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Stuttgart 21
Noch teurer - und viel später fertig?

Das Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21" könnte zehn statt sechs Milliarden Euro kosten - weitaus mehr, als die Gegner befürchtet haben. Und der Bahnhof könnte drei Jahre später fertig werden als geplant. Die Fronten zwischen Bahn, Politik und Projektpartnern sind und bleiben verhärtet.

Von Uschi Götz und Dieter Nürnberger | 12.10.2016
    Stuttgart 21: Blick von oben auf die Grossbaustelle im Gleisfeld des Hauptbahnhofes.
    Stuttgart 21: Blick von oben auf die Grossbaustelle im Gleisfeld des Hauptbahnhofes. (picture alliance / dpa / Benjamin Beyteki)
    "Selbst wenn alle Kostenrisiken eintreten, bliebe Stuttgart 21 innerhalb des Finanzierungsrahmens in Höhe von 6,5 Milliarden Euro."
    6,5 Milliarden Euro soll der neue Stuttgarter Bahnhof offiziell kosten. Bahnchef Rüdiger Grube hat dies erst im September bei der Grundsteinlegung noch einmal bekräftigt. Die 6,5 Milliarden sind somit auch die Grundlage für die außerordentliche Aufsichtsratssitzung morgen in der Berliner Konzernzentrale, bei der mögliche Kostensteigerungen des Prestigeprojekts ganz oben auf der Tagesordnung stehen.
    Schon vor der Grundsteinlegung sickerte durch, dass der Bundesrechnungshof zu ganz anderen Zahlen kommt. Die Behörde in Bonn ist ein unabhängiges Organ der staatlichen Finanzkontrolle des Bundes - und sie hat gleich zwei Gutachten zu Stuttgart 21 verfasst. Sie sind offiziell noch nicht veröffentlicht, wurden aber bereits den zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages zugesandt. Die Berichte sind somit vielen Akteuren bekannt. Im Raum steht deshalb nun eine ganz andere Zahl - nämlich fast zehn Milliarden Euro. Diese Summe wird zwar von der Kontrollbehörde nicht bestätigt, aber ausdrücklich auch nicht dementiert. Martin Winter, Sprecher des Bundesrechnungshofes, sagt nur so viel:
    "Die optimistische Einschätzung der Bahn, was die Chancen und Kosten des Projekts angeht, die teilen wir nicht."
    Bahnchef Grube dementiert Mehrkosten
    Es wäre längst nicht die erste Kostensteigerung von Stuttgart 21. Als vor über 20 Jahren die erste Machbarkeitsstudie veröffentlicht wurde, war die Rede von rund 4,8 Milliarden Mark, also rund 2,4 Milliarden Euro. Später wurden daraus rund 3 Milliarden, dann 4,5 Milliarden. Und seit 2013 sind schließlich 6,5 Milliarden Euro der Maßstab. Damals entschied der Aufsichtsrat der Bahn, das Projekt trotz aller Kostensteigerungen weiterzuführen. Und daran wird bis heute festgehalten. Die aufgerundete Zehn-Milliarden-Euro-Prognose des Bundesrechnungshofes kennt natürlich auch Bahnchef Grube, doch bei der Grundsteinlegung im September wollte er davon nichts wissen.
    "Die zehn Milliarden, die da immer wieder genannt werden - wir können sie einfach nicht nachvollziehen. Ich bin schon sehr überrascht, dass solche Zahlen aufgestellt werden. Aber Zahlen hier nie abgefragt wurden."
    Der Bundesrechnungshof weist diese Vorwürfe zurück: Natürlich habe man die Deutsche Bahn AG in das Prüfungsverfahren mit einbezogen. Auch habe der Rechnungshof seine Feststellungen nicht aufgrund veralteter Unterlagen getroffen. Fazit: Die Vorwürfe des Bahnchefs seien für eine sachliche Diskussion "nicht hilfreich".
    Demonstration gegen Stuttgart 21
    Demonstration gegen Stuttgart 21 (dpa, picture alliance/Christoph Schmidt)
    Die Berichte des Bundesrechnungshofs haben für Aufregung gesorgt. Auch Alexander Dobrindt (CSU), der zuständige Bundesminister für Verkehr, musste sich äußern. Bislang waren knapp eine halbe Milliarde Euro an Bundesmitteln zugesagt. Wird es nun deutlich mehr? Dobrindt wiegelt ab. Die Bahn sei zwar ein bundeseigenes Unternehmen, doch mehr Geld gebe es nicht.
    "Es ist ja ein eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn. Das heißt, der Bund wird nicht für mögliche Mehrkosten mit einstehen. Um dies deutlich zu sagen: Falls es da zu Mehrkosten kommt, übernimmt der Bund davon nichts."
    Stimmung bei Weitem nicht mehr so konfrontativ
    Drei Staatssekretäre sitzen im 20-köpfigen Aufsichtsrat der Deutschen Bahn. Neben den Berichten des Bundesrechnungshofs wird morgen auch ein bestelltes Gutachten eines privaten Wirtschaftsprüfungsinstituts eine Rolle spielen. Bei weiteren Kostensteigerungen wäre Streit wohl vorprogrammiert. Weshalb längst auch über die Zukunft von Bahnchef Rüdiger Grube spekuliert wird. Denn spätestens bis Jahresende müsste der Aufsichtsrat seinen Vertrag verlängern. Stuttgart 21 als zu schwere Hypothek für den Bahnchef?
    "Wir sehen jetzt hier auf den Bahnhof, wir sehen auf diese Gänge die von der Bonatzhalle links rüber zum Querbahnsteig des Kopfbahnhofs führen und dadrunter wird sich die Baugrube entwickeln vom Bahnhalt."
    Wolfgang Kuebart und weitere Mitglieder der Stuttgart 21-kritischen Gruppe "Ingenieure22" führen eine Gruppe entlang der Großbaustelle mitten in der Stuttgarter Innenstadt. Die Stelle, wo künftig Züge in dem Durchgangsbahnhof unter der Stadt ankommen, ist mittlerweile von oben, dem Rand der Baustelle, gut zu erkennen. Von insgesamt 25 Abschnitten ist mit Bauabschnitt 16 der erste der neuen Bahnsteighalle bereits ausgehoben.
    Die Gegner erläutern während ihres Rundgangs um das spätere Areal des neuen Bahnhofsgeländes, wie die bereits gegrabenen Baugruben und die ausgeführten Bauarbeiten von Stuttgart 21 nach ihren Plänen künftig anders und sinnvoller genutzt werden könnten.
    Vertreter der Bahn hören sich mittlerweile die Argumente der Gegner an. Die Stimmung ist bei Weitem nicht mehr so konfrontativ wie noch vor ein paar Jahren.
    "Wir haben auch heute Gäste von der Bahn dabei und wenn irgendwelche Fragen sind, die wir möglicherweise anders darstellen, dann können wir eine Diskussion in der Richtung anfeuern und können zwei Seiten hören."
    Verschiebt sich die Inbetriebnahme um mindestens ein Jahr?
    Während die Gegner vom Ausstieg sprechen, erklärt Jörg Hamann, Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm, wie es in den nächsten Monaten weitergeht. Vor allem mit dem Bau der Bahnstrecke nach Ulm sei man schneller als geplant, sagt er:
    "Wir setzen allen Ehrgeiz dran, die Inbetriebnahme 2021 zu erreichen, das ist und bleibt unser Ziel."
    Bei der Sondersitzung des Bahnaufsichtsrates morgen wird es auch um den Termin der Fertigstellung gehen. Den Aufsehern werden neue Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und des Schweizer Ingenieurbüros Ernst Basler und Partner vorgestellt, aus denen die Süddeutsche Zeitung bereits Details erfahren hat. Ein Ergebnis ist: Die Inbetriebnahme des Bahnhofs verschiebt sich um ein Jahr, möglicherweise auch um mehrere Jahre. Nach Informationen der Zeitung bleiben allerdings die Kosten des Projekts mit 6,7 Milliarden Euro nahezu in dem Rahmen, von dem auch die Deutsche Bahn ausgeht. Sie fallen damit aber wesentlich geringer aus als es der Bundesrechnungshof mit seiner Zehn-Milliarden-Euro-Prognose kalkuliert hat.
    Stuttgart 21: Blick auf die Großbaustelle im Gleisfeld des Hauptbahnhofes
    Stuttgart 21: Blick auf die Großbaustelle im Gleisfeld des Hauptbahnhofes (picture alliance / dpa / Benjamin Beytekin)
    In Stuttgart möchte man sich im Vorfeld der Aufsichtsratssitzung nicht zu den neuen Gutachten äußern. Peter Sturm, Geschäftsführer der Projektgesellschaft, verantwortlich für den Bereich Risikomanagement, gab jedoch in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung zu Bedenken, dass der Bundesrechnungshof drei Jahre lang zumeist alte Unterlagen gelesen habe, darunter wohl einige im Kontext zu der zurückliegenden Aufsichtsratssitzung im März 2013.
    Auch Zweifel an der Risikokalkulation der Bahn, so wie sie das neue Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und das Schweizer Ingenieurbüro Ernst Basler und Partner formuliert haben, möchte Peter Sturm nicht kommentieren. Grundsätzlich aber gibt er aber zu bedenken:
    "Wir machen monatlich und quartalsweise Risikodurchsprachen, schauen uns alles an und bringen alles immer auf den aktuellen Stand und das ist kontinuierlich und das wird von verschiedenen Leuten gemacht. Wir haben da ein Sechs-Augen-Prinzip, auf jedes Thema schauen also drei Personen, schauen sich das ganz genau an. Das kann man natürlich nicht, wenn man letztendlich nur Unterlagen vorliegen hat, die der Aufsichtsrat hat, da ist man zu weit weg."
    Grüne halten mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg
    Rund 40 Kilometer Tunnel müssen für das Bahnprojekt noch gegraben werden. Dabei kommt es immer wieder zu neuen Überraschungen. Anfang September mussten die Bauarbeiten in Stuttgart-Untertürkheim unterbrochen werden. In 18 Meter Tiefe war es zu einem Wassereinbruch in einer Tunnelröhre gekommen. Dennoch geht die Projektgesellschaft davon aus, dass sie die Kosten im Rahmen halten kann.
    Einige Projektpartner sind davon nicht überzeugt. Bauherr von Stuttgart 21 ist zwar die Deutsche Bahn, allerdings sind die Region, der Flughafen Stuttgart, die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg ebenfalls finanziell an dem Projekt beteiligt.
    Gezwungenermaßen, denn die Grünen in Baden-Württemberg wollten vor allem den unterirdischen Durchgangsbahnhof verhindern. Nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten ließ Winfried Kretschmann im November 2011 darüber abstimmen, ob der Bahnhof gebaut werden soll. Mehrheitlich sprachen sich damals die Baden-Württemberger in einer Volksabstimmung für den Bau von Stuttgart 21 aus. Die Grünen wurden dadurch zum Mitmachen gezwungen.
    Allerdings halten die Grünen mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. Der grüne Landesverkehrsminister Winfried Hermann stellte im Sommer dieses Jahres fest:
    "2008 wollte man fertig sein, es sollte deutlich weniger kosten als heute. Insofern muss man sagen, es sind leider die schlimmsten Befürchtungen vieler Kritiker inzwischen eingetreten, und gleichwohl ist das Projekt jetzt ja so weit fortgeschritten. Und durch Volksabstimmung ist es ja auch nicht möglich gewesen, es zu stoppen, es gab keine Mehrheit für den Ausstieg."
    Auch die Projektgegner legten Ende 2015 ein Gutachten des Münchner Büros Vieregg und Rössler vor, das ähnlich wie der Bundesrechnungshof auf eine Gesamtsumme von nahezu zehn Milliarden Euro kommt.
    Land will keine Mehrkosten tragen
    Das Land werde nicht mehr als die vertraglich festgelegten rund 930 Millionen Euro bezahlen, betonte Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf dem Höhepunkt der Spekulationen über eine mögliche Kostenexplosion bei Stuttgart 21:
    "Das Volk hat gesprochen und daran ist die Landesregierung gebunden. Durch die Verträge, die die Vorgängerregierung beschlossen hat und deswegen tut die Landesregierung alles, damit das Projekt so gut und so schnell wie möglich verwirklicht wird und es gibt auch eine klare Maßgabe: Wir beteiligen uns finanziell wie vertraglich festgelegt an dem Projekt und darüber hinaus nicht."
    Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der Grünen-Politiker Winfried Kretschmann, spricht in Hamburg auf dem Bundesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen.
    Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Seine Grünen mussten Stuttgart 21 mit durchsetzen - wegen des Volksentscheids. (Jens Büttner, dpa)
    Unabhängig wie hoch die Kosten am Ende sein werden, schon heute fehlen zwei Milliarden Euro. Weil die Bahn im Jahr 2013 ihren Bedarf von 4,5 Milliarden auf rund 6,5 Milliarden erhöht hat. Mit Billigung des Aufsichtsrates. Und um diesen erhöhten Finanzrahmen dürfte schon bald gestritten werden.
    Konkret wird es um die Frage gehen: Wer bezahlt wie viel von den zwei Milliarden Euro? Einen Verteilungsschlüssel gibt es nicht, allerdings ist vertraglich festgehalten, dass im Falle einer Kostensteigerung verhandelt werden muss. Im Zusammenhang mit Stuttgart 21 ist in diesem Fall von einer Sprechklausel die Rede. Bahn und Land lassen jeweils Anwälte prüfen, wie der Finanzierungsvertrag zu deuten ist.
    Die Fronten in Stuttgart sind längst verhärtet
    Auch Fritz Kuhn, grüner Oberbürgermeister in Stuttgart, kündigte jüngst an, man werde im Rathaus einen Juristen einstellen, der sich nur um Stuttgart 21 kümmern wird. Kuhn versprach, man werde die Bahn unterstützen:
    "Unser Verwaltungshandeln, inklusive mein eigenes, ist aufs Gelingen aus, nicht auf das Scheitern."
    Doch das gilt für den Bau des Bahnhofs, bei den Mehr-Kosten endet der versöhnliche Tonfall. Erst recht bei der Landesregierung. Die CDU, Koalitionspartner der Grünen, muss dabei zähneknirschend mitmachen. Dabei stammt die Idee zu einem Durchgangsbahnhof unter Stuttgart ursprünglich von Christdemokraten aus dem Südwesten.
    In den Koalitionsverhandlungen von Grün-Schwarz geriet das Thema beinahe zur Zerreißprobe. Doch am Ende hatten sich die Grünen durchgesetzt. Das Ergebnis der Volksabstimmung aus dem Jahr 2011 sei bindend, heißt es nun im Koalitionsvertrag. Und weiter:
    "Das Land unterstützt die planmäßige und zügige Umsetzung des Projekts. Das Land Baden-Württemberg steht zum Finanzierungsvertrag von Stuttgart 21 und beteiligt sich mit einem Zuschuss entsprechend den Regelungen im Finanzierungsvertrag. (..) Dabei hält das Land in den Sprechklauselgesprächen am Ziel fest, dass über die im Vertrag genannten Kostenanteile in Höhe von 930,6 Millionen Euro hinaus von Seiten des Landes keine Zahlungen zu leisten sind."
    Doch es geht um mehr. Zwei Milliarden Euro sind noch offen und sollen nach dem Willen der Bahn auf die Projektpartner verteilt werden. Verwaltungsjuristen gehen jedoch mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon aus, dass sich die Projektpartner an den Mehrkosten beteiligen müssen. Der Vertrag gebe einen Ausstieg nicht her, eine Sprechklausel sei nicht als Kostendeckel zu verstehen, heißt es vonseiten der Juristen. Die Fronten in Stuttgart sind längst verhärtet.
    "Man kann jetzt nicht so tun, als seien Eidechsen vom Himmel gefallen"
    Und die Geduld der Grünen scheint langsam aufgebraucht. Vor allem wenn die Bahn Mehrkosten mit den überraschenden Funden von Zauneidechsen entlang der künftigen Bahnstrecke begründet. Diese mussten und müssen wohl auch künftig in aufwendigen und teuren Verfahren umgesiedelt werden. Beim Thema Eidechsen endet aber ausgerechnet der sonst moderate Ton des grünen Regierungschefs. Er sei es gewesen, der im Schlichtungsverfahren auf die Eidechsen hingewiesen habe, so Kretschmann:
    "Es ist hingewiesen worden von uns Gegnern damals, dass das Projekt teurer wird. Jetzt gibt es einen Puffer für unvorhergesehene Maßnahmen, der ist ja nicht unerheblich, auch das ist klar. Das heißt, es liegt in der Verantwortung der Bahn, alle anderen Dinge sind vorhersehbar gewesen. Kann man jetzt nicht so tun, als seien Eidechsen vom Himmel gefallen."
    Es geht aber nicht nur um vorhersehbare Kosten und finanzielle Risiken. In dem Streit um das Stuttgarter Bahnprojekt geht es auch um die Aufsichtsrolle des zuständigen Bundesverkehrsministeriums. Auch damit hat sich der Bundesrechnungshof befasst, und auch hier fällt die Bilanz nicht überzeugend aus - Martin Winter, Sprecher der Kontrollbehörde:
    "Was der Bund macht, so haben wir festgestellt: Er versäumt es, seine Kontrollpflichten wahrzunehmen - gegenüber den Bauarbeiten, gegenüber auch der Gesamtfinanzierung."
    Der Rechnungshof hat genau nachgezählt: Jene rund 500 Millionen Euro, die bisher als Bundeszuschüsse für Stuttgart 21 vorgesehen waren, seien nicht nachvollziehbar. Es seien vielmehr rund 1,6 Milliarden Euro, die als "unmittelbare und mittelbare haushaltsrelevante" Etatposten für das Projekt aufgeführt seien. Zudem sei die bisherige Veranschlagung der Bundesmittel in verschiedenen Sammeltiteln nicht transparent. Konkret heißt dies: Es gibt keinen eigenen Etatposten für Stuttgart 21 im Bundeshaushalt, es fließt wohl auch Geld, was der Öffentlichkeit bislang so nicht bekannt war.
    Hat Pofalla seine guten Beziehungen spielen lassen?
    Matthias Gastel sitzt für die Grünen im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags. Er kritisiert schon seit Längerem, dass das Parlament nur unzureichend über verwendete Finanzmittel für Stuttgart 21 unterrichtet wird. Die Feststellung des Rechnungshofs über Intransparenz bei der Finanzierung durch Bundesmittel sei mehr als berechtigt.
    Gastel erwähnt in diesem Zusammenhang auch die jüngste Finanzspritze für den Bahnkonzern. Ende September kündigte die Bundesregierung ein zusätzliches Finanzpaket an. Durch Verzicht auf Dividendenerlöse und eine Eigenkapitalaufstockung wären dies 2,4 Milliarden Euro bis 2020. Geld, das der finanziell angeschlagene Konzern gut gebrauchen kann. Matthias Gastel findet zumindest den Zeitpunkt der Entscheidung verdächtig:
    "Dass ausgerechnet wenige Tage, nachdem der Bundesrechnungshof gesagt hat, er geht davon aus, dass Stuttgart 21 teurer wird - weil da eben Risiken unterschätzt wurden seitens der Deutschen Bahn - dass dann wenige Tage später plötzlich der Bund kommt und sagt, wir geben Euch 2,4 Milliarden Euro. Das ist ja schon auffällig."
    Ganz konkret vermutet Grünen-Politiker Matthias Gastel, dass hier Bahn-Vorstand Ronald Pofalla seine guten Beziehungen hat spielen lassen. Der frühere Kanzleramtsminister sitzt seit Mitte 2015 in der Unternehmensspitze. Sein Wechsel von der Politik in das bundeseigene Unternehmen hatte durchaus für einigen Wirbel gesorgt. Als Kanzleramtsminister hatte Pofalla ein besonderes Verhältnis zu Stuttgart 21, sagt Gastel:
    "In dieser Funktion hat er darauf Einfluss genommen, dass der Aufsichtsrat - in dem ja auch Mitglieder der Bundesregierung sitzen - im Jahr 2013 entscheiden hat, am Weiterbau festzuhalten. Obwohl wegen des Kostenanstiegs die Wirtschaftlichkeit nicht mehr oder, wenn überhaupt, dann nur noch äußerst knapp gegeben gewesen ist."
    Ronald Pofalla steht  im Emmericher Bahnhof vor einer Fahrplantafel.
    Zukünftiger Bahn-Vorstand? Ex-CDU-Politiker Ronald Pofalla. (dpa / picture alliance / Endermann; Andreas)
    Von vielen Bahnexperten wird ausgerechnet Ronald Pofalla inzwischen als heißer Kandidat für eine mögliche Nachfolge von Bahn-Vorstandschef Rüdiger Grube gehandelt. Auch Claus Weselsky, der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, sieht das so:
    "Für den derzeitigen Vorstand Herrn Pofalla spricht einiges. Er ist exzellent vernetzt in der Politik. Die Bahn ist im Eigentum des Bundes. Die Frage, ob Herr Pofalla der Kronprinz ist, würde ich nie beantworten wollen. Man hat aber erlebt, wie schnell man auf der Vorstandsebene plötzlich nicht mehr notwendig ist. Herr Kefer war ein paar Jahre dabei, jetzt ist er derjenige, der hier den Sündenbock abgibt. Wenn Stuttgart 21 platzen sollte, hat man jetzt schon denjenigen, der schuld ist."
    Wer zahlt? Darauf gibt es bisher keine Antwort
    Volker Kefer, im Bahnvorstand bislang zuständig für Infrastruktur und Netz und auch Stellvertreter von Bahnchef Rüdiger Grube, musste im Juni dieses Jahres seinen Rückzug aus dem Konzern ankündigen. In dieser Funktion war er auch für Stuttgart 21 zuständig gewesen. Die Entscheidung fiel rund um die letzte Aufsichtsratssitzung der Deutschen Bahn.
    Nicht zuletzt aufgrund der jüngsten Berichte des Bundesrechnungshofs bleiben Fragezeichen bei der Finanzierung von Stuttgart 21. Doch wer zahlt, wenn es wieder mal teurer wird? Darauf geben bisher weder die Bahn noch die Bundesregierung eine Antwort.