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Styropor im Hausmüll
Recyclingfähig oder nicht?

Beim Mittagessen vom Imbiss oder beim neuen Fernseher: Styroporverpackungen kommen vielfach zum Einsatz. 20 Prozent landen jedoch im Gelben Sack oder der Gelben Tonne – und werden so nicht wiederverwertet. Das Material gilt deswegen als nicht-recyclingfähig, obwohl die Wiederverwertung möglich wäre.

Von Annette Eversberg | 27.02.2019
Auch in Kantinen kommen Verpackungen aus Styropor zum Einsatz, etwa zum Transport von Essen
Auch in Kantinen kommen Verpackungen aus Styropor zum Einsatz (Sina Fröhndrich/Deutschlandradio)
Man kann das Material schon am Ton erkennen, wenn man es schneidet oder mit den Händen biegt. Dann wenn man den Fön oder auch den Kühlschrank aus seiner Verpackung befreit. Styropor - auch airpop genannt - gilt als stabile Verpackung für Geräte aller Art, sogar für Isolierbehälter, in denen Medikamente und Organe transportiert werden und seine Herstellung klingt ein bisschen nach Popcornmachen:
"Das ist ein Kunststoff. Und es wird als Granulat über heißem Wasserdampf expandiert. Deshalb auch der Name EPS - Expandiertes Polystyrol. Und dann verkleben die Perlen, sind dann angewachsen auf ein Vierfaches des ursprünglichen Granulats, und bestehen am Ende dann ausschließend aus 98 Prozent Luft etwa und 2 Prozent Kunststoff", sagt Mara Hancker, Sprecherin der Fachgruppe airpop der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen in Bad Homburg.
Und sie nennt die Vorzüge von airpop-Verpackungen, bei denen es immerhin seit 2015 ein Wachstum von 13,8 Prozent gegeben hat.
"Das ist nämlich die besondere Stoßfestigkeit, auch die Unempfindlichkeit beim Fall. Da wirkt das Material im Grunde wie eine Knautschzone im Auto. Es isoliert ganz hervorragend. Und das Material ist auch für den Lebensmittelkontakt zugelassen. Das ist dann wichtig, wenn also der Frischfisch transportiert wird, meistens aus den skandinavischen Ländern, dann aber auch hier in Deutschland gerne auf den Tisch kommt."
Styropor wird nur teilweise recycelt
Derzeit werden 80 Prozent aller airpop-Verpackungen als Werkstoff wiederverwertet. So wie es das Verpackungsgesetz vom 1. Januar 2019 vorgibt. Es verlangt von Kunststoffverpackungen, schon vom Design her so beschaffen zu sein, dass sie leichter als bisher recycelt werden können. Außerdem sollen auch neue Produkte schon einen Recyclinganteil oder auch nachwachsende Rohstoffe enthalten. Das Ziel ist, bis 2022 90 Prozent aller Kunststoffprodukte wiederzuverwerten. Für das Recyceln von Airpop gibt es entsprechende Verfahren in den Niederlanden, aber auch in Deutschland.
Dennoch kämpft die Styropor-Branche derzeit um die Anerkennung der Recyclingfähigkeit ihrer Produkte. Denn rund 20 Prozent aller Styropor-Verpackungen oder Füllmaterial landen im Gelben Sack beziehungsweise der Gelben Tonne und werden nicht wiederverwertet. Und Gunda Rachut, Chefin der neugeschaffenen Zentralen Stelle "Verpackungsregister" und zuständig für die Einstufung von Materialien, muss nach anderen Richtlinien urteilen.
"Styropor wird nicht aussortiert und wird auch nicht einem Recyclingverfahren zugeführt. Das ist eine Vorschrift, die das Gesetz macht. Und insofern ist es konsequent, dieses dann als nicht recyclingfähig einzustufen."
Einstufung von Airpop als nicht recyclingfähig
Nicht recyclingfähig. Dieses Urteil droht jetzt die gesamte airpop-Produktion zu treffen. Denn nach dem neuen Verpackungsgesetz gilt ein Material nur als recyclingfähig, wenn in der Praxis auch tatsächlich auch alles recycelt werden kann.
"Nicht recyclingfähig" bedeutet aber für Hersteller von Verpackungen: Sie müssen deutlich höhere Pflichtbeiträge an die Unternehmen des Dualen Systems zahlen, die im gesetzlich festgelegten Abfallkreislauf deren Entsorgung übernehmen. Dagegen wehrt sich Industrievertreterin Mara Hancker, denn:
"Es gibt Möglichkeiten der Verwertung, wir sehen das im Baubereich, es gibt Möglichkeiten, das Material auch chemisch zu recyceln oder rohstofflich zu recyceln - da gibt es auch mittlerweile unterschiedliche Verfahren in Europa, aber auch Kanada, die wir testen-, aber es steht und fällt eben mit der Sortierung aus dem gelben Sack."
Fehlende Sortierung aus dem Gelben Sack als Problem
Denn die funktioniert noch nicht. Dabei sieht Zentralstellenchefin Gunda Rachut durchaus das Dilemma der Styropor-Hersteller: "Der Hintergrund, warum es nicht aussortiert wird, ist in der Regel, dass es eine zu geringe Menge ist, so dass es nicht wirtschaftlich ist, separate Sortieraggregate zu betreiben."
Allerdings sieht Industrievertreterin Hancker hier nicht die Hersteller von airpop, sondern die Entsorger am Zuge. Die müssten die entsprechenden Strukturen für die Aussortierung aus den gelben Tonnen oder Säcken schaffen:
"Da gilt es einfach anzusetzen mit denen, die hier Einfluss nehmen könnten, das sind die Sortierer, aber auch die Verarbeiter und die Verwender, die hier zusammen kommen, um Lösungen zu entwickeln."
Ein Weg ist die Wertstofftonne, in der auch Styropor gesammelt werden könnte. Doch die hat sich bisher in wenigen Kommunen durchgesetzt. Das Sammeln durch den Verbraucher oder die Rücknahme durch den Händler wären weitere Wege, auch die letzten 20 Prozent airpop-Verpackungen noch zu recyceln. Gelänge das, könnte die Einstufung von Styropor als nicht recyclingfähig wieder rückgängig gemacht werden, betont Gunda Rachut von der Zentralstelle Verpackungsregister. "Sobald eine Verpackung dann doch aussortiert und recycelt wird, wird sie auch entsprechend eingestuft."