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Stromspeicher unter Tage

Energie.- In sogenannten Pumpspeicherwerken treibt bergab fließendes Wasser Turbinen an und diese erzeugen Strom. Bis jetzt waren solche Speicher nur in den Bergen möglich. Doch Forscher aus den Niederlanden und Deutschland sind sich sicher, dass es einen Weg gibt, Pumpspeicherwerke auch im Flachland zu bauen.

Von Sönke Gäthke | 21.11.2011
    Zechen sollen ein zweites Leben bekommen – als Energiespeicher für überschüssigen Strom. Die Idee ist schnell erzählt: Hunderte von Metern unter der Erde, in den alten Schächten des Ruhrgebiets, soll Wasser stehen. Erzeugen Windräder zu viel Strom, würde dieses Wasser von großen Pumpen an die Oberfläche gepumpt. Um bei Bedarf später wieder in die Tiefe zu schießen, Turbinen an(zu)treiben und Strom zu erzeugen. Derzeit setzen vor allem Forscher aus dem Ruhrgebiet auf diese Idee. Ganz neu ist sie allerdings nicht, erklärt Johannes Huynen.

    "Also, in den 80er-Jahren hat die Niederländische Regierung in Auftrag gegeben, das zu untersuchen, ja? Und die Professoren, die TU in Delft, die haben sich da tief mit befasst."

    Ihr Ergebnis: Die alten Zechen in der Region von Limburg eignen sich nicht für ein Pumpspeicherwerk. Johannes Huynen gehörte seinerzeit zum Begutachterteam.

    "Die Wände sind brüchig, Sie müssen sich vorstellen, das Wasser geht mit großer Kraft durch die Gänge, das ist nicht stabil. Das wird irgendwo nicht funktionieren."

    Und Wouter Muller, mit dem der Gutachter trotzdem die Idee weiter verfolgt und deshalb ein Unternehmen gegründet hat, ergänzt:
    "Es sind alte Werke, sie sind teilweise sehr verschmutzt, wenn man das alles aufräumen muss, wenn man verschmutztes Wasser hin und herpumpt, dass wird nicht funktionieren, da gehen die Geräte kaputt, das kann man von vornherein berechnen."

    Wouter Muller und Johannes Huynen halten es daher für besser, gleich ein ganz neues Kraftwerk zu bauen. Bei der Untersuchung der alten Schächte hatten die Wissenschaftler damals nämlich festgestellt, dass unter den Flözen solides Felsgestein beginnt – ideal, um eine Wasserkammer hineinzubohren. Mit der Oberwelt soll diese Kammer durch Schächte verbunden werden.

    "Es gibt drei Schächte, eins ist für das Wasser, natürlich, dann gibt es einen Schacht für die Materialien, um die Menschen da hinunter zu bringen, und einen dritten für die Entlüftung und die Bekabelung. Also diese Schachte sind notwendig."

    Rund 1400 Meter in die Tiefe reichen diese Schächte, wenn sie fertig sind. Dort sollen dann auch die Turbinen installiert werden, sieben an der Zahl, jede mit einer Leistung von 200 Megawatt.

    "Wir reden hier in den Niederlanden, also ein Projekt von 1400 Megawatt, das ist für mehr als eine Millionen Haushalte."

    Bis zu sechs Stunden lang reicht das Wasser. Dann muss das Nass – zwei Millionen Kubikmeter – wieder an die Oberfläche zurückgepumpt werden. Das klingt zwar wie eine große Wassermenge, ist aber vergleichsweise wenig – oberirdische Pumpspeicherwerke wie etwa Goldistal in Thüringen, brauchen für eine ähnliche Leistung deutlich mehr Wasser: Bis zu je zwölf Millionen Kubikmeter fassen dort das Ober- und das Unterbecken. Das Unter-Tage-Pumpspeicherwerk kommt mit weniger Wasser aus, weil die Fallhöhe deutlich höher ist: In Goldistal rauscht das Wasser rund 300 Meter tief, bei Limburg sollen es 1400 sein. Dass die auftretenden Kräfte den Schaufeln Probleme bereiten könnten, damit rechnen die Holländer nicht. Dank der Fallhöhe liefern die Turbinen mehr Strom – und bieten wenig Anlass für Kritik.

    "Das Oberbecken ist sehr beschränkt. Da reden wir über ein kleines Meer von 400 auf 400 Meter. Das ist ganz etwas anderes als die ganz große Pumpspeicherwerke, die wir kennen. (...) Wir brauchen keine Natur zu zerstören, deswegen ist die Lösung so elegant, keiner hat da einen Nachteil davon, es brummt nicht, es ist ganz ruhig, man sieht nichts, man hört nichts, und man erzeugt Strom."

    Strom liefern oder Speichern könnte dieses Werk etwa ab 2020 – genau dann, wenn der Bedarf an Speichern wegen des Ausbaus der Erneuerbaren spürbar steigt. Als Preis rechnen die Holländer mit rund 1300 Euro pro Kilowatt Leistung. Das wäre teurer als in der Vergangenheit abgeschlossene Projekte, aber billiger als die derzeit in der Schweiz geplanten Pumpspeicherwerke Nant de Drance oder Linthal. Und auch für Deutschland sei dieses Projekt geeignet, zeigen sich die beiden Holländer überzeugt. Auch wenn sie weder die Eignung der alten Zechen im Ruhrgebiet, noch deren Untergrund untersucht haben.