Liminski: Am Telefon begrüße ich nun die Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag, Christine Scheel. Sie ist auch die finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Guten Tag, Frau Scheel.
Scheel: Guten Tag.
Liminski: Frau Scheel, die Regierung lobt ihr Paket und rechnet mit der Zustimmung der Opposition. Diese wiederum sagt jein, eher nein als ja, und will ein eigenes Paket vorlegen. Ist das alles mediales Theater, was wir gestern und heute erleben. Was ist aus Ihrer Sicht realistisch? Was kann, was muss am Ende rauskommen?
Scheel: Also, ich muss schon sagen, ich bin über die eine oder andere Äußerung aus der Opposition sehr überrascht, denn es gab im Frühjahr noch den Konsens darüber, auch mit Zustimmung übrigens der Ministerpräsidenten und auch mit Zustimmung der Finanzminister der Länder. Egal ob Bayern oder auch andere. Die sind ja bekannterweise auch im Wahlkampf. Das spielt auch immer eine Rolle. Hier wurde gesagt, wir brauchen zum 01.01. eine Gemeindefinanzreform. Jetzt stellen wir fest, dass es keine einheitliche Linie weder zwischen den unionsregierten Ländern noch zwischen Fraktionen und den Ländern gibt. Das macht es natürlich auch für die Regierungsfraktion etwas schwer zu kalkulieren, was am Ende dann herauskommen kann.
Liminski: Entscheidend sind trotzdem die Länder, sprich der Bundesrat. Welche Konzessionen halten Sie denn von Ihrer Seite aus für machbar? Wo sehen Sie eine Kompromisslinie?
Scheel: Also, ich halte es für ganz, ganz wichtig, dass wir bei der Steuervereinfachung vorankommen - das erwarten auch die Leute von uns -, dass wir bei der Einschränkung von Steuergestaltungen vorankommen. Hier gab es im Frühjahr auch eine breite Übereinstimmung zwischen Unions- und SPD-regierten Ländern und auch den beiden die Regierung tragenden Parteien, SPD und Grüne, wo wir gesagt haben: Es gibt gerade bei größeren Unternehmen immer noch viele Möglichkeiten der Steuergestaltung, und was nicht sein darf, ist, wenn Gewinne erwirtschaftet werden, dass dann keine Steuern in Deutschland bezahlt werden. Aus diesem Grund müssen wir an bestimmten Punkten - ob es jetzt Verlustabzug bei stillen Gesellschaftern oder das Außensteuergesetz ist, ob es Verlustverrechnungsmöglichkeiten sind - Neugestaltungen vornehmen und darüber haben wir uns im Prinzip vom Grundsatz her mit der Opposition verständigt. Die befindet sich mittlerweile aber bei diesen Fragen wieder im Rückzug, was mich sehr überrascht.
Liminski: Geld erhöht den Handlungsspielraum - das ist eine Binsenfreiheit, die Dostojewski in den Satz kleidete: Geld ist geprägte Freiheit. Nun plant Eichel eine Neuverschuldung. Das bindet uns, ist eine Hypothek auf die Zukunft. Wie viel darf es denn sein? Wie viel können wir uns denn an Neuverschuldung leisten?
Scheel: Wir Grünen sind ja immer diejenigen gewesen, die auf Haushaltskonsolidierung gepocht haben und das auch immer noch tun, und wir müssen einfach sehen, dass das Vorziehen der Steuerreform eine Vorfinanzierung um ein Jahr ist. Hans Eichel hat einen Vorschlag unterbreitet, wie die Zinsen, die für dieses neue Kredit-Volumen aufgenommen werden müssen, auch finanziert werden können, das heißt, es gibt hier den Vorschlag, sowohl Privatisierungserlöse einzustellen als auch über den Abbau von Vergünstigungen die notwendigen zu finanzierenden Zinsen auch mitzufinanzieren. Wenn es mehr geht, dann ist es uns recht. Wir haben immer gesagt: So möglichst wenig Neuverschuldungen wie nur geht. Wir müssen natürlich auch sehen, dass das Vorziehen der Steuerreform für ein Jahr in der Finanzierung zu stehen hat. Ab dem Jahr 2005 war die Entlastung in den Haushalten sowieso vorgesehen, und deswegen ist es unlauter von der Opposition, so zu tun, als ob auf Dauer die nächsten Generationen belastet werden. Wenn die Vorfinanzierung über Zinsen finanziert ist und dann im folgenden Jahr sowieso im Haushalt verankert ist, dann darf man nicht so tun als sei dies hier eine Kreditaufnahme in Größenordnungen, wo jedem schwindelig wird.
Liminski: Werden Sie über diese Punkte mit Eichel oder in der Koalition intern noch einmal verhandeln?
Scheel: Selbstverständlich wird es auch in der Koalition noch Gesprächsbedarf geben. Es gibt Vorschläge, die Hans Eichel gemacht hat, mit denen wir uns im Detail nicht ganz einverstanden erklären können. Das gilt beispielsweise für die Entfernungspauschale. Hier wünschen wir uns eine andere Ausgestaltung. Er hat gesagt, er möchte 50 Prozent des gesamten Volumens einsparen und da können wir uns ja treffen, aber über die Ausgestaltung müssen wir reden. Es gibt auch bei der Gemeindefinanzreform aus unserer Sicht noch Gesprächsbedarf.
Liminski: Ist denn Ihrer Meinung nach der Stabilitätspakt mit diesem Ausgabensparpaket noch einzuhalten?
Scheel: Es ist natürlich sehr, sehr schwierig. Hans Eichel hat natürlich auch heute wieder deutlich gemacht, dass er diesen Dreiklang wie wir es nennen - Strukturreform, Haushaltskonsolidierung und Vorziehen der Steuerreform -, macht, um eine Abwehrstörung des wirtschaftlichen Gleichgewichts hier vorzunehmen, um einen Konjunkturimpuls zu geben. Wir würden uns natürlich wünschen, dass wir bei den Einsparungen sowohl beim Abbau der Finanzhilfen als auch bei den steuerlichen Subventionen ein großes Stück weiterkommen, aber gerade bei den steuerlichen Subventionen gibt es keine konkrete Aussage der Opposition, und bei allen steuerlichen Subventionen, egal um welche es sich handelt, brauchen wir den Bundesrat, und hier muss dann auch die Union Farbe bekennen. Ich bedaure es übrigens sehr, dass Herr Steinbrück und Herr Koch mit ihrem Vorschlag warten bis die Landtagswahl in Bayern vorüber ist. Das ist am 21. September. Wir verlieren sehr viel wertvolle Zeit, und da sieht man wieder, dass Wahlen in einem Bundesland die gesamte Bundespolitik so beeinträchtigen, dass dies letztendlich auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger geht, und ich halte das im Prinzip für unverantwortlich.
Liminski: Sie sprechen vom Konjunkturimpuls, der erhofft wird, aber zum zweiten Mal schrumpft die deutsche Wirtschaft. Technisch gesehen befinden wir uns nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes in einer Rezessionsphase. Worauf gründen Sie Ihre Hoffnung, dass es demnächst wieder bergauf geht?
Scheel: Es gibt einzelne Bereiche, da zeichnet sich eine positive Tendenz ab. Bezüglich der Wirtschaft pauschal - das ist richtig - gibt es jetzt neue Vorlagen, die sagen, dass wir es wieder mit einem kleinen Rückgang zu tun haben. Das macht keine Freude, das ist völlig klar, aber um so wichtiger ist es ja auch, dass wir diese Impulse jetzt setzen, dass diese Reformvorhaben von den Kommunalfinanzen gelingen. 70 bis 80 Prozent aller Baufinanzen werden auf der kommunalen Ebene getätigt, das heißt, wenn die Finanzausstattung dort besser wird, haben wir auch für die Bauindustrie wieder mehr Möglichkeiten. Um so wichtiger ist es auch, dass wir mehr Freiräume für Forschung und Innovation bekommen. All das wird die Wirtschaft ankurbeln und aus diesem Grunde halte ich es für ganz, ganz zwingend notwendig, dass wir sehr schnell vorankommen, um die notwendigen Impulse nicht zu zerreden, sondern zu sagen: Es gibt ein Gesamtpaket - im Detail kann man darüber reden -, aber ich hoffe sehr, dass die Union hier ihre Blockadehaltung aufgibt und dass die Bereitschaft, gemeinsam hier voranzukommen, im Sinne der Bürger und Bürgerinnen, im Sinne unserer Wirtschaft gegeben ist und dass parteistrategische, machtstrategische Überlegungen, die auch innerhalb der Union immer wieder eine Rolle spielen - das spürt man ja auch jeden Tag -, zurückgestellt werden, weil ich denke, dass die Leute es langsam satt haben. Die wollen Vorhaben haben, die umgesetzt werden, die wollen nicht, dass Opposition und Regierung hier in irgendwelches parteipolitisches Hick Hack verfallen. Also, die Leute erwarten von uns, dass es nach vorne geht, dass es sinnvolle und gute Vorschläge in unser aller Interesse gibt und da müssen wir gemeinsam zusammenarbeiten.
Liminski: Das war die Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Christine Scheel. Besten Dank für das Gespräch, Frau Scheel.
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Scheel: Guten Tag.
Liminski: Frau Scheel, die Regierung lobt ihr Paket und rechnet mit der Zustimmung der Opposition. Diese wiederum sagt jein, eher nein als ja, und will ein eigenes Paket vorlegen. Ist das alles mediales Theater, was wir gestern und heute erleben. Was ist aus Ihrer Sicht realistisch? Was kann, was muss am Ende rauskommen?
Scheel: Also, ich muss schon sagen, ich bin über die eine oder andere Äußerung aus der Opposition sehr überrascht, denn es gab im Frühjahr noch den Konsens darüber, auch mit Zustimmung übrigens der Ministerpräsidenten und auch mit Zustimmung der Finanzminister der Länder. Egal ob Bayern oder auch andere. Die sind ja bekannterweise auch im Wahlkampf. Das spielt auch immer eine Rolle. Hier wurde gesagt, wir brauchen zum 01.01. eine Gemeindefinanzreform. Jetzt stellen wir fest, dass es keine einheitliche Linie weder zwischen den unionsregierten Ländern noch zwischen Fraktionen und den Ländern gibt. Das macht es natürlich auch für die Regierungsfraktion etwas schwer zu kalkulieren, was am Ende dann herauskommen kann.
Liminski: Entscheidend sind trotzdem die Länder, sprich der Bundesrat. Welche Konzessionen halten Sie denn von Ihrer Seite aus für machbar? Wo sehen Sie eine Kompromisslinie?
Scheel: Also, ich halte es für ganz, ganz wichtig, dass wir bei der Steuervereinfachung vorankommen - das erwarten auch die Leute von uns -, dass wir bei der Einschränkung von Steuergestaltungen vorankommen. Hier gab es im Frühjahr auch eine breite Übereinstimmung zwischen Unions- und SPD-regierten Ländern und auch den beiden die Regierung tragenden Parteien, SPD und Grüne, wo wir gesagt haben: Es gibt gerade bei größeren Unternehmen immer noch viele Möglichkeiten der Steuergestaltung, und was nicht sein darf, ist, wenn Gewinne erwirtschaftet werden, dass dann keine Steuern in Deutschland bezahlt werden. Aus diesem Grund müssen wir an bestimmten Punkten - ob es jetzt Verlustabzug bei stillen Gesellschaftern oder das Außensteuergesetz ist, ob es Verlustverrechnungsmöglichkeiten sind - Neugestaltungen vornehmen und darüber haben wir uns im Prinzip vom Grundsatz her mit der Opposition verständigt. Die befindet sich mittlerweile aber bei diesen Fragen wieder im Rückzug, was mich sehr überrascht.
Liminski: Geld erhöht den Handlungsspielraum - das ist eine Binsenfreiheit, die Dostojewski in den Satz kleidete: Geld ist geprägte Freiheit. Nun plant Eichel eine Neuverschuldung. Das bindet uns, ist eine Hypothek auf die Zukunft. Wie viel darf es denn sein? Wie viel können wir uns denn an Neuverschuldung leisten?
Scheel: Wir Grünen sind ja immer diejenigen gewesen, die auf Haushaltskonsolidierung gepocht haben und das auch immer noch tun, und wir müssen einfach sehen, dass das Vorziehen der Steuerreform eine Vorfinanzierung um ein Jahr ist. Hans Eichel hat einen Vorschlag unterbreitet, wie die Zinsen, die für dieses neue Kredit-Volumen aufgenommen werden müssen, auch finanziert werden können, das heißt, es gibt hier den Vorschlag, sowohl Privatisierungserlöse einzustellen als auch über den Abbau von Vergünstigungen die notwendigen zu finanzierenden Zinsen auch mitzufinanzieren. Wenn es mehr geht, dann ist es uns recht. Wir haben immer gesagt: So möglichst wenig Neuverschuldungen wie nur geht. Wir müssen natürlich auch sehen, dass das Vorziehen der Steuerreform für ein Jahr in der Finanzierung zu stehen hat. Ab dem Jahr 2005 war die Entlastung in den Haushalten sowieso vorgesehen, und deswegen ist es unlauter von der Opposition, so zu tun, als ob auf Dauer die nächsten Generationen belastet werden. Wenn die Vorfinanzierung über Zinsen finanziert ist und dann im folgenden Jahr sowieso im Haushalt verankert ist, dann darf man nicht so tun als sei dies hier eine Kreditaufnahme in Größenordnungen, wo jedem schwindelig wird.
Liminski: Werden Sie über diese Punkte mit Eichel oder in der Koalition intern noch einmal verhandeln?
Scheel: Selbstverständlich wird es auch in der Koalition noch Gesprächsbedarf geben. Es gibt Vorschläge, die Hans Eichel gemacht hat, mit denen wir uns im Detail nicht ganz einverstanden erklären können. Das gilt beispielsweise für die Entfernungspauschale. Hier wünschen wir uns eine andere Ausgestaltung. Er hat gesagt, er möchte 50 Prozent des gesamten Volumens einsparen und da können wir uns ja treffen, aber über die Ausgestaltung müssen wir reden. Es gibt auch bei der Gemeindefinanzreform aus unserer Sicht noch Gesprächsbedarf.
Liminski: Ist denn Ihrer Meinung nach der Stabilitätspakt mit diesem Ausgabensparpaket noch einzuhalten?
Scheel: Es ist natürlich sehr, sehr schwierig. Hans Eichel hat natürlich auch heute wieder deutlich gemacht, dass er diesen Dreiklang wie wir es nennen - Strukturreform, Haushaltskonsolidierung und Vorziehen der Steuerreform -, macht, um eine Abwehrstörung des wirtschaftlichen Gleichgewichts hier vorzunehmen, um einen Konjunkturimpuls zu geben. Wir würden uns natürlich wünschen, dass wir bei den Einsparungen sowohl beim Abbau der Finanzhilfen als auch bei den steuerlichen Subventionen ein großes Stück weiterkommen, aber gerade bei den steuerlichen Subventionen gibt es keine konkrete Aussage der Opposition, und bei allen steuerlichen Subventionen, egal um welche es sich handelt, brauchen wir den Bundesrat, und hier muss dann auch die Union Farbe bekennen. Ich bedaure es übrigens sehr, dass Herr Steinbrück und Herr Koch mit ihrem Vorschlag warten bis die Landtagswahl in Bayern vorüber ist. Das ist am 21. September. Wir verlieren sehr viel wertvolle Zeit, und da sieht man wieder, dass Wahlen in einem Bundesland die gesamte Bundespolitik so beeinträchtigen, dass dies letztendlich auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger geht, und ich halte das im Prinzip für unverantwortlich.
Liminski: Sie sprechen vom Konjunkturimpuls, der erhofft wird, aber zum zweiten Mal schrumpft die deutsche Wirtschaft. Technisch gesehen befinden wir uns nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes in einer Rezessionsphase. Worauf gründen Sie Ihre Hoffnung, dass es demnächst wieder bergauf geht?
Scheel: Es gibt einzelne Bereiche, da zeichnet sich eine positive Tendenz ab. Bezüglich der Wirtschaft pauschal - das ist richtig - gibt es jetzt neue Vorlagen, die sagen, dass wir es wieder mit einem kleinen Rückgang zu tun haben. Das macht keine Freude, das ist völlig klar, aber um so wichtiger ist es ja auch, dass wir diese Impulse jetzt setzen, dass diese Reformvorhaben von den Kommunalfinanzen gelingen. 70 bis 80 Prozent aller Baufinanzen werden auf der kommunalen Ebene getätigt, das heißt, wenn die Finanzausstattung dort besser wird, haben wir auch für die Bauindustrie wieder mehr Möglichkeiten. Um so wichtiger ist es auch, dass wir mehr Freiräume für Forschung und Innovation bekommen. All das wird die Wirtschaft ankurbeln und aus diesem Grunde halte ich es für ganz, ganz zwingend notwendig, dass wir sehr schnell vorankommen, um die notwendigen Impulse nicht zu zerreden, sondern zu sagen: Es gibt ein Gesamtpaket - im Detail kann man darüber reden -, aber ich hoffe sehr, dass die Union hier ihre Blockadehaltung aufgibt und dass die Bereitschaft, gemeinsam hier voranzukommen, im Sinne der Bürger und Bürgerinnen, im Sinne unserer Wirtschaft gegeben ist und dass parteistrategische, machtstrategische Überlegungen, die auch innerhalb der Union immer wieder eine Rolle spielen - das spürt man ja auch jeden Tag -, zurückgestellt werden, weil ich denke, dass die Leute es langsam satt haben. Die wollen Vorhaben haben, die umgesetzt werden, die wollen nicht, dass Opposition und Regierung hier in irgendwelches parteipolitisches Hick Hack verfallen. Also, die Leute erwarten von uns, dass es nach vorne geht, dass es sinnvolle und gute Vorschläge in unser aller Interesse gibt und da müssen wir gemeinsam zusammenarbeiten.
Liminski: Das war die Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Christine Scheel. Besten Dank für das Gespräch, Frau Scheel.
Link: Interview als RealAudio