Stefan Heinlein: Politik und Wirtschaft sind sich einig: Deutschland braucht mehr Hochqualifizierte. Bildung ist ein wichtiger Standortfaktor im globalen Wettbewerb. 40 Prozent eines Jahrgangs sollen an die Hochschulen, so das erklärte Ziel der Bundesregierung. Doch der Trend geht genau in die andere Richtung: Zum dritten Mal in Folge sank in diesem Jahr deutlich die Zahl der Studienanfänger. Nur gut jeder dritte Schulabgänger strebt mittlerweile nach akademischen Weihen. Im europäischen Vergleich ist das nur Mittelmaß. Vor den Folgen dieser Entwicklung warnt das Deutsche Studentenwerk, und dessen Präsidenten Professor Rolf Dobischat begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Rolf Dobischat: Guten Morgen, Herr Heinlein!
Heinlein: Warum trauen sich immer weniger Schulabgänger auf den Campus?
Dobischat: Diese Frage ist differenziert zu betrachten. Ich denke durch die Situation, dass ein Studium in den letzten Jahren teuerer geworden ist - es gibt ja eine Vielzahl von Gründen dafür -, wählen viele andere Optionen der Berufswahl. Sie gehen ins duale System und scheuen die Investition in ein Studium, weil die Lage am Arbeitsmarkt, die Lage im Beschäftigungssystem auch für Studienabsolventen immer schwieriger wird.
Heinlein: Warum ist das Studium teurer geworden?
Dobischat: Das Studium ist deswegen teurer geworden, weil - schauen Sie sich zum Beispiel das BAFöG an - das BAFöG seit 2001 nicht mehr angepasst worden ist. Das Studium ist teuerer geworden, die Lebenshaltungskosten sind teurer geworden. Durch die dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung wird es teurer und natürlich durch die Einführung der Studiengebühren.
Heinlein: Nimmt also nur derjenige ein Studium auf, der es sich leisten kann oder dessen Eltern über einen satten Geldbeutel verfügen?
Dobischat: Unsere Zahlen belegen ja - die Zahlen aus der Sozialerhebung, die alle drei Jahre stattfindet -, die Zahlen belegen, dass Studierende aus einkommensschwächeren Familien zunehmend ein Studium nicht mehr aufnehmen, weil die Belastungen zu hoch sind, und wir befürchten natürlich, dass der Trend weitergeht.
Heinlein: Ist das eine Art soziale Selektion über den Geldbeutel der Eltern?
Dobischat: Dafür ist ja das deutsche Hochschulwesen bekannt schon in den letzten Jahren, und die OECD beklagt nicht umsonst, warum bei uns die Bildungsinvestitionen zurückgehen. Im Wesentlichen liegt das natürlich daran, dass wir kein ausgebautes Studiensystem in Deutschland haben wie zum Beispiel in anderen vergleichbaren Ländern.
Heinlein: Aber warum genügt eigentlich nicht das BAFöG, um allen, die es letztendlich wollen, ein Studium zu ermöglichen?
Dobischat: Das BAFöG ist ja letztendlich nur eine Grundsicherung. Wir wissen ja aus unseren Erhebungen, dass neben dem BAFöG die Finanzierung durch die Eltern und auch die Finanzierung durch einen Job im Wesentlichen die drei Säulen sind, die heute ein Studium finanzieren. Das BAFöG ist nur eine Grundfinanzierung. Es reicht ja alleine nicht aus, um ein Studium durchzuziehen.
Heinlein: Sie haben es in einer Ihrer Antworten erwähnt, die Studiengebühren Welche Rolle spielen sie denn? Im Vergleich zu den restlichen Kosten eines Studiums ist diese Summe ja relativ gering.
Dobischat: Ja. Der Bedarf eines Studierenden monatlich liegt zwischen 700 und 800 Euro, und zwar im unteren Bereich. Und das BAFöG deckt maximal 30, 40 Prozent ab, wenn man jetzt mal unabhängig von den unterschiedlichen Fördersummen ausgeht. Die Studierenden sind heute darauf angewiesen, Jobs zu tätigen. Insofern geht die Schere zwischen dem, was an Bedarf da ist, durch die Erhöhung der Studiengebühren und der Grundfinanzierung durch das BAFöG natürlich weiter auseinander.
Heinlein: Bleiben wir einen Moment, Herr Professor Dobischat, bei den Studiengebühren. Das sind rund 500 Euro pro Semester. Das ist ja im Vergleich zu den Kindergartengebühren nicht sehr viel. Ist es nicht richtig, dass Studenten diesen geringen Teil ihrer Ausbildung selber tragen müssen? Hinterher verdienen die meisten Akademiker ja mehr als der Schnitt der Bevölkerung.
Dobischat: Das ist zwar richtig. dass wir in Deutschland Kindergartengebühren haben, ist ja aus meiner Sicht sowieso ein Skandal, gerade in diesem Bereich, der für die Entwicklung für Kinder ungeheuer wichtig ist, der Kindergärten , dass dafür Gebühren gezahlt werden müssen. Die Frage der Höhe der Studiengebühren ist ja relativ zu beurteilen. Man muss sehen - und ich befürchte das -, dass mit diesen Studiengebühren von 500 Euro ja im Grunde genommen ein Dammbruch begonnen worden ist, der in den nächsten Jahren auch durch andere Hochschulreformen dazu führen wird, dass die Studiengebühren steigen werden - davon gehe ich fest aus - und dass damit eigentlich die soziale Selektion noch weiter angeheizt wird und insbesondere natürlich Kindern aus einkommensschwachen Familien, aus Familien des Mittelstandes, insbesondere wenn mehrere Kinder da sind, eben damit ein Studium unmöglich wird.
Heinlein: Die Kosten sind ein Faktor für die sinkenden Studentenzahlen. Nun gibt es ja auch mittlerweile fast flächendeckend Zulassungsbeschränkungen für die meisten Fächer. Sind die Hochschulen nicht selber Schuld an dieser Nachwuchsmisere durch diesen Numerus clausus?
Dobischat: Die Hochschulen können sich im Grunde genommen - man muss die Hochschulen auch verstehen - gar nicht anders wehren. Bedenken Sie: Wir haben ja seit Jahren Massenuniversitäten. Wir haben Veranstaltungen, die völlig überbelegt sind. Um eigentlich auch diesen Ansturm in den letzten Jahren einzudämmen, haben die Hochschulen Numerus clausus eingeführt, um im Grunde genommen diesen Ansturm auch einzudämmen. Sie haben auf der anderen Seite das Problem der Qualität der Lehre. Wenn wir die Qualität der Lehre sichern wollen, dann müssen wir vernünftige Studienbedingungen haben, müssen wir vernünftige Lehrbedingungen haben. Ansonsten ist das Studium unter qualitativen Aspekten hochgradig natürlich problematisch.
Heinlein: Das heißt letztendlich, die Politik muss mehr Geld in die Lehre an den Hochschulen pumpen?
Dobischat: So ist es! Das ist die Konsequenz daraus und ich denke das, was im Hochschulpakt jetzt beschlossen worden ist, ist völlig unzureichend. Der Hochschulpakt, was an Mitteln jetzt bereitgestellt wird durch Bund und Länder, reicht bei weitem nicht aus. Das reicht aus bis vielleicht zum Jahre 2010. Was danach kommt, ist völlig unklar. Wenn das Ziel der Bundesregierung erreicht werden soll, 40 Prozent eines Jahrgangs an die Hochschulen zu bringen, muss viel mehr Geld in die Hochschulen fließen, aber es muss auch mehr Geld - das muss man eigentlich so sehen –, muss auch n die soziale Situation, die sozialen Rahmenbedingungen des Studiums fließen. Da redet ja im Moment keiner von. Die Studenten müssen leben, die Studenten müssen wohnen, die Studenten müssen essen, und da sind die deutschen Studentenwerke natürlich diejenigen, die die Infrastruktur bereitstellen. Wir fordern deswegen als Ergänzung zur Exzellenz-Initiative eine weitere Exzellenz-Initiative, um die sozialen Infrastrukturbedingungen an den Hochschulen zu verbessern, und dafür stehen ja die Deutschen Studentenwerke.
Heinlein: Sie haben das Jahr 2010 erwähnt. Für das Jahr und für die kommenden Jahre gibt es ja eine andere Prognose. Da sollen die Studentenzahlen ganz, ganz kräftig ansteigen. Wie passt das denn zum gegenwärtig rückläufigen Trend an den Hochschulen?
Dobischat: Man kann im Moment den Trend, den wir im Moment haben, noch nicht so genau interpretieren. Ich denke, man muss abwarten insbesondere auch die Ergebnisse der nächsten Sozialerhebung, die im Frühjahr nächsten Jahres vorliegen werden. Das ambitionierte Ziel, denke ich, wird schwierig zu erreichen, weil: Ich denke schon, dass alternative Optionen von vielen Studierwilligen ins Auge gefasst werden. Und ich denke, es wird schwierig werden, die 40 Prozent zu erreichen, wenn die soziale Situation, wenn die Situation auch der Finanzierung nicht verbessert wird. Da fordern wir natürlich auch eine Verbesserung des BAFöG. Wenn eine transparente und vernünftige Studienfinanzierung nicht gegeben ist, werden sich viele junge Menschen eben überlegen, in andere Bildungsgänge des Bildungssystems hineinzugehen und dann eben nicht ein Studium aufzunehmen.
Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk der Präsident des Deutschen Studentenwerkes, Rolf Dobischat. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.
Dobischat: Danke Herr Heinlein. Bis dann. Tschüss.
Rolf Dobischat: Guten Morgen, Herr Heinlein!
Heinlein: Warum trauen sich immer weniger Schulabgänger auf den Campus?
Dobischat: Diese Frage ist differenziert zu betrachten. Ich denke durch die Situation, dass ein Studium in den letzten Jahren teuerer geworden ist - es gibt ja eine Vielzahl von Gründen dafür -, wählen viele andere Optionen der Berufswahl. Sie gehen ins duale System und scheuen die Investition in ein Studium, weil die Lage am Arbeitsmarkt, die Lage im Beschäftigungssystem auch für Studienabsolventen immer schwieriger wird.
Heinlein: Warum ist das Studium teurer geworden?
Dobischat: Das Studium ist deswegen teurer geworden, weil - schauen Sie sich zum Beispiel das BAFöG an - das BAFöG seit 2001 nicht mehr angepasst worden ist. Das Studium ist teuerer geworden, die Lebenshaltungskosten sind teurer geworden. Durch die dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung wird es teurer und natürlich durch die Einführung der Studiengebühren.
Heinlein: Nimmt also nur derjenige ein Studium auf, der es sich leisten kann oder dessen Eltern über einen satten Geldbeutel verfügen?
Dobischat: Unsere Zahlen belegen ja - die Zahlen aus der Sozialerhebung, die alle drei Jahre stattfindet -, die Zahlen belegen, dass Studierende aus einkommensschwächeren Familien zunehmend ein Studium nicht mehr aufnehmen, weil die Belastungen zu hoch sind, und wir befürchten natürlich, dass der Trend weitergeht.
Heinlein: Ist das eine Art soziale Selektion über den Geldbeutel der Eltern?
Dobischat: Dafür ist ja das deutsche Hochschulwesen bekannt schon in den letzten Jahren, und die OECD beklagt nicht umsonst, warum bei uns die Bildungsinvestitionen zurückgehen. Im Wesentlichen liegt das natürlich daran, dass wir kein ausgebautes Studiensystem in Deutschland haben wie zum Beispiel in anderen vergleichbaren Ländern.
Heinlein: Aber warum genügt eigentlich nicht das BAFöG, um allen, die es letztendlich wollen, ein Studium zu ermöglichen?
Dobischat: Das BAFöG ist ja letztendlich nur eine Grundsicherung. Wir wissen ja aus unseren Erhebungen, dass neben dem BAFöG die Finanzierung durch die Eltern und auch die Finanzierung durch einen Job im Wesentlichen die drei Säulen sind, die heute ein Studium finanzieren. Das BAFöG ist nur eine Grundfinanzierung. Es reicht ja alleine nicht aus, um ein Studium durchzuziehen.
Heinlein: Sie haben es in einer Ihrer Antworten erwähnt, die Studiengebühren Welche Rolle spielen sie denn? Im Vergleich zu den restlichen Kosten eines Studiums ist diese Summe ja relativ gering.
Dobischat: Ja. Der Bedarf eines Studierenden monatlich liegt zwischen 700 und 800 Euro, und zwar im unteren Bereich. Und das BAFöG deckt maximal 30, 40 Prozent ab, wenn man jetzt mal unabhängig von den unterschiedlichen Fördersummen ausgeht. Die Studierenden sind heute darauf angewiesen, Jobs zu tätigen. Insofern geht die Schere zwischen dem, was an Bedarf da ist, durch die Erhöhung der Studiengebühren und der Grundfinanzierung durch das BAFöG natürlich weiter auseinander.
Heinlein: Bleiben wir einen Moment, Herr Professor Dobischat, bei den Studiengebühren. Das sind rund 500 Euro pro Semester. Das ist ja im Vergleich zu den Kindergartengebühren nicht sehr viel. Ist es nicht richtig, dass Studenten diesen geringen Teil ihrer Ausbildung selber tragen müssen? Hinterher verdienen die meisten Akademiker ja mehr als der Schnitt der Bevölkerung.
Dobischat: Das ist zwar richtig. dass wir in Deutschland Kindergartengebühren haben, ist ja aus meiner Sicht sowieso ein Skandal, gerade in diesem Bereich, der für die Entwicklung für Kinder ungeheuer wichtig ist, der Kindergärten , dass dafür Gebühren gezahlt werden müssen. Die Frage der Höhe der Studiengebühren ist ja relativ zu beurteilen. Man muss sehen - und ich befürchte das -, dass mit diesen Studiengebühren von 500 Euro ja im Grunde genommen ein Dammbruch begonnen worden ist, der in den nächsten Jahren auch durch andere Hochschulreformen dazu führen wird, dass die Studiengebühren steigen werden - davon gehe ich fest aus - und dass damit eigentlich die soziale Selektion noch weiter angeheizt wird und insbesondere natürlich Kindern aus einkommensschwachen Familien, aus Familien des Mittelstandes, insbesondere wenn mehrere Kinder da sind, eben damit ein Studium unmöglich wird.
Heinlein: Die Kosten sind ein Faktor für die sinkenden Studentenzahlen. Nun gibt es ja auch mittlerweile fast flächendeckend Zulassungsbeschränkungen für die meisten Fächer. Sind die Hochschulen nicht selber Schuld an dieser Nachwuchsmisere durch diesen Numerus clausus?
Dobischat: Die Hochschulen können sich im Grunde genommen - man muss die Hochschulen auch verstehen - gar nicht anders wehren. Bedenken Sie: Wir haben ja seit Jahren Massenuniversitäten. Wir haben Veranstaltungen, die völlig überbelegt sind. Um eigentlich auch diesen Ansturm in den letzten Jahren einzudämmen, haben die Hochschulen Numerus clausus eingeführt, um im Grunde genommen diesen Ansturm auch einzudämmen. Sie haben auf der anderen Seite das Problem der Qualität der Lehre. Wenn wir die Qualität der Lehre sichern wollen, dann müssen wir vernünftige Studienbedingungen haben, müssen wir vernünftige Lehrbedingungen haben. Ansonsten ist das Studium unter qualitativen Aspekten hochgradig natürlich problematisch.
Heinlein: Das heißt letztendlich, die Politik muss mehr Geld in die Lehre an den Hochschulen pumpen?
Dobischat: So ist es! Das ist die Konsequenz daraus und ich denke das, was im Hochschulpakt jetzt beschlossen worden ist, ist völlig unzureichend. Der Hochschulpakt, was an Mitteln jetzt bereitgestellt wird durch Bund und Länder, reicht bei weitem nicht aus. Das reicht aus bis vielleicht zum Jahre 2010. Was danach kommt, ist völlig unklar. Wenn das Ziel der Bundesregierung erreicht werden soll, 40 Prozent eines Jahrgangs an die Hochschulen zu bringen, muss viel mehr Geld in die Hochschulen fließen, aber es muss auch mehr Geld - das muss man eigentlich so sehen –, muss auch n die soziale Situation, die sozialen Rahmenbedingungen des Studiums fließen. Da redet ja im Moment keiner von. Die Studenten müssen leben, die Studenten müssen wohnen, die Studenten müssen essen, und da sind die deutschen Studentenwerke natürlich diejenigen, die die Infrastruktur bereitstellen. Wir fordern deswegen als Ergänzung zur Exzellenz-Initiative eine weitere Exzellenz-Initiative, um die sozialen Infrastrukturbedingungen an den Hochschulen zu verbessern, und dafür stehen ja die Deutschen Studentenwerke.
Heinlein: Sie haben das Jahr 2010 erwähnt. Für das Jahr und für die kommenden Jahre gibt es ja eine andere Prognose. Da sollen die Studentenzahlen ganz, ganz kräftig ansteigen. Wie passt das denn zum gegenwärtig rückläufigen Trend an den Hochschulen?
Dobischat: Man kann im Moment den Trend, den wir im Moment haben, noch nicht so genau interpretieren. Ich denke, man muss abwarten insbesondere auch die Ergebnisse der nächsten Sozialerhebung, die im Frühjahr nächsten Jahres vorliegen werden. Das ambitionierte Ziel, denke ich, wird schwierig zu erreichen, weil: Ich denke schon, dass alternative Optionen von vielen Studierwilligen ins Auge gefasst werden. Und ich denke, es wird schwierig werden, die 40 Prozent zu erreichen, wenn die soziale Situation, wenn die Situation auch der Finanzierung nicht verbessert wird. Da fordern wir natürlich auch eine Verbesserung des BAFöG. Wenn eine transparente und vernünftige Studienfinanzierung nicht gegeben ist, werden sich viele junge Menschen eben überlegen, in andere Bildungsgänge des Bildungssystems hineinzugehen und dann eben nicht ein Studium aufzunehmen.
Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk der Präsident des Deutschen Studentenwerkes, Rolf Dobischat. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.
Dobischat: Danke Herr Heinlein. Bis dann. Tschüss.