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Studium
Das Klischee vom faulen Studenten

Studenten schlafen lange, machen viel Party, trinken viel und sind Schmarotzer: Das sind einige der vielen Vorurteile gegenüber den rund 2,8 Millionen Studierenden in Deutschland. Das Deutsche Studentenwerk will mit einer Sozialerhebung das wirkliche Leben von Studenten beschreiben - und mit diesen Klischees aufräumen.

Von Meriem Benslim | 13.07.2016
    Studenten verfolgen in Köln in der Aula Universität eine Veranstaltung.
    Vorlesung: Viele Studenten müssen viel lernen und zusätzlich noch arbeiten. ( picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Auf dem Campus der Hochschule ist viel Betrieb. Es sind nur noch wenige Tage bis zur vorlesungsfreien Zeit. Viele werden jetzt geprüft oder müssen ihre praktischen Arbeiten aus dem laufenden Semester präsentieren.
    "Ich hab jetzt gleich um 15 Uhr eine Prüfung und muss danach direkt nach Hause. Und ich habe morgen drei Prüfungen, für die nächsten drei Prüfungen noch alles fertig zu bekommen, meine Abgaben rechtzeitig fertig zu bekommen."
    Sagt Rebecca Granderath. Sie studiert Architektur im zweiten Semester. Dafür pendelt sie von Mönchengladbach nach Düsseldorf. Außerdem arbeitet sie drei Tage die Woche als Kellnerin. Beides in Einklang zu bringen, das ist für Rebecca eine echte Herausforderung. Umso mehr ärgert sie sich, wenn einige Freunde sie als faule Langschläferin bezeichnen.
    "Leute die eine Ausbildung gemacht haben, die sagen halt: Oh, die Steuern, alles für euch, mit dem BAföG. Ihr sitzt ja nur auf eurem Hintern, das macht einen schon echt wütend."
    Diesen Vorurteilen ist jetzt auch das Deutsche Studentenwerk in Berlin begegnet. Passanten wurden dort zu ihrer Meinung über Studierende befragt. Das Ergebnis war ernüchternd, sagt Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk:
    "Studierende könnten immer ausschlafen, jeden Tag, die machen nur Party, die trinken viel, überhaupt ist das ganze Studentenleben ein einziges Lotterleben. Wir waren ganz erstaunt, dass wir für unsere Straßenumfrage auf all diese Vorurteile sehr massiv wieder gestoßen sind. Das hat uns selber überrascht."
    Dieselben alten Klischees über Studenten
    Es sind dieselben alten Klischees, die es schon vor gut 40 Jahren über langhaarige Langzeitstudenten gab. Diese Vorstellungen scheinen sich seither fest verankert zu haben. Und das, obwohl das Studium seit dem Bologna-Prozesses stark verschult wurde. Den Alltag an deutschen Hochschulen will das Deutsche Studentenwerk deshalb jetzt öffentlich machen, mit der 21. Sozialerhebung:
    "Das Leben der Studierenden, vor allem seit der Einführung von Bachelor/Master, bedeutet ganz schön viel Zeitdruck, ganz schön viel Stress. Wer heute noch behauptet, Studierende könnten jeden Tag ausschlafen, war noch nie in einer Hochschule. Wir wollen mit unserer Studie zeigen, wie die wirtschaftliche soziale Lage der Studierenden wirklich ist. Und die ist alles andere eben als studentische Lotterleben, was die Passanten vermutet haben."
    Um das zu belegen, werden noch bis Ende des Monats mehr als 400.000 Studierende deutschlandweit zu einer Onlinebefragung eingeladen. Die Ergebnisse gibt es im nächsten Frühjahr. Doch schon jetzt ist klar: Das Uni-Leben ist zum Vollzeitjob geworden. Laut der aktuellen Daten des Deutschen Studentenwerks gehen im Schnitt 35 Stunden in der Woche für das Studium drauf. Dazu kommen mehr als sieben Stunden für den Nebenjob. Auf dem Düsseldorfer Hochschulcampus haben deshalb viele Studierende für alte Klischees vom feiernden Sozialschmarotzer wenig Verständnis.
    - "Das trifft nicht zu, weil ich hab das Gefühl, dass ich mehr arbeite als alle Arbeiter, teilweise."
    - "Wirklich Freizeit haben wir nicht und ich finde es auch eine Frechheit von den anderen, dass die nicht studieren und jetzt sagen, dass wir Schmarotzer sind. Ich bin ja nur hier."
    - "Hobbys kommen ein bisschen zu kurz, die meiste Zeit geht fürs Studium drauf. Ich komme morgens um 9 und bleib manchmal bis 1 Uhr hier."
    Einige räumen immerhin ein, dass sie oft spät aufstehen. Doch das habe mit einem anderen Tagesrhythmus zu tun und nicht mit Faulheit. Das glaubt auch Sarah Sattler, die Kommunikationsdesign studiert.
    "Das mit dem Schlafen ist halt wirklich so, dass ich bis vier Uhr nachts teilweise arbeite. Da kann man halt nicht um 9 Uhr morgens aufstehen. Beim Zeichnen bin ich nachts irgendwie besser. Nachts steht ja so ein bisschen die Welt still, also arbeitet man halt."
    Die neue Sozialerhebung soll Einblicke in die tatsächliche Arbeitswelt der Studierenden geben – und für Verständnis werben. Natürlich ziele die Studie auch auf die Politik ab, sagt Stefan Grob.
    "Wir wollen in Erinnerung rufen, dass das deutsche Hochschul- und Wissenschaftssystem, in das ja unglaublich viel Geld fließt, dass es da im Kern aber um die Studierenden geht. Ohne die Sozialerhebung könnten wir keine Politik machen für die Studierenden."