vorher gesagt hatte, die gelten ja für Freiflächenanlagen. Wir haben jetzt in Deutschland doch nicht so viele Freiflächenanlagen, dass wir alles mit Fotovoltaik zubauen wollen, sondern wir wollen sie ja in Gebäude integrieren. Dann haben wir in der Tat noch höhere Kosten und unsere Forschungsarbeiten zielen darauf ab, genau diese Kosten mit der Integration auch weiter zu senken.
"CO2-Bepreisung von Vorteil"
Ehring: Es gibt ja bei uns derzeit die Debatte um einen Preis für den Ausstoß von CO2. Wenn Kohlekraftwerke zum Beispiel mit einem solchen Preis belegt werden, würde sich dann die Solarenergie von selber durchsetzen?
Bett: Ich glaube, die Solarenergie in Kombination mit Wind – das möchte ich hier auch noch mal betonen – wird sich so oder so durchsetzen. Die Frage ist, wenn wir einen CO2-Preis haben, dann werden die Signale für die Investitionen in erneuerbare Energien schneller gesetzt. Das heißt, für mich ist es keine Frage, dass es so oder so kommt. Es ist aber eine Frage, wie schnell wir umsteigen, und da ist sicherlich eine CO2-Bepreisung von Vorteil.
Ehring: Was heißt das jetzt für Deutschland? Es gibt ja bei uns die Diskussion um höhere Ausbauziele. Was empfehlen Sie der Regierung?
Bett: Ich empfehle der Regierung auf jeden Fall, zunächst mal den berühmten 52 Gigawatt-Deckel, wo eine Limitierung für den PV-Ausbau gesetzt wurde, gesetzlich zu kippen.
Ehring: Das heißt, nach diesem Deckel wäre in ein, zwei Jahren Schluss mit jeglicher Solarförderung?
Bett: Genau. Ob das tatsächlich schon Ende dieses Jahres oder nächstes Jahr erreicht wird, das ist die große Frage. Aber dann gibt es praktisch keine gesicherte Einspeisevergütung mehr, und das ändert natürlich komplett die Geschäftsmodelle. Das heißt, wir brauchen insbesondere für die Integration in die Gebäude unbedingt noch eine weitere klare Linie, wie wir eine Vergütung von PV-Strom ermöglichen.
Ehring: Wenn wir jetzt den Blick auf die Welt richten, wie sieht es weltweit aus? Ist die Solarenergie da komplett auf der Siegerstraße?
Bett: Aus unserer Sicht ja. Wir sehen sehr viele Prognosen und Szenarien. Gerade kürzlich kam ein Szenario von Shell, das ja nun wirklich unverfänglich ist, heraus, die ganz klar die Solarenergie als führende Technologie in den kommenden Jahren sieht. Das heißt, auch Firmen wie Shell, die heute auf fossile Kraftstoffe, auf Öl setzen, sehen in der Zukunft, dass die Solarenergie dominieren wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.