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Studie zu Numerus clausus
Längst nicht überall gibt es viele Zulassungsbeschränkungen

Ob eine Hochschule ein Fach mit einem Numerus Clausus belegt, hängt weniger von ihrer Qualität als mehr von der Nachfrage ab, sagte der Bildungsforscher Cort-Denis Hachmeister im Dlf. Beim NC gebe es Schwankungen je nach Ort. Er rät daher, sich sich nicht nur auf einen Standort festzulegen.

Cort-Denis Hachmeister im Gespräch mit Regina Brinkmann |
Ein Schild weist den Weg zu einem Immatrikulationsbüro bzw. zur Zulassungsstelle einer Universität. Das Bundesverfassungsgericht verhandelt heute über das Zulassungsverfahren für das Medizinstudium. Es geht um die Frage, ob die Art der Studienplatzvergabe mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Insgesamt ist der Anteil zulassungsbeschränkter Studiengänge minimal gesunken – doch die Unterschiede zwischen den Standorten sind enorm, so Cort-Denis Hachmeister vom Centrum für Hochschulentwicklung im Dlf (dpa / picture alliance / Jens Kalaene)
Der Run auf die Studienplätze für das nächste Wintersemester hat vielerorts schon begonnen. An einigen Unis und in bestimmten Fachbereichen wird der Zulauf wieder so stark sein, dass die Plätze nur nach Numerus clausus vergeben werden können.
Laut Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) sind im Schnitt 40 Prozent aller Studienplätze zulassungsbeschränkt. Doch das ist nur ein bundesweiter Durchschnittswert, den das CHE auch bei seinem aktuellen Numerus-clausus-Check ermittelt hat. Während dieser Wert nur minimal gesunken ist, gibt es bei einzelnen Ländern und Hochschulstandorten ziemliche Schwankungen bei der NC-Quote. Studienautor Cort-Denis Hachmeister gibt einen Überblick.
"Schwankungen in einzelnen Hochschulorten"
Regina Brinkmann: Welche Schwankungen haben Sie da besonders überrascht?
Cort-Denis Hachmeister: Besonders überraschend sind eigentlich die Schwankungen in einzelnen Hochschulorten. In den letzten beiden Jahren war Hannover immer der Hochschulort mit den meisten zulassungsbeschränkten Studiengängen, so ungefähr um die 60, über 60 Prozent der Studiengänge waren dort zulassungsbeschränkt, und in diesem Jahr liegt Hannover bei 48 Prozent, also ein deutlicher Rückgang. Stattdessen ist Leipzig aufgestiegen und ist jetzt die Stadt mit den meisten Zulassungsbeschränkungen, obwohl die früher eigentlich nie groß auf dem Radar waren bis jetzt, dass es da besonders viele Zulassungsbeschränkungen gegeben hätte.
"Stadtstaaten sind ziemlich weit vorne"
Brinkmann: Das sind jetzt so die Städte, gucken wir mal auf die Bundesländer: Welche Bundesländer haben denn die meisten zulassungsbeschränkten Studiengänge?
Hachmeister: Insgesamt sind es am meisten in den Stadtstaaten oder auch im Saarland – also Berlin, Saarland, Hamburg sind die drei ersten Plätze, danach kommt Baden-Württemberg und Bremen. Man sieht, die Stadtstaaten sind da ziemlich weit vorne bei dem Anteil der Zulassungsbeschränkungen, wobei man noch dazu sagen muss, dass das Saarland auch noch mal deutlich zugelegt hat. Im Vergleich zum letzten Jahr sind da jetzt noch mal acht Prozentpunkte dazugekommen, also eine deutliche Steigerung noch mal, obwohl die schon relativ viele Zulassungsbeschränkungen hatten.
Im Osten weniger Zulassungsbeschränkungen
Brinkmann: Und in welchen Bundesländern ist die Auswahl am wenigsten durch einen NC beschränkt?
Hachmeister: Das sind im Wesentlichen die neuen Bundesländer, allen voran Thüringen – das ist sogar weniger als 20 Prozent –, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, aber auch Rheinland-Pfalz ist unter den Ländern mit sehr wenig Zulassungsbeschränkungen. Dort ist gerade mal ein Viertel der Studiengänge zulassungsbeschränkt.
Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage entscheidend
Brinkmann: Was sind denn so mögliche Ursachen? Womöglich, dass bestimmte Studienstandorte gar nicht so beliebt sind und dann die Hochschulen beziehungsweise Länder Studierende mit niedrigem oder gar keinem NC locken müssen?
Hachmeister: NC ist ja immer sowohl durch das Angebot als auch durch die Nachfrage bedingt, also ob ich viele Studienplätze anbieten kann und ob viele Leute dahinwollen. Das ist immer eine Frage, inwieweit sich das die Waage hält. Wir beobachten schon seit Längerem bei den Stadtstaaten oder gerade diesen attraktiven Studentenstädten, wo viele Leute hinwollen, dass da diese Städte gar nicht der Nachfrage gerecht werden können. So viele Leute, wie in Berlin studieren wollen, können da einfach gar nicht aufgenommen werden. Das hat jetzt gar nichts mehr mit der Qualität der Hochschulen oder so zu tun, sondern ist einfach eine Frage des Verhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage.
Beliebte Fächer - mehr Beschränkung
Brinkmann: Schauen wir mal auf die Fächer: Abgesehen jetzt von den Klassikern wie Medizin oder Pharmazie, welche Fächer sind denn besonders beliebt und daher auch zulassungsbeschränkt?
Hachmeister: Da gibt es auch noch mal wieder starke Schwankungen. Wenn man jetzt bundesweit erst mal schaut, ist diese Fächergruppe Rechts-, Wirtschafts-, Gesellschafts- und Sozialwissenschaften – also BWL, Jura und weitere Fächer –, das ist die Fächergruppe mit den meisten Zulassungsbeschränkungen, da ist ungefähr die Hälfte der Studiengänge zulassungsbeschränkt, während in den Sprach- und Kulturwissenschaften, da sind es nur 27 Prozent. Und inzwischen liegen Mathematik, Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften mit jeweils ungefähr einem Drittel der Studiengänge, die da zulassungsbeschränkt sind. Aber auch selbst da gibt es eben größere Schwankungen auch zwischen den einzelnen Städten oder den Bundesländern.
Ich hab mir das jetzt zum Beispiel angeschaut: In Hamburg ist es einmal so, dass nicht Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften die stärkste Gruppe ist mit den Zulassungsbeschränkungen, sondern da sind es Mathematik und Naturwissenschaften mit fast 90 Prozent Zulassungsbeschränkungen, und in Berlin sind es die Ingenieurwissenschaften, die dann am meisten zulassungsbeschränkt sind. Also auch da gibt es große Unterschiede, die ich mir jetzt auch nicht unbedingt im Einzelnen erklären kann, warum das gerade in diesen Städten so ist.
"Am besten eine zulassungsfreie Alternative in petto haben"
Brinkmann: Welche Tipps haben Sie denn jetzt für Studienplatzbewerberinnen und -bewerber?
Hachmeister: Der NC-Check zeigt ja insgesamt, dass es da wirklich sehr große Unterschiede gibt und man eben genau gucken muss, wo ist was zulassungsbeschränkt und wo ist es jetzt nicht zulassungsbeschränkt – also das gleiche Fach kann in der einen Hochschule zulassungsbeschränkt sein und in der anderen nicht. Insofern sollte man da den Blick weiten und jetzt nicht nur an einer Hochschule gucken und sagen, da will ich hin und ist es da jetzt zulassungsbeschränkt oder nicht, sondern eben sich auch Alternativen zurechtlegen, andere Städte in den Blick nehmen und dann zumindest, wenn man sich bewirbt, dann noch mal eine zulassungsfreie Alternative in petto haben, wo man sich dann gegebenenfalls einfach einschreiben kann, wenn es bei den Bewerbungen in den anderen Städten nicht klappt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.