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Sudan-Expertin: Situation in Dafur nach Friedensabkommen verschärft

Die Sudan-Expertin Marina Peter macht die sudanesische Regierung für die jüngsten Kämpfe in der Region Dafur verantwortlich. Nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens durch nur eine Rebellengruppe habe sich die Lage dramatisch verschärft. Die Kämpfe zwischen denen, die nicht unterschrieben haben und der Regierung hätten sich seit der Unterzeichnung eher zugespitzt.

Moderation: Klaus Remme |
    Klaus Remme: Seit Jahren reden wir über die humanitäre Katastrophe in der sudanesischen Region Darfur, seit Beginn des Konfliktes im Jahr 2003 kamen etwa 200.000 Menschen ums Leben, zweieinhalb Millionen wurden vertrieben. Eine Militärmission der afrikanischen Union hat daran nichts geändert, auf einem Sondergipfel in Addis Abeba hat UN-Generalsekretär Kofi Annan jetzt persönlich verhandelt, ein neuer Friedensplan ist da und ein konkretes Ziel: Die Militärmission soll abgelöst werden durch einen multinationalen UN-Einsatz, deutsche Beteiligung nicht ausgeschlossen. Doch noch während man in Äthiopien verhandelt gibt es Meldungen über neue Kämpfe. Am Telefon ist Marina Peter, die Leiterin des Netzwerkes "Sudan Focal Point Europe", ich grüße Sie Frau Peter.

    Marina Peter: Guten Morgen Herr Remme.

    Remme: Sagen Sie uns kurz, wer ist Bestandteil dieses Netzwerkes?

    Peter: Das Netzwerk besteht hauptsächlich aus Nichtregierungsorganisationen die im Sudan tätig sind. Das ist ein internationales Netzwerk. Es sind auch beteiligt Kirchen, Kirchenräte, auch der Weltkirchenrat ist dabei.

    Remme: Und was machen Sie?

    Peter: Wir machen eigentlich hauptsächlich politische Analyse der Vorgänge und versuchen dann entsprechend Lobbyarbeit zu machen, alles ausgerichtet auf Frieden und Menschenrechtsarbeit.

    Remme: Frau Peter, ist für Sie klar, wer für die Situation in Darfur die Hauptverantwortung trägt?

    Peter: Wir haben das große Problem in Darfur, dass eigentlich die Lage so kompliziert ist, dass man teilweise gar nicht mehr sagen kann, wer für was verantwortlich ist, aber man muss ganz sicher sagen, dass die Regierung verantwortlich ist für die jüngste Eskalation.

    Remme: Die sudanesische Regierung?

    Peter: Ja, natürlich die sudanesische Regierung. Nach Unterzeichnung des Friedensabkommens, was ja nur eine Rebellengruppe unterschrieben hat, hat sich die Lage dramatisch verschärft und die Kämpfe zwischen denen, die nicht unterschrieben haben und der Regierung haben sich so zugespitzt, dass wir eine Situation haben, die viel schlimmer ist als vor Unterzeichnung dieses partiellen Friedensabkommens.

    Remme: Frau Peter, ich habe die Opferzahlen erwähnt, worum geht es in diesem Konflikt? Geht es um wirtschaftliche Interessen?

    Peter: Wirtschaftliche Interessen spielen eigentlich erst mal eine etwas untergeordnete Rolle, obwohl man vermuten kann, dass auch in Darfur, wie im Rest des Sudan, relativ viel Öl liegt. Es geht eigentlich darum, wie bei allen Konflikten im Sudan, dass sich die Menschen in Darfur ausgeschlossen fühlen von politischer Teilhabe. Und das hat sich besonders bemerkbar gemacht nach der Unterzeichnung des Friedensabkommen mit dem Süden vor zwei Jahren, als die sich ausgeschlossen fühlten und sie gesagt haben, wir müssen auch beteiligt werden, wie andere an der Regierung.

    Remme: Warum war dieser Einsatz der afrikanischen Union bisher so erfolglos?

    Peter: Die Situation in Darfur ist sehr schwierig. Darfur ist so groß wie Frankreich und die AU-Truppe ist eine relativ kleine Truppe. Wir haben jetzt erst ungefähr 7000 stationiert und die Zugänge sind sehr schwierig und die Arbeit ist immer wieder behindert worden, sowohl von Rebellenseite wie auch von Khartoum-Seite und es ist fast kaum möglich in einer Größe dieses Landes, dieses Gebietes von Darfur, Frieden mit so wenigen Leuten zu schaffen und eine Truppe kann sowie keinen Frieden schaffen.

    Remme: Wenn das so ist, sehen Sie dann auch die Sache skeptisch, wenn jetzt über einen UN-Einsatz gesprochen wird?

    Peter: Also ich persönlich stehe auf dem Standpunkt, wie ich eben schon sagte, dass eine Truppe alleine sowieso keinen Frieden schaffen kann, das haben wir ja auch in anderen Gebieten der Welt schon gesehen. Was dringend erforderlich ist, sind Neuverhandlungen, Weiterverhandlungen für den Friedensvertrag, der ja gescheitert ist. Das ist auch Teil der Verhandlung gestern in Addis Abeba gewesen und wir brauchen natürlich als erstes erst mal einen Waffenstillstand. Den gibt es ja auch nicht.

    Remme: Aber würde denn die Tatsache, dass diese Truppe erweitert wird, jetzt um Teilnehmer aus zum Beispiel Europa, der Europäischen Union, diesen Einsatz verändern und die Erfolgsaussichten vergrößern?

    Peter: Auf jeden Fall ist es immer zu begrüßen, wenn es eine größere Truppenstärke gibt. Wir müssen sehen, den Zeitpunkt. Es ist ja ungewöhnlich, dass wahrscheinlich die sudanesische Regierung jetzt zustimmt, diesem Plan, eine gemeinsame Truppe zu stellen. Das ist ein Zeitpunkt, nach dem ganz viel Fakten vor Ort wieder verändert worden sind, weil es riesengroße Angriffe gegeben hat, insbesondere auch im Norden Darfurs. Und die Frage ist, kommt die Truppe nicht in einem Moment, wo wieder sozusagen die Politik der verbrannten Erde fast schon wieder abgeschlossen worden ist. Aber natürlich ist die große Hoffnung, dass es gelingen wird, wenigstens mehr Menschen hier zu schützen, was bisher nie gelungen ist.

    Remme: Sie kennen die Lage vor Ort, Frau Peter. Wie gefährlich wäre denn ein solcher Einsatz zum Beispiel für Bundeswehrsoldaten?

    Peter: Es kommt ganz darauf an, wie ich eben schon sagte, wie ist der politische Begleitprozess. Wenn es gelingt, dass es gleichzeitig einen weiteren Friedensprozess gibt und dann vielleicht alle unterschreiben, wird es, sagen wir mal, ein normales Risiko sein. Wenn das nicht gelingt, wir haben in der Vergangenheit viele Übergriffe gehabt, auch direkt gegen die Soldaten der AU, dann wäre natürlich die Gefahr weiterhin gegeben.

    Remme: Sie sagen, die Truppen, die werden nicht weit kommen bei diesem Problem, wenn es um Fortschritte geht. Wie kann die Region Darfur dann befriedet werden Ihrer Vorstellung nach?

    Peter: Wir brauchen einen breit angelegten Prozess erstmal der Aussöhnung bei der Bevölkerung selber, weil die sind untereinander inzwischen sehr, sehr zerstritten. Wir haben auch bei den Rebellen viele Spaltungen und diese Spaltungen müssen überwunden werden, sonst wird es nicht zur Befriedung kommen. Wir haben auch Banditentum inzwischen und wir brauchen vor allen Dingen eine Lösung für die so genannten Janjaweed, die Milizen, die Reitermilizen, die einen Großteil der blutigen Arbeit, sage ich mal, machen. Da hat sich Sudan immer wieder verpflichtet, diese Janjaweed zu entwaffnen. Das ist bis heute nicht passiert. Wenn dieses nicht passiert, eine umfassende Entwaffnung und eine umfassende Friedenslösung, ich kann das nur nochmals betonen, dann wird das nichts werden. Und was wir auch brauchen: Wir brauchen ganz dringend von Seiten der internationalen Gemeinschaft endlich, dass sie mit einer Stimme spricht, denn leider ist es bisher so, dass die internationale Gemeinschaft etwas gespalten ist in ihren Ansätzen.

    Remme: Ich habe es aber immer noch nicht ganz verstanden, wenn Sie von Entwaffnung reden oder davon, diesen blutigen Tätern, den Janjaweed, Einhalt zu gebieten, wie anders soll das geschehen als durch Gewalt?

    Peter: Ich glaube nicht, dass das mit Gewalt passieren kann. Ich kann mir nur das so vorstellen, dass wir die Grundlage wirklich haben eines neu ausgehandelten Friedensvertrages und dann in dem Zusammenhang wird ja auch über Entwaffnung und ähnliche Dinge gesprochen werden und dann kann es passieren. Wir haben ja solche Abkommen, solche Verpflichtungen vorher schon gehabt. Die haben wir schon seit fast zwei Jahren und es ist überhaupt nichts passiert und eine, sagen wir mal eine gewaltsame Entwaffnung, die wird dann tatsächlich auch sicherlich Opfer auf Seiten der internationalen Truppen zur Folge haben.

    Remme: Und wie soll dieser Versöhnungsprozess, von dem Sie gesprochen haben, befördert oder initiiert werden?

    Peter: Es gibt jetzt inzwischen schon Überlegungen. Eritrea hat zum Beispiel angeboten, sich für die Verhandlungen zur Verfügung zu stellen, auch der Senegal, auch Ägypten, Libyen. Wir müssen in diesem Fall Darfur immer die ganze Region im Blick haben, weil Sie wissen ja sicherlich, auch im Tschad ist inzwischen der Ausnahmezustand ausgerufen worden wegen der Situation, die einen Spill-over-Effekt von Darfur hat. Wenn wir einen Platz haben, wo Friedensverhandlungen wirklich neu aufgenommen werden können, dann denke ich auch, wird das funktionieren.