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Studie rechtfertigt "Integrationsoptimismus"

"Haben Sie Probleme mit Muslimen?" - "Nein." - "Was halten Sie vom Islam?" - "Katastrophe": So stellt der Sachverständige Klaus Bade vereinfacht das Ergebnis des sogenannten Integrationsbarometers dar. Sein Fazit: Trotz aufgeregter Debatten über Integration seien die Alltagserfahrungen der Menschen eher positiv.

Martin Zagatta sprach mit Klaus Bade | 08.05.2012
    Martin Zagatta: Auch für die Integration der hier lebenden Ausländer, der zugewanderten, gibt es einen Sachverständigenrat, der die Politik berät, und der hat heute sein Jahresgutachten vorgelegt und sein sogenanntes Integrationsbarometer, eine Umfrage zum Thema. Über beides können wir jetzt mit Professor Klaus Bade sprechen, dem Vorsitzenden des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Guten Tag, Herr Bade.

    Klaus Bade: Ich grüße Sie.

    Zagatta: Herr Bade, grob vereinfacht kann man ja sagen, Sie haben heute eine gute Nachricht und eine eher schlechte. Fangen wir mit der guten an. Ihre Umfrage, das Integrationsbarometer, soll erstaunlich gut ausgefallen sein. Was ist denn das Positive an dieser Studie?

    Bade: Das Positive ist, dass sich die Bürger auch durch aufgeregte Debatten nicht tief greifend haben irritieren lassen, dass keine Spaltung der Einwanderungsgesellschaft eingetreten ist, dass sie vielmehr sich klarer positioniert haben, dass die Zahl derjenigen abgenommen hat, die sagen, ja weiß ich nicht, kann ich so nicht beurteilen, und diejenigen zugenommen haben, die sich ein klares Urteil gebildet haben. Wir können sagen: Verhaltener Integrationsoptimismus und kritischer Integrationspragmatismus, eine stabile Grundlage für politische Reformen in der Migrations- wie in der Integrationspolitik, und die sind auch nötig.

    Zagatta: Das ist ja eher überraschend, zumindest für den Laien. Wie erklären Sie sich das?

    Bade: Die Menschen haben den Eindruck gehabt, dass das ein zentrales Thema ist, mit dem sie sich offensichtlich zu wenig beschäftigt haben, indem sie einmal Halt in der Debatte finden wollten, wo sie den Eindruck gewonnen haben, das was da erzählt wird sind ja zum Teil Phrasen, da müssen wir mal etwas genauer hinschauen, und das wird diesen Effekt bewirkt haben. Es ist so, dass auch fremdenfeindliche Vorstellungen in der Mitte der Gesellschaft unterwegs sind, dass die aber eher an der Oberfläche siedeln, sehr stark durch islamfeindliche Agitation, sogenannte Islamkritik und dergleichen befördert, während wir den Eindruck haben, dass in den empirischen Dimensionen, also in der konkreten Alltagserfahrung der Einwanderungsgesellschaft, dieses nicht zu finden ist. Wenn Sie es ganz stark vereinfachen wollen, heißt das: Haben Sie irgendwelche Probleme mit Muslimen? – Nein. – Kennen Sie welche? – Nein. – Was halten Sie vom Islam? – Katastrophe. – Dann hat man das, also das sind Oberflächenphänomene.

    Zagatta: Das heißt auch, die Diskussion, die wir auch in dieser Sendung dann noch aufgreifen werden, um gewaltbereite Salafisten, um Übergriffe gegen Polizisten, um Mordvorwürfe dort, die kann so ein Klima auch nicht mehr kippen, oder besteht diese Gefahr?

    Bade: Die Gefahr besteht darin, dass hier zwei Extreme aufeinandertreffen: Auf der einen Seite ja im Grunde genommen mit unserer Verfassung kaum mehr vereinbare Vorstellungen von Scharia in Deutschland und dergleichen mehr, und auf der anderen Seite aggressive Minderheiten, wie die Salafisten dies nun einmal sind, auf der anderen Seite aggressiv minderheitenfeindliche Agitationen, und jede Seite provoziert die anderen. Wenn also Pro-Deutschland dann die dänischen Karikaturen ausrollt, dann greifen die Salafisten an, und hinterher heißt es, die Salafisten haben angegriffen und umgekehrt. Hier schaukelt sich etwas unter Umständen hoch. Man wird darauf achten müssen, dass dieses nicht A überschätzt wird, B aber auch sehr ernst genommen wird. Dass Leute den Koran verteilen, das ist nicht so dramatisch, es kommt darauf an, welche Vorstellungen dabei dahinter stehen. Man kann ja auch den Zeugen Jehovas nicht verbieten, an der Ecke zu stehen und ihre Zeitungen hinzuhalten.

    Zagatta: Herr Professor Bade, weniger positiv fällt ja offenbar aus, was in Ihrem Jahresbericht noch steht, nämlich dass deutsche Kleinstaaterei die Integration behindert. Was liegt da so im Argen?

    Bade: Es gibt mangelnde Kommunikation und mangelnde Kooperation auf den drei Ebenen oder zwei Ebenen: Bund, Länder und bei den Kommunen. Hier liegt vieles im Argen, vieles mauert sich ein und erfindet das Rad immer wieder neu. Die Kommunen werden stark unterschätzt in ihrer Leistungsfähigkeit, sie sind die eigentlichen Pioniere der Integrationsarbeit, sie sind dazu viel zu schlecht ausgestattet, es gibt mangelnde Hilfsangebote, es gibt auch die große Brücke im Bildungsbereich als dem Schlüsselbereich der Integration nicht mehr, seit die Föderalismusreform gegriffen hat, in der ein Kooperationsverbot zwischen dem Bund und den Ländern drinsteht. Das heißt, hier kann auch nicht mehr Aushilfe geboten werden, weil es dieses Gebot gibt. Wir sagen erstens, weg mit diesem Kooperationsverbot, es kann dadurch nur besser werden, und zweitens, lasst uns eine zentrale Serviceagentur schaffen, die die Informationsflüsse erleichtert und die es ermöglicht, dass Kommunen, die erfolgreich sind in bestimmten Rahmenbedingungen, ihre Modelle anbieten können, damit andere Kommunen in ähnlichen Rahmenbedingungen, die von diesen Erfolgen gar nichts wissen, daraus etwas lernen können. Wir können hier sehr viel mehr machen. Insgesamt unser Gesamturteil, auch was die Gesetzgebung angeht: Wir werden immer besser, leider kommen wir dabei immer unnötig und manchmal auch zu spät –Beispiel Zuwanderungsgesetz. Das kam erst, als alle formativen Bewegungen fertig waren. Und Anerkennungsgesetz, das kommt erst, als Hunderttausende schon Taxifahrer und Hausmeister geworden waren. Das hätte alles viel früher und viel besser kommen können.

    Zagatta: Herr Bade, vielleicht ganz kurz noch zum Schluss. In diesem Umfeld haben wir ja auch diese Debatte um das Betreuungsgeld. Da argumentieren Gegner dieses Betreuungsgeldes, gerade Immigranten würden ihre Kinder dann lieber zuhause lassen, nur wegen des Geldes, das Ganze sei kontraproduktiv. Hat das Betreuungsgeld in Ihrer Untersuchung in irgendeiner Form eine Rolle gespielt, oder ist das kein Thema?

    Bade: Das war ein Thema. Das gilt allerdings für Menschen mit wie ohne Migrationshintergrund. Gerade für die Leute, für die 150 Euro im Monat sehr viel Geld sind, kann man sagen, es sind häufig diejenigen, die nicht imstande sind, ihren Kindern das mitzugeben, was sie aufgrund der sozialen Startnachteile nicht mitbekommen haben, und die sollten jetzt eben nicht auch noch verführt werden, zuhause zu bleiben, was den Arbeitsmarkt angeht, weil sie 150 Euro mehr haben, und ihre Kinder wegzulassen und zuhause zu behalten, weil sie ihnen zuhause das nicht mitgeben können, was sie in der Kita mitkriegen können. Das Wichtigste ist aber: Man muss erst mal zureichend Kitas bauen, bevor man dauernd über Kitas redet, und insofern ist dieses Betreuungsgeld ein Schuss in den Ofen. Und der zweite Gedanke, um diese Nebenwirkung aufzufangen: Den Hartz-IV-Empfängern die 150 Euro gleich abzuziehen, das ist nur noch wie ein Böller in dem gleichen Ofen.

    Zagatta: Professor Klaus Bade, der Vorsitzende des Sachverständigenrats deutsche Stiftungen für Integration und Migration. Herr Bade, danke schön für dieses Gespräch.

    Bade: Danke sehr!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.