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Studibude im ehemaligen Sprechzimmer

Noch nie gab es in Deutschland so viele Studierende, und die brauchen Platz. Der Bedarf an Wohnraum ist dramatisch gestiegen. Laut Deutschem Studentenwerk fehlen 70.000 zusätzliche Unterkünfte, davon gut ein Drittel in Wohnheimen.

Von Franziska Rattei | 23.05.2013
    Die Wartelisten für Wohnheimplätze sind in allen Hochschulstädten lang. David Kreitschmann weiß das aus eigener Erfahrung. Er studiert in Darmstadt Informationstechnik. In Hessen kommen von mehr als 185.000 Studierenden nur sieben Prozent in Wohnheimen der Studentenwerke unter. Natürlich gibt es Alternativen zum Wohnheim. Aber die Wohnungen auf dem privaten Markt sind für viele von Kreitschmanns Kommilitonen unerschwinglich. Einige von ihnen ziehen deshalb in die Vorstädte, wo die Mieten niedriger sind. Allerdings: Das studentische Leben findet dort nicht statt.

    "Oft geht das dann noch so ein bisschen zum Start hin, aber das hat sich ja auch in den letzten zwei, drei Jahren gewandelt, dass einfach dieser Rückstau an fehlendem Wohnraum sich noch viel länger ins Semester reinzieht."

    Hessen liegt bei der sogenannten Unterbringungsquote deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Deshalb ist Christina Walz froh, dass die Landesregierung ab 2014 2000 neue Wohnheimplätze direkt bezuschussen will. Sie ist die Geschäftsführerin des Studentenwerks Kassel.

    "In allen hessischen Hochschulstädten steigt die Nachfrage nach preisgünstigem, hochschulnahen Wohnraum für Studierende und da kommt dieses Programm der hessischen Landesregierung gerade Recht."

    Hessen ist eines der wenigen Bundesländer, das seine Studentenwerke mit Zuschüssen fördert; auch wenn das Geld dort nicht so reichlich fließt wie beispielsweise in Bayern. Dabei ist die Rechnung einfach, sagt Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks. Wenn Bund und Länder Hochschulpakte unterzeichnen, müssen die mehr leisten können als zusätzliche Studienplätze. Seine Forderung an den Bund:

    "Wenn er eben Studienplätze finanzieren kann, dann muss er auch Wohnheime, Mensen und vergleichbare Einrichtungen, die für Studierende notwendig sind, mitfinanzieren."

    Ansonsten sei auch der Plan, mehr ausländische Studierende nach Deutschland zu holen, illusorisch, meint Meyer auf der Heyde. Für sie, genauso wie für Studienanfänger oder Gaststudenten, sei die Einbindung ins studentische Leben besonders wichtig. Das weiß auch Oliver Schill, Sprecher der baden-württembergischen Studentenwerke:

    "Man kann es auf die Formel bringen: Internationalisierung findet nicht statt, wenn man nicht dafür sorgt, dass die internationalen Studenten auch untergebracht werden, die auf dem privaten Wohnungsmarkt riesige Probleme haben."

    Zum privaten Wohnungsmarkt gehören inzwischen auch Angebote, die ausschließlich Studierende ansprechen sollen. In Bremen etwa eröffnete vor wenigen Monaten ein privates Studentenwohnheim. Keine Lösung für diejenigen, die wenig Geld haben, sagt Heinz Ludwig Mohrmann, Geschäftsführer des Studentenwerks Bremen. Die 250 Studenten, die hier noch auf einen Wohnheimplatz warten, sind meistens BAföG-Empfänger.

    "Im BAföG-Betrag sind 230 Euro Miete einkalkuliert, und wenn ein Studierender über 400 bis 450 zahlen soll, dann bleibt bis 590 kaum was über zum Leben."

    Bleibt die Möglichkeit, ausgediente Gebäude zu sanieren und so neue Wohnräume für Studierende zu schaffen. Das Wuppertaler Studentenwerk etwa hat den Besitzer eines ehemaligen Ärztehauses beraten, wie er aus Sprechzimmern bezahlbare kleine Wohnungen machen kann. Das sind Lichtblicke, sagt auch Stephan Fischer, der Vorsitzende des Fachausschusses Wohnen vom Deutschen Studentenwerk. Aber die Idee des Studentenwohnheims – in einer modernen Form, versteht sich – können solche Zwischenlösungen nicht ersetzen.

    "Viele Studierende, die einzeln wohnen, vereinzeln sozial. Und deshalb ist es auch, aus unserer Sicht, sinnvoll und wichtig, dass Studenten auch mal im Wohnheim, wo es eine Zweier- oder Dreier- oder Vierer-WG gibt, ganz einfach mit den Mietern untereinander auseinandersetzen."