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Stuttgart 21
Teurer Umzug für Eidechsen

Die Umsiedlung von seltenen Tierarten verursacht immer wieder hohe Kosten und verzögert Bauprojekte. Unter anderem davon betroffen: die neue Bahntrasse von Stuttgart nach Ulm und das Bahnprojekt Stuttgart 21. Rund um die Stadt und die Trasse müssen deshalb Tausende Zauneidechsen umgesiedelt werden.

Von Uschi Götz |
    Stuttgart 21-Gegner demonstrieren in Stuttgart vor einem Bautor, im Hintergrund ist der Südflügel des Hauptbahnhofes zu sehen. file_source: picture alliance / dpa / ranziska Kraufmann
    Nicht nur Proteste, auch Eidechsen und Käfer halten den Bau von Stuttgart 21 immer wieder auf. (dpa / picture alliance / Lino Mirgeler)
    Den Blick auf den Boden gerichtet und mit langsamen Schritten, zwei Reptilienexperten sind so entlang einer Bahnlinie nahe dem baden-württembergischen Wendlingen unterwegs. Sie suchen nach Zauneidechsen. Die Tiere müssen umziehen, denn durch ihr jetziges Revier wird die neue ICE-Trasse zwischen Stuttgart und Ulm verlaufen.
    "Die Kollegen laufen die Strukturen ab und gucken, ob sie Eidechsen finden, die sich sonnen. Und die Tiere, die sich sonnen, werden dann abgefangen."
    Seit Tagen sind Sandra Panienka und ihr Team eines Mannheimer Unternehmens auf der Suche. Rund 200 Zauneidechsen haben die Reptilienexperten bereits eingesammelt; die Tiere werden entweder mit der Hand oder einer Art Angel gefangen:
    "Da haben wir so eine Schlinge drin, die zieht sich zu, sobald man dran zieht und die Schlinge stülpt man der Eidechse ganz langsam über den Kopf, dass die das nicht mitkriegt und zieht die dann zu, da passiert der Eidechse nichts und steckt sie dann hier in das Säckchen rein und macht die Schlinge wieder auf, das Säckchen schnell zu, damit die nicht wieder abhaut. Und dann hat man seine Eidechse."
    Es geht nicht nur ums Umziehen
    Die junge Mitarbeiterin möchte ihren Namen nicht nennen, unter Tierschützern sind die Fangmethoden von Eidechsen umstritten.
    Das Umzugsgeschäft mit den Eidechsen boomt. In der Nähe von Wendlingen müssen rund 250 Tiere gefangen werden. Rund um Stuttgart sind es Tausende.
    Der Eidechsenumzug ist dem Bahnprojekts Stuttgart 21 geschuldet. Eng verbunden mit diesem Projekt ist auch der Neubau einer ICE Strecke von Stuttgart nach Ulm.
    "Für die Umsiedlung einer einzelnen Eidechse kalkulieren wir rund 3.000 Euro."
    Denn, so Projektsprecher Jörg Hamann: "Wir müssen hier, erstens, die Flächen ausspähen, die geeignet sind, die artenschutzrechtlichen Bedingungen für die Umsiedlung zu erfüllen. Diese Flächen müssen in der Regel dann artgerecht präpariert werden. Die müssen entweder gepachtet oder gekauft werden. Dann müssen die Flächen, in denen die Eidechsen ursprünglich gelebt haben, so gesichert werden, dass nicht wieder erneut Eidechsen sich ansiedeln, weil dann könnte man das ganze Verfahren wieder von vorne beginnen."
    Hohe Kosten und längere Bauzeit
    Auf rund 15 Millionen Euro belaufen sich nach Angaben der Bahn die Umsiedlungskosten der Eidechsen an den verschiedenen Standorten. Außerdem verzögere der Artenschutz den Baufortschritt im Albvorland um etwa 18 Monate.
    Nicht das erste Mal behindert der Artenschutz den Weiterbau des Tiefbahnhofs und der Schnellbaustrecke. Der Juchtenkäfer aus dem Stuttgarter Schlossgarten wurde für viele Projektbefürworter zum Synonym für ausufernden Naturschutz.
    Für den Käfer wurden mittlerweile neue Bäume gepflanzt, eine Auflage, um die alten Bäume roden zu können. Der Artenschutz in Deutschland ist im Bundesnaturschutzgesetz geregelt. Naturschützer sprechen schon lange von einer Biodiversitätskrise, das heißt, immer mehr Pflanzen und Tiere verschwinden – häufig in Kettenreaktionen, weil die Existenz der einen Art von der anderen abhängt. Das gilt vor allem für Vögel und Insekten. Auch Mauer- und Zauneidechsen zählen zu den besonders schützenswerten Tieren, die vom Aussterben bedroht sind.
    Artenschutz zur Wahrung der Biodiversität
    Christine Fabricius vom BUND Baden-Württemberg relativiert deshalb die auf den ersten Blick eindrücklich hohen Kosten für den Artenschutz. Selbst wenn es 20 Millionen würden.
    "Dann sind wir dennoch bei ein Prozent der Gesamtkosten, die für den Artenschutz aufgewendet werden müssen."
    Auch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich mehrfach unbeeindruckt von den Millionenbeträgen für die Eidechsen. Bereits im Schlichtungsverfahren hätten Gegner wie er schon auf die Eidechsen entlang der Schienen aufmerksam gemacht, sagte Kretschmann:
    "Das heißt, es liegt in der Verantwortung der Bahn. Für unvorhergesehene Dinge gibt es den Puffer, alle anderen Dinge sind vorhersehbar gewesen. Kann man jetzt nicht so tun, als seien die Eidechsen vom Himmel gefallen."