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Studentenwerke
Timmermann: Bund muss Wohnheime mitfinanzieren

Die mögliche neue Bundesregierung aus SPD und Union will dauerhaft Geld für Hochschulen und Ausbildungsförderung zur Verfügung stellen. Dieter Timmermann, Präsident des Deutschen Studentenwerkes, begrüßt die Pläne. Er hofft, dass von dem Geld auch etwas bei Studentenwohnheimen und Uni-Mensen ankommt.

Dieter Timmermann im Gespräch mit Jörg Biesler |
    Jörg Biesler: Der Koalitionsvertrag, in dem sind Bildungsthemen irgendwie vergessen worden, aber gesprochen wurde offenbar dennoch über sie, wie wir seit Ende letzter Woche wissen: Zum Beispiel wollen CDU und SPD das Kooperationsverbot kippen und dauerhaft Geld vom Bund in die Bildung geben, auch an die Hochschulen, und das BAföG soll endlich reformiert werden. Für das Deutsche Studentenwerk müssen diese Ankündigungen klingen, als ob mindestens Weihnachten und Nikolaus auf einen Tag fallen. Heute hält das Studentenwerk seine Jahrespressekonferenz ab, und am Telefon ist Dieter Timmermann, der Präsident. Guten Tag!
    Dieter Timmermann: Ja, schönen guten Tag, Herr Biesler!
    Biesler: BAföG-Reform und Aufhebung des Kooperationsverbots kommen. Sie haben das immer gefordert. Gut, oder?
    Timmermann: Natürlich ist das gut, wir begrüßen das, hoffentlich natürlich auch, dass nicht nur die Hochschulen, sondern auch die Studentenwerke davon etwas haben werden.
    Biesler: Sie könnten ja zum Beispiel was davon haben, dass der Bund sich dauerhaft an der Finanzierung der Hochschulen beteiligt, weil es die Länder entlastet, die sich ja ein bisschen zurückgezogen haben aus ihrer Finanzierung in letzter Zeit.
    Timmermann: Das ist richtig, und deshalb haben wir heute auch einen Beschluss verfasst in der Mitgliederversammlung, der erwartet, dass der Bund sich nicht nur an der Grundfinanzierung der Hochschulen, sondern auch der Studentenwerke beteiligt.
    Biesler: Sie wollen also eine direkte Finanzierung durch den Bund. Wie könnte das aussehen?
    Timmermann: Zum Beispiel, indem der Bund sich am Wohnheimbau beteiligt, indem er auch Geld zur Verfügung stellt, um Mensen auszubauen, da haben wir ja noch einen großen Sanierungsbedarf an vielen Orten oder auch einen Erweiterungsbedarf, denn die Zahl der Studierenden, das wissen Sie selber, ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen, aber die Kapazität der Mensen, der Wohnheime ist kaum gestiegen, weil die Länder eben so zurückhaltend sind, was die, sagen wir mal, die weitere Finanzierung dieser Aktivitäten der Studentenwerke angeht.
    Biesler: Und die Länder wahrscheinlich auch schon damit kalkulieren, dass die Studentenzahlen ja in Zukunft auch wieder sinken sollen.
    Timmermann: Ja, das ist aber ganz strittig. Also ich habe am Montag eine Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts gelesen. Das Bundesamt geht davon aus, dass über 2020 hinaus etwa 500.000 Studienanfänger in die Hochschulen gehen werden, und das heißt also: Es wird sich kaum etwas ändern. Wir werden nach wie vor, vermutlich weit über 2020 hinaus, 2,5 oder 2,6 Millionen Studierende haben.
    "Wir sind neugierig, wie die Beschlüsse im Koalitionsvertrag umgesetzt werden"
    Biesler: Sie haben gesagt, mehr Studierende kommen an die Hochschulen, das ist sicher so, auch wegen G8 haben wir die doppelten Abiturjahrgänge gehabt. G8 bringt aber auch noch mit sich, dass es auch minderjährige Studierende sind, die an die Hochschulen kommen und die zum Beispiel bei Ihnen gar keinen Wohnheimplatz mieten können, weil sie die Unterschrift ihrer Eltern brauchen. Wie gehen Sie denn eigentlich damit um?
    Timmermann: Darauf stellen wir uns ein, das ist völlig richtig, das ist ja ein Punkt, den wir unter Diversity oder Vielfalt der Studierenden diskutieren, das beschäftigt uns schon viel länger, weil wir beobachten, dass die Studierenden immer bunter werden in vielen Merkmalen. Früher haben wir ja eigentlich nur über die Geschlechter gesprochen oder über die Arbeiterkinder und Akademikerkinder, inzwischen sind es andere Merkmale, die Berufstätigen, die Älteren, vor allen Dingen auch die Vielfalt unter den ausländischen Studierenden, die kommen ja nicht alle aus Russland oder China, die kommen ja aus ganz vielen Ländern und haben ganz unterschiedliche Wertvorstellungen, Essensvorstellungen, Wohnerwartungen. Also darauf stellen sich die Studentenwerke ein, zumindest, sagen wir mal, beginnen sie. Und das Deutsche Studentenwerk organisiert jede Menge an Fortbildungen, gerade für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Studentenwerke, damit sie sich darauf vorbereiten können.
    Biesler: Jetzt habe ich vorhin gesagt, Sie müssten sich eigentlich so fühlen, als wenn wenigstens Nikolaus und Weihnachten auf einen Tag fallen. Wenn die Dinge denn kommen, also zum Beispiel die BAföG-Reform oder die Aufhebung des Kooperationsverbotes, dann schauen Sie aber etwas zuversichtlicher in die Zukunft, als Sie das bislang getan haben, oder?
    Timmermann: Das tun wir natürlich. Und deshalb sind wir ganz neugierig, wie diese Beschlüsse im Koalitionsvertrag umgesetzt werden. Dann werden wir gelegentlich auch mal strahlen.
    Biesler: Dieter Timmermann, der Präsident der Deutschen Studentenwerke, kann sich schon mal zu einem Strahlen durchringen – zum richtigen Feiertag reicht es noch nicht. Vielen Dank!
    Timmermann: Danke schön, tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.