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Studie TechnikRadar
Was die Deutschen über neue Technologien denken

Smart Home, selbstfahrende Autos, Pflegeroboter: Die Studie TechnikRadar gibt Aufschluss über die Einstellung der Deutschen zur aktuellen technologischen Entwicklung. Fast alle meinen, sie sei unaufhaltsam, sagte Technik-Journalist Jahn Rähm im Dlf. Doch zwei Drittel erwarten auch mehr Zwänge für den Einzelnen.

Jan Rähm im Gespräch mit Arndt Reuning |
    Ein Pflegeroboter für Schlaganfall-Patienten wird am 11.05.2016 in Erfurt (Thüringen) vorgestellt. Der Roboter soll helfen, wieder Laufen zu lernen. Er wurde im Rahmen eines Pilotprojektes in Ilmenau entwickelt. Die Gesamtkosten des Projektes belaufen sich den Angaben der Entwickler nach auf etwa 1,5 Millionen Euro. Foto: Martin Schutt/dpa | Verwendung weltweit
    80 Prozent der Deutschen befürchten weniger menschliche Zuwendung beim Einsatz von Pflegerobotern. Hier eine Version für Schlaganfall-Patienten (dpa-Zentralbild / Martin Schutt)
    Arndt Reuning: Wie denken die Deutschen eigentlich über Technik? So richtig viel Forschung, um Antworten auf diese Frage zu finden, gab es bisher nicht. In den zurück liegenden 20 Jahren untersuchten Einzelstudien einzelne Aspekte des Themas. 1988 gab es ein Buch, das das Thema untersuchte und die Frage nach der Technikfeindlichkeit der Deutschen klar mit "Nein" beantwortete.
    Seitdem ist viel passiert. Darum wollen die Forscher künftig genauer wissen, was die Deutschen über Technik denken. In diesen Minuten wird die Studie "TechnikRadar" in Berlin vorgestellt. Mein Kollege Jan Rähm hat sie vorab gelesen. Herr Rähm, was genau wurde untersucht?
    Jan Rähm: Es wurde die grundsätzliche Einstellung der Deutschen zu Technik untersucht. Es ging darum, ob die Deutschen mit Technik eher Verheißungen oder eher Unbehagen verbinden: Welche neuen Technologien bejahen sie, welche lehnen sie ab? Und: An welche Bedingungen sind für sie die Entwicklung und der Einsatz von Technik geknüpft? In diesem ersten TechnikRadar standen drei ausgewählte Themen im Fokus: Wie stehen die Deutschen zum Automatisierten Fahren, zum Smart Home und zu Pflegerobotern.
    Nicht technikfeindlich, aber kritisch
    Reuning: Bevor wir uns diese drei Themen näher anschauen: Wie stehen denn Menschen in Deutschland neuer Technik und neuer Technologie ganz grundsätzlich gegenüber?
    Rähm: Die gute Nachricht ist: Die Deutschen lehnen Technik grundsätzlich nicht ab und sie sind sich mit 89,5 Prozent fast einig: Sie halten den technischen Wandel für unaufhaltsam. Dabei hinterfragen die Deutschen die Entwicklungen und sind durchaus auch skeptisch. So sind zwar rund ein Viertel der Ansicht, dass Technik mehr Probleme löst, als sie schafft, aber mit fast zwei Dritteln erwartet eine Mehrheit der Befragten, mit der technischen Entwicklung auch zunehmend Zwänge für den Einzelnen zu bekommen. Dennoch fordern nurmehr ein Drittel, der technischen Entwicklung Grenzen zu setzen.
    Generell stellten die Forscher fest: Frauen sind gegenüber der Digitalisierung etwas kritischer eingestellt als Männer, allerdings gilt das so eindeutig nur für die Gruppe der über 35-Jährigen, darunter nicht. Ostdeutsche stehen der Digitalisierung insgesamt positiver gegenüber und sehen darin mehr Chancen als die westdeutschen Befragten.
    Vollautomatisches Fahren mehrheitlich abgelehnt
    Reuning: Schauen wir doch mal auf diese drei Hauptaspekte, die Sie ja schon erwähnt hatten, also auf das Automatisierte Fahren, Smart Home und Pflegeroboter. Was halten die Deutschen davon?
    Rähm: In Sachen vollautomatisches Fahren findet es mit fast zwei Dritteln eine Mehrheit störend, dass dabei persönliche Daten gesammelt werden. Noch ein paar mehr Befragte fürchten außerdem Hackerangriffe und in der Folge Störungen und Unfälle. Nur etwas mehr als 16 Prozent der Deutschen würde die Verantwortung überhaupt ganz ans Auto abgeben, während wieder fast zwei Drittel das komplett ablehnen.
    Smart Home: Nutzungserwartungen überwiegen Ängste
    Auch beim Smarten Zuhause sind die Deutschen eher mäßig begeistert: Jeweils knapp ein Drittel der Befragten befürchtet, dass Online-Kriminelle sehr wahrscheinlich beziehungsweise eher wahrscheinlich die Wohnung mit Hilfe der Systeme kontrollieren werden.
    Die Forscher schreiben jedoch, dass nicht die Ängste, sondern die Nutzungserwartung überwiege - wenn denn der Schutz gegen Hacker, Schutz der Daten, einfache Bedienbarkeit, dauerhafte Funktion, geringe laufende und geringe Anschaffungskosten gegeben seien, dann würden die Befragten auch zugreifen und sich solche Systeme zulegen.
    Durch Pflegeroboter weniger menschliche Zuwendung befürchtet
    In Gesundheitsfragen präferieren die Deutschen ganz klassisch die Erfahrung der Ärzte. In Sachen Pflege meinen mehr als ein Drittel der Befragten, dass Pflegeroboter als technische Hilfe zwar sinnvoll seien, jedoch lehnen ebenfalls knapp ein Drittel diese Technik grundsätzlich ab. Denn über 80 Prozent der Deutschen befürchten weniger menschliche Zuwendung beim Einsatz solcher Roboter. Und über die Hälfte fürchtet gar: Wenn Pflegeroboter zum Einsatz kämen, dann könnten sich irgendwann nur noch Wohlhabende von Menschen pflegen lassen.
    Studie als langfristig angelegtes Frühwarnsystem
    Reuning: Abschließend noch die Frage: Wer steckt denn eigentlich hinter dieser Studie TechnikRadar und auf welche Methodik, auf welche Datengrundlage stützt sie sich?
    Rähm: Diese Studie ist in Auftrag gegeben worden von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften Acatech und durch die Körber Stiftung. Sie wurde federführend erstellt vom Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart unter Mitarbeit einer sehr großen Zahl von Forschern verschiedenster deutscher Hochschulen und Fachgebiete. Befragt wurden 2.000 zufällig ausgewählte Personen über 16 Jahren und dabei wurde nach Frauen und Männern, nach Altersstufen, nach Ost und West und nach Bildungsstand unterschieden.
    Aber es geht hier in dieser Studie nicht nur um ein Stimmungsbild: Vielmehr sehen die Forscher die Studie als eine Art langfristig angelegtes Frühwarnsystem. Man wolle damit Fehlentwicklungen des technologischen Wandels rechtzeitig erkennbar machen und darum soll die Studie künftig im Rhythmus von zwei Jahren wiederholt werden.