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Sturm und Schneeverwehungen

Schneefall und viel Wind sagt Meteorologe Martin Jonas für das Wochenende voraus. Ganz Deutschland wird dann unter eine Schneedecke liegen. Wer es sich leisten kann, bleibt möglichst daheim.

Martin Jonas im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Wir könnten viele Orte nennen. Pas pro toto, als Beispiel für viele andere, blicken wir jetzt erst mal Richtung Rügen. Dort halten heftige Schneefälle die Einsatzkräfte des Straßenräumdienstes in Atem. In der Nacht sind am Kap Arkona 29 Zentimeter Schnee gefallen, Tendenz steigend. - Von der Ostsee ans andere Ende der Republik. Auf dem Bodensee patrouilliert die Polizei inzwischen auf Schlittschuhen.

    Über das Wetter wollen wir jetzt sprechen mit Martin Jonas. Er ist Diplom-Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst. Guten Tag, Herr Jonas.

    Martin Jonas: Schönen guten Tag.

    Heinemann: Was beschert uns das Tief Daisy zum Wochenende?

    Jonas: Es beschert uns zum einen Schnee, zum anderen beschert es uns Wind und zum dritten beschert es uns weiterhin zusammen mit Tief Bob über Skandinavien frostige Temperaturen.

    Heinemann: Nämlich?

    Jonas: Temperaturen, die tagsüber nicht über den Gefrierpunkt klettern und nachts um die minus zehn Grad liegen. Der Schneefall, den Daisy bringt, der wandert langsam von Süden nach Norden, der wird am Samstagmorgen etwa eine Linie erreicht haben von Münster nach Berlin und kommt im Laufe des Samstages dann bis an die Küsten voran.

    Mit dem Schneefall frischt auch der Wind auf, im Tal böig bis über 50, teilweise über 60 Stundenkilometer, auf den Bergen wird es noch ein bisschen mehr werden. Und weil der Schnee sehr pulvrig ist, wird er von dem Wind entsprechend verfrachtet. Wir sprechen von Schneeverwehungen und die sind eigentlich das Problem bei der Wetterlage. Die Schneemengen an sich sind gar nicht mal so extrem.

    Heinemann: Herr Jonas, wir senden mit dem Deutschlandfunk ja bundesweit. Wo wird es besonders weiß, besonders kalt und besonders windig?

    Jonas: Besonders windig wird es auf den Bergen der Mittelgebirge. Der Brocken ist hier zu nennen, der Kahle Asten zum Beispiel, auch im Erzgebirge, im Thüringer Wald. Da wird es sehr windig, da wird es auch sehr weiß werden. In der Nacht zum Sonntag und am Sonntag, da sind die Küstenregionen ganz besonders betroffen, die Ostsee vor allem, die Nordsee ein bisschen weniger, aber auch da durchaus Sturmstärke, das heißt Windgeschwindigkeiten 80, 90 Stundenkilometer, vielleicht auch ein bisschen mehr. Die Küste bekommt insgesamt aber weniger Schnee ab: zum einen, weil das Schneefallgebiet dort später ankommt, und zum Zweiten, weil da der Schnee früher nachlässt.

    Am Sonntag schneit es nämlich weiter, aber nicht im Norden, sondern eher wieder in der Mitte. Da wird es so ein paar Schnee-Ecken geben. Es sieht so aus, als sei das südliche Brandenburg betroffen, auch Teile Westdeutschlands, wo dann noch mal zehn, 15 Zentimeter zusammenkommen können, sodass die exponierten Lagen, wo wirklich viel Schnee fällt, dann vielleicht 30, 40 Zentimeter Neuschnee haben könnten. Aber das ist wirklich nur regional. Im Mittel zehn bis 20 Zentimeter Neuschnee deutschlandweit, der allerdings liegen bleibt.

    Heinemann: Das heißt, worauf müssten sich dann die Autofahrer einstellen?

    Jonas: Natürlich, Verkehrsbehinderungen wird es auf jeden Fall geben, glatte Straßen, schneebedeckte Straßen, zum Teil durch die Schneeverwehungen auch der Schnee mit 30, 40, 50 Zentimetern vielleicht, da wo es windstill ist. Wer sich vorbereitet, wer Winterreifen drauf hat, wer eine Viertelstunde länger einkalkuliert, der wird sicherlich auch morgen von A nach B kommen, wobei, wer es nicht unbedingt muss, vielleicht auch von alleine zu Hause bleibt, denn der morgige Tag wird kein schöner Tag, er wird ungemütlich und wer es sich leisten kann, bleibt vielleicht sogar freiwillig zu Hause.

    Heinemann: Klingt so, als gäbe es dann in ganz Deutschland keine grünen Flecken mehr.

    Jonas: Nein. Grüne Flecken gibt es dann tatsächlich nicht mehr. Wie Sie schon eingangs sagten, der Norden, Rügen, hat ja schon ordentlich Schnee abbekommen, wobei das ein ganz küstennahes Phänomen ist, und ansonsten liegt verbreitet schon eine geschlossene Schneedecke und die wird am Wochenende natürlich noch ein bisschen dichter werden, noch ein bisschen höher werden. Das heißt, Deutschland ist weiß.

    Heinemann: Herr Jonas, woher kommt der Schnee? Welche Großwetterlage erkennen Sie gegenwärtig auf Ihren Bildschirmen?

    Jonas: Wir haben es mit einem Tiefdruckgebiet zu tun, das zurzeit über dem nördlichen Mittelmeer liegt und dessen Ausläufer ziehen von Süden nach Norden über Deutschland hinweg. Dieses Tiefdruckgebiet hat warme und feuchte Luft im Gepäck und spielt zusammen mit Bob die entscheidende Rolle. Bob, der bodennah von Norden weiterhin tiefe, eisige Temperaturen und Winde zu uns bringt. Die warme Luft von Daisy gleitet auf, wird angehoben, es bilden sich Schneeflocken und die fallen dann eben auf den Boden.

    Heinemann: Sind diese Temperaturen, ist so viel Schnee, ist das eigentlich normal, oder handelt es sich hier um einen ungewöhnlichen Winter?

    Jonas: Das sind sicherlich noch normale winterliche Bedingungen. Wenn Sie überlegen, 30 Zentimeter Schnee, das ist natürlich für Mittelgebirgslagen, für Hochgebirgslagen nichts Ungewöhnliches. Ein bisschen ungewöhnlich ist es deswegen, weil die Welt ein bisschen vertauscht ist. Der Süden Deutschlands, Bayern, Baden-Württemberg, die bekommen zum Teil sehr, sehr wenig Schnee ab, da wo eigentlich viel Schnee fällt, und der Schnee fällt eben überwiegend in der Mitte und im Norden. Das sind die Regionen, die tendenziell ein bisschen weniger Schnee abbekommen. Aber grundsätzlich ist die Situation für einen Winter nicht ungewöhnlich.

    Heinemann: Denn wir haben ja alle noch die Warnungen vor einer globalen Erwärmung im Ohr. Wetter hat mit Klima nichts zu tun?

    Jonas: Wetter hat mit Klima sehr viel zu tun. Klima wird aus Wetter gemacht, sage ich mal etwas salopp. Aber ein einzelnes Ereignis, daraus auf das Klima zurückzuschließen, das ist sicherlich nicht möglich. Dazu braucht man viele dieser Ereignisse, dazu muss man die gesamte Wetterentwicklung statistisch untersuchen. Und ein kalter Winter oder ein kaltes Winterwochenende macht sicher noch nicht die Klimaerwärmung rückgängig, die in aller Munde ist zurzeit.

    Heinemann: Martin Jonas, Diplom-Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Jonas: Bitte schön. Auf Wiederhören!