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Studie Palliativmedizin
Heterogene Versorgungsstrukturen am Lebensende

Am Donnerstag will der Bundestag das Hospiz- und Pflegegesetz beschließen. Ziel ist es, die pflegerische und medizinische Versorgung am Lebensende zu verbessern. Dazu sollen die ambulanten und stationären Einrichtungen vor allem mehr Geld bekommen: für eine bessere Versorgung von schwerkranken Patienten. Die Bertelsmann Stiftung aus Gütersloh hat in ihrem "Faktencheck Gesundheit" analysiert, welche Angebote es gibt und wo noch Lücken bestehen.

Von Björn Haubrok | 02.11.2015
    Eine Krankenschwester des Christophorus Hospiz in München versorgt einen sterbenskranken Bewohner
    Eine Krankenschwester des Christophorus Hospiz in München versorgt einen sterbenskranken Bewohner (picture-alliance / dpa/Tobias Hase)
    In Deutschland sterben jedes Jahr rund 850.000 Menschen. Fast jeder Zweite davon in einem Krankenhaus. Das entspricht aber oft nicht den Wünschen der Betroffenen. Laut einer repräsentativen Studie der Bertelsmann-Stiftung möchte der größte Teil der Deutschen das Lebensende nicht im Krankenhaus verbringen.
    "Das ist mir zu anonym. Für die letzte Zeit auf dieser Welt muss das nicht sein. Krankenhaus gar nicht, wenn es mir so schlecht geht, dass ich da meine letzten Stunden verbringen sollte, dann will ich lieber Zuhause sein. So haben wir es mit meinem Vater auch gehalten, den haben wir auch nach Hause geholt, weil wir gesagt haben. Da nicht, lieber Zuhause bei uns."
    Schwerkranke Menschen möchten laut der Studie das Ende ihres Lebens lieber zuhause verbringen, in gewohnter Umgebung und im Kreis ihrer Familie. Diese Patienten benötigen eine ambulante Palliativversorgung: Sie soll Schmerzen und Ängste lindern und die Betroffenen bis zum Tod begleiten. Wie gut das in den eigenen vier Wänden klappt, ist regional sehr unterschiedlich, sagt Eckhard Volbracht von der Bertelsmann Stiftung.
    "Uns ist aufgefallen, dass das sehr stark mit den Krankenhauskapazitäten zusammenhängt. Wie viele Krankenhäuser gibt es? Wie viele Betten gibt es? Da ist besonders das Ruhrgebiet auffällig; mit einer hohen Krankenhausdichte scheinen dort auch viele Menschen im Krankenhaus zu sterben."
    Wenn es regional zu wenig ambulante Angebote gibt, müssen viele Patienten möglicherweise doch in ein Krankenhaus gehen, auch wenn das nicht ihrem eigentlichen Wunsch entspricht, so die Studie. In Baden-Württemberg und Bayern ist das zum Beispiel anders. Hier haben viele Hausärzte eine Zusatzausbildung als Palliativmediziner. Schwerkranke Patienten können so zuhause versorgt werden.
    Die Macher der Studie empfehlen deshalb: Gerade die ambulanten Angebote in der Palliativmedizin sollten stärker ausgebaut werden. Trotz vieler Fortschritte in den vergangenen Jahren: Nur ein Drittel der betroffen, schwerkranken Patienten wurden im vergangenen Jahr so betreut, dass sie am Lebensende möglichst wenig leiden müssen, erklärt Studienmacher Eckhard Volbracht.
    "Diese Palliativversorgung kommt Menschen zugute, die eine Krebserkrankung haben. Ganz viele Menschen mit anderen Erkrankungen profitieren kaum von der Palliativversorgung. Und es wäre ganz wichtig, dass sowohl Ärzte als auch Patienten als auch Angehörige offener dafür sind, auch bei anderen Erkrankungen palliativmedizinische Aspekte mit einzubeziehen."
    Zusätzlich ist es oft ein Problem, dass Schwerkranke gar nichts über die palliativmedizinischen Angebote wissen. Deshalb ist ein weiteres, wichtiges Ziel der heute veröffentlichen Studie, genau diese Angebote der Palliativmedizin bekannter zu machen.