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Studie
Energiewende auch ohne Stromspeicher

Eine Studie der Energie-Denkfabrik Agora erteilt der Annahme eine Absage, dass der Ausbau Erneuerbarer Energien nur funktionieren wird, wenn es gelingt, Ökostrom zu speichern. Zwar werde es einen Ausbau der Speicherkapazitäten geben, heißt es in der Studie. Dies gelte aber vor allem für den Chemie- und den Energiebereich.

Von Christel Blanke | 15.09.2014
    50 Prozent im Jahr 2030, 80 Prozent 2050. Das sind die Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien im Strombereich. Und weil Sonne und Wind nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehen, zu einigen Zeiten aber deutlich mehr Ökostrom produziert wird als gebraucht, werden Speicher benötigt. Das ist eine weitverbreitete Einschätzung, der die Denkfabrik Agora Energiewende nun mit einer Studie entgegentritt.
    "Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss nicht auf Stromspeicher warten."
    Ist Agora-Direktor Patrick Graichen überzeugt.
    "Wir können, so wie es auch jetzt vorgesehen ist, weiter Wind- und Photovoltaikanlagen bauen, ohne dass im gleichen Zeitraum entsprechende Speicher zugebaut werden. In den nächsten zehn bis 20 Jahren kann die Flexibilität, die das Stromsystem braucht, weil mehr Wind und Sonne reinkommen, durch andere Flexibilitätsoptionen bereitstellen und das sogar günstiger als neue Energiespeicher."
    Der Markt der Speicher wird wachsen
    Optionen wie flexibel einsetzbare Kraftwerke, eine bessere Steuerung der Nachfrage nach Strom oder, so Graichen, der Stromhandel mit dem Ausland. Das heißt aber aus Sicht der Gutachter nicht, dass Speicher überflüssig sind. Im Gegenteil. Der Markt für Speicher wird wachsen, ist ein weiteres Ergebnis der Studie:
    "Und das hat seinen Grund darin, dass Batterien eine starke Nachfrage aus anderen Sektoren erfahren wird. Insbesondere Elektroautos, aber auch im Chemiesektor bei der Herstellung von regenerativem Wasserstoff, und dass diese dann, weil sie aus dem Verkehrssektor angereizt werden, eine Zweitfunktion, einen Zusatznutzen im Stromsektor haben werden."
    Speicher müssten gleichberechtigt behandelt werden
    Mit einer Batterie, sagt Uwe Sauer, Professor unter anderem für Speichersystemtechnik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, könnte ein Elektroauto schon heute theoretisch mehrere hunderttausend Kilometer weit fahren:
    "Aber das tut kein Fahrzeug, also können Sie die wunderbar während der 22 bis 23 Stunden, die im Schnitt so ein Fahrzeug am Tag steht, auch für Netzdienstleistungen mit einsetzen."
    Noch sind Speicher teuer - das könnte sich ändern
    Auch der mögliche Nutzen von Speichern für die Stromnetze wurde untersucht. Das Ergebnis: In den Verteilnetzen kann es kostengünstiger sein, auf Speicher statt auf neue Leitungen zu setzen. Im Übertragungsnetz hätten Speicher dagegen keinen kostensenkenden Effekt. Zurzeit sind Speicher teuer. Die Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass sich das bald ändert. Deshalb fordert Agora-Direktor Graichen als Konsequenz aus der Untersuchung, Speichern einen gleichberechtigten Zugang zu den Märkten zu ermöglichen:
    "Denn Speicher können einige Systemdienstleistungen, wie Regelleistung, kosteneffizient erbringen, schon heute. Es ist aber so, dass teilweise die Bedingungen, wie Regelenergie ausgeschrieben wird, sehr stark auf Kraftwerke hin orientiert wurden und deswegen Speicher inhärent benachteiligen."
    Nur wenn Speicher gleichberechtigt behandelt würden, so Graichen, könnten die verschiedenen Optionen miteinander konkurrieren und nur dann könne sich diejenige durchsetzen, die in der jeweiligen Situation am kostengünstigsten sei.