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Studien zum Infinite-Monkey-Theorem
Sind Affen die besseren Autoren?

Die in Zentralafrika beheimateten Bonobo-Affen beherrschen Grundzüge der symbolischen Kommunikation. Aber können sie auch schreiben? Das untersucht ein Berliner Literaturwissenschaftler in einem ungewöhnlichen Feldversuch - bei dem schon erste Haiku-Gedichte entstanden sind.

Von Florian Werner | 01.04.2017
    Stephan Porombka steht vor dem Bonobo-Gehege im Zoologischen Garten, Berlin
    Stephan Porombka, Professor für Texttheorie und Textgestaltung, bei seiner Feldstudie im Zoologischen Garten, Berlin (Deutschlandradio / Florian Werner)
    "APRIL, APRIL: Bonobos sind sehr intelligente Tiere, Haiku schreiben sie allerdings noch nicht. Die Feldstudie der UdK fand am 1. April 2017 ihren Anfang und ihr Ende - es handelte sich um einen APRILSCHERZ." (Anm. d. Red. am 02.04.2017)
    Bisher war es nur eine Gedankenspielerei: Wenn man eine Horde Affen unendlich lange auf der Tastatur einer Schreibmaschine herumtippen ließe, würden die Tiere irgendwann zufällig die gesammelten Werke von William Shakespeare schreiben. "Infinite-Monkey-Theorem" nennt man dieses Gedankenexperiment: das Theorem der endlos tippenden Affen.
    Schon seit über 100 Jahren existiert das Theorem; formuliert wurde es 1913 von dem Mathematiker Émile Borel.[1] Aber erst jetzt hat sich ein Literaturwissenschaftler daran gemacht, es auch in der Praxis zu überprüfen. Seit Anfang des Jahres lässt Stephan Porombka, Professor für Texttheorie und Textgestaltung an der Universität der Künste in Berlin, eine Gruppe Bonobos täglich die Tastatur eines Computers bearbeiten.
    "Die UdK liegt ja quasi direkt neben dem Zoologischen Garten - deshalb lag es nahe, eine Kooperation mit dem Zoo einzugehen. Also, die Tiere dazu zu bringen, auf der Tastatur zu tippen, war nicht besonders schwierig - Bonobos sind ja unglaublich neugierig. Komplizierter war es, die Tastatur so zu präparieren, dass sie nicht gleich kaputt geht. Unsere Tiere benutzen die auch gern mal als Werkzeug. Oder als Waffe. Oder sie fangen an, mit der Tastatur zu kopulieren."
    A research scientist and bonobo female Panbanisha communicating by lexigram keyboard, Pan paniscus, Language Research Center, Georgia State University, Atlanta, Georgia PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY MINTxImages/FransxLanting

a Research Scientist and Bonobo Female  Communicating by  Keyboard Pan paniscus Language Research Center Georgia State University Atlanta Georgia PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY MINTxImages
    Eine Forscherin der Universität Atlanta/Georgia übt mit dem Bonobo-Weibchen Panbanisha die symbolische Kommunikation (imago stock&people)
    Sieben Affen an der Tastatur
    Insgesamt sieben Affen nehmen an der Langzeitstudie teil. Vier Stunden pro Tag verbringen sie in einem für Besucher nicht einsehbaren Raum mit Schreiben - dann müssen ihre hominiden Verwandten ran: Professor Porombka und seine Hilfskräfte werten die Ergebnisse aus und suchen nach sprachlichen Mustern. Porombka:
    "Es geht natürlich nicht nur darum, ob die Affen jetzt innerhalb eines Jahres den Monolog aus dem 'Hamlet' schreiben. Der Versuch wirft eher ganz grundlegende Fragen über Intentionalität und Kreativität auf: Bedeutet der Satz 'Sein oder Nichtsein?' etwas anderes, wenn er von einem Affen geschrieben wird? Muss man beim Schreiben wissen, was man tut?"
    Eine Frage, die sich auch so mancher "Literat" einmal stellen könnte.
    Kritik von Tierschützern
    Allerdings sind nicht alle von Professor Porombkas Forschungsprojekt begeistert. Johann Lüdicke vom Berliner Zentrum für Artenschutz etwa hält die Experimente schlicht für Tierquälerei:
    "Dass Bonobos unglaublich gelehrige Tiere sind, steht ja außer Frage. Aber dass sie vier Stunden am Tag so unter Stress gesetzt werden, also dass man sie sozusagen zum Arbeiten zwingt, das ist einfach nicht artgerecht. Und nur mal nebenbei: Diese Belastung steht doch wahrscheinlich in keinem Verhältnis zu den literarischen Ergebnissen, die dabei rauskommen."
    Das sieht Professor Porombka freilich anders. "Seine" Affen haben nach vier Wochen immerhin ihr erstes Gedicht zustande gebracht:
    "Wir mussten nur beim Zeilenumbruch ein bisschen nachhelfen, weil die Affen meistens Fließtext raushauen. Aber hier, wenn man diese beiden Zeilen trennt, ergibt das eine Art Haiku." Porombka rezitiert:
    gesicht hinter glas
    schwingen baum baum baum bau au
    auge herzen stumm
    "Das ist vom Inhalt her eigentlich fast wie 'Der Panther' - nur eben auf die Situation im Affenhaus übertragen", meint der Textforscher.
    Beim allem Respekt vor Professor Porombka und seinen langarmigen Studenten: Bis zu Rainer Maria Rilke - oder gar den gesammelten Werken von William Shakespeare - ist das noch ein weiter Weg. Aber wie sagt man so schön? Es ist noch kein Meister vom Baum gefallen. Und die Affen haben ja, zumindest theoretisch, noch eine Ewigkeit Zeit.

    Quellen
    [1] cf. Daniel F. Bell: "Monkey Business: From Borel's 'Singes dactylographes' to Asimov's 'The Monkey's Finger'"
    https://scholars.duke.edu/display/pub864493