Liminski: Herr Glotz, man erwartet, dass das Bundesverfassungsgericht demnächst das Verbot von Studiengebühren aufhebt und etliche Bildungspolitiker befassen sich bereits mit der Frage, der dann zu erhebenden Gebühren. Ist damit die Chancengleichheit gefährdet?
Glotz: Nein, man muss natürlich bestimmte Vorkehrungen treffen, man kann nicht einfach nur Studiengebühren einführen. Man muss zum Beispiel, der Staat muss mit den Banken verhandeln, damit jeder sich die Studiengebühren mit Hilfe einer Postkarte bei der Deutschen Bank leihen kann und da muss der Staat dann Garantien übernehmen, dass er die erst wieder zurückzahlen muss, wenn er in einem Job ist. Solche Vorkehrungen müssen getroffen werden, man kann sich auch überlegen, ob man bestimmte Stipendienprogramme verstärkt, aber insgesamt gibt es Studiengebühren überall und sie haben auch eine sinnvolle Leitfunktion.
Liminski: Eine andere Frage ist, Herr Glotz, was denn mit den Geldern geschieht? Wir haben vorhin in dieser Sendung von der unsichtbaren Hand gesprochen, die nach Adam Smith das Marktgeschehen lenke. Nun gibt es lange Hände der Manager und lange Hände der Politiker, besteht nicht die Gefahr, dass dieses Geld wieder nur zum Stopfen irgendwelcher Haushaltslöcher verwandt wird?
Glotz: Ja, diese Gefahr ist immer gegeben und deswegen würde ich empfehlen und anregen, dass die Ministerpräsidenten miteinander eine Vereinbarung schließen, dass Mittel aus den Studiengebühren zu hundertprozentig, meinethalben minus der Verwaltungsgebühren, die aber ganz gering sein können, den Universitäten zu Gute kommen.
Liminski: Bildungschancen sind Lebenschancen, sagte Bundeskanzler Schröder vor gut zwei Jahren in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag. Diese Chancen werden verringert, wenn die Ausstattung der Universitäten und Fachhochschulen veraltet oder wenn die Qualität von Lehre und Labor sich auf wenige Privatuniversitäten oder Forschungseinrichtungen konzentriert. Eine Gebühr, die wie der bayerische Wissenschaftsminister Goppel es fordert, allein den Universitäten zu Gute komme, nutze allen Studenten, würde das auch den Wettbewerb fördern?
Glotz: Ja, allerdings muss man dann weitergehen als die Deutschen, wie ich vermute jetzt gehen werden. Wir sind ja eine ungeheuer langsame politische Kultur, ich habe Studiengebühren erstmals im Dezember 1994 gefordert, damals als bildungspolitischer Sprecher der SPD und da gab es dann einen ungeheuren Aufstand und dann hat auch lange Zeit im Übrigen die CDU/CSU gesagt, sie ist dagegen. Der Vorgänger von Herrn Goppel, Herr Zehetmair war strikt gegen Studiengebühren. Nun werden sie Studiengebühren einführen, wenn ich den Zeitungen glauben darf, 1000 Euro gedeckelt, also sie werden sagen, eine Universität darf nicht mehr Studiengebühren erheben und sie darf, also es wird bürokratisch vorgeschrieben, das ist natürlich auch der blühende Unsinn. Natürlich ist Medizin teurer als Soziologie und natürlich ist die Humboldt-Universität oder die Universität München teurer als die Universität Hildesheim oder die Universität Regensburg. Aus diesem Grund, auf die Dauer werden sich Marktstrukturen entwickeln und dann wird es eine sehr teure Universität geben und wer in den Vorstand von BMW will, der wird dorthin streben und auch viel in die Studiengebühren investieren. Es gibt aber viele Menschen, die legitimerweise Oberregierungsrat oder aber Regierungsdirektor im Landkreis Regensburg werden wollen und die müssen das dann nicht tun, die können ohne Weiteres in Regensburg studieren. Aber das dauert noch mal zehn Jahre, bis die Deutschen das begreifen.
Liminski: Wettbewerb unter den Universitäten. Die Universitäten werden sich in ein paar Jahren auch um Studenten selber kümmern müssen, denn in den kommenden Jahrzehnten wird die Zahl der Studenten aus demographischen Gründen stark abnehmen und dann wird das Qualitätsangebot der Universitäten zum entscheidenden Faktor, dafür brauchen die Lehranstalten halt viel Geld. Wenn man nun eine Gebühr einführt, besteht dann nicht die Gefahr, diese Gebühr nach Kassenlage zu erhöhen?
Glotz: Ja klar. Ich meine, wir müssen uns auch im heiligen Deutschland darüber klar sein, dass auch Bildung immer mehr eingegliedert wird in einen internationalen Bildungsmarkt. Das gilt für die Hochbegabten jetzt schon, die hauen ab nach Harvard, es gilt selbstverständlich für die Weiterbildung und es wird mehr und mehr auch für die ganzen Tätigkeiten der Universitäten gelten. Ich mache ein MBA Programm in Sankt Gallen, wenn ich nicht genügend Studierende habe, müsste ich es zumachen. Das ist ganz einfach, denn ich muss mich selber tragen. Das muss nun natürlich nicht für die Erstausbildung gelten, aber dass es eine Frage ist, können wir uns eine gute Bibliothek leisten oder nicht und dass die Studierenden dann sagen, München hat eine tolle Staatsbibliothek, da gehen wir hin, aber in Bamberg ist es nicht so toll, also gehen wir nach München, das ist doch eine völlig rationale Entscheidung. Die Idee, man könne dort studieren, wo die Waschmaschine der Mutter steht und man könne ein ganzes Netz von Universitäten aufbauen, die alle gleichwertig sind, das ist nun immer eine Illusion gewesen. Auch in Amerika ist das ja keineswegs der Fall, da gibt es 15 große Research Universities, die besser sind als alles, was es auf der Welt gibt und das übliche State College ist schlechter als die deutsche Regionaluniversität.
Liminski: Herr Glotz, ich will mal Ihr Stichwort von der Waschmaschine der Mutter aufgreifen, eine Frage zum pädagogischen Nutzen der Gebühr stellen. Es könnte ja darin bestehen, dass mancher Student schlicht fleißiger studiert, um früher abzuschließen und so die Gebühr für weitere Semester zu sparen? Ist das sinnvoll oder schadet es einem Studenten, wenn er sich persönlich um seinen Lebensunterhalt kümmert, nebenher oder in den Semesterferien ein paar hundert Euro verdienen muss?
Glotz: Nein, das schadet gar nicht. Ich habe das auch tun müssen und zwar im Jahr 1960 und nach vier Jahren konnte ich mein Examen machen, das war anstrengend, aber es geht. Es ist dann eine Rechnung für den Studierenden, verstehen Sie, ich habe ja volles Verständnis, dass jemand, der 22 ist, ein Auto haben will, dass der nicht mehr bei der Witwe Grün in einem Zimmer wohnen und sich mit ihr im gleichen Badezimmer waschen will. Alle diese Dinge, dafür muss man volles Verständnis haben, das führt aber heute dazu, dass die Leute studieren und nebenbei arbeiten, sie sind ja eigentlich Teilzeitstudenten und das dauert dann selbstverständlich 15 Semester oder 13 Semester und das ist ein nicht sinnvolles System. Wenn sie Gebühren haben und zwar spürbare Gebühren, wird der Studierende das verrechnen miteinander und wird sagen, o.k. ich studiere schneller, auf diese Weise spare ich Geld. Der Mensch ist ja, zwar nicht vollständig ein homo oeconomicus aber gelegentlich überlegt er schon, was was kostet.
Liminski: Studiengebühren sind sinnvoll und sorgen für Wettbewerb, das war der Kommunikationswissenschaftler Peter Glotz aus Sankt Gallen. Besten Dank für das Gespräch, Herr Glotz.
Glotz: Danke Ihnen.