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Sudan
Opposition aus 6.500 Kilometern Entfernung

Adam Baher verließ den Sudan 2008 aus Angst vor einer Verhaftung wegen seines politischen Engagements. Seitdem begleitet der Exilaktivist die Situation in seinem Heimatland und macht in Deutschland mit Protesten mobil. Doch Reaktionen von der internationalen Gemeinschaft oder der Bundesregierung blieben bislang so gut wie aus.

Von Lea Fauth | 17.04.2019
Proteste der sudanesischen Exilaktivisten in der Nähe der sudanesische Botschaft in Berlin.
Proteste der sudanesischen Exilaktivisten in der Nähe der sudanesische Botschaft in Berlin. (Deutschlandradio / Lea Fauth)
"Ich bin immer stolz, dieses Video zu sehen. Sie singt dieses Lied, und sie sagen zwischendurch: "Soura". "Soura" ist Revolution."
Adam Baher lächelt, als er auf seinen Handybildschirm blickt. Die skandierende Frau, die die Menge zum Protest auffordert, steht auf dem Dach eines Autos und gestikuliert rhytmisch.
Seit Monaten protestieren die Menschen im Sudan friedlich gegen die Diktatur von Omar Al Bashir, singend und klatschend. Angefangen hat es mit Brot- und Grundnahrungsmittelpreisen, die sich im Winter verdreifacht hatten. Viele Menschen hatten nichts mehr zu Essen. Doch mittlerweile geht es um viel mehr.
"Erstmal ist diese Regierung eine Muslimbruder-Regierung. Das wollen wir nicht, weil wir haben schon alles gesehen, was passiert wenn die Muslimbrüder an die Macht kommen. Die Leute haben schon gesehen, dass es nicht nur um Brot geht. Sie brauchen mehr Freiheit, mehr Demokratie, die brauchen mehr Menschenrechte."
Baher selbst verbindet mit der Herrschaft von Omar Al Bashir eine traumatische Familiengeschichte. Der 36-Jährige kommt aus der Region Darfur, wo seit 2003 rund 300.000 Menschen ermordet wurden. Auch sein Onkel starb.
Proteste gegen Al Bashir aus der Ferne
Als junger Student schließt Baher sich der Rebellengruppe "Justice and Equality Movement" an, auf deutsch: Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit. Sie agiert gegen das totalitäre Regime.
"Danach hat die Regierung dann versucht richtig große Festnahme zu machent. Und da zum Beispiel war ich einer von den Menschen, die der Regierung bekannt waren. Und viele Leute wurden schon festgenommen und für Jahre ins Gefängnis gesteckt. Und das ist ein Grund, warum ich den Sudan 2008 verlassen habe."
Der sudanesische Exilaktivist Adam Baher.
Der sudanesische Exilaktivist Adam Baher. (Deutschlandradio / Lea Fauth)
Adam Baher arbeitet in Berlin als Trainer für politische Bildung. Die Proteste gegen Al Bashir versucht er zumindest aus der Ferne zu unterstützen. Seit Dezember versammeln er und andere Exilaktivisten sich immer wieder vor dem Brandenburger Tor um auf die Situation im Sudan aufmerksam zu machen. Sie beklagen über sechzig Menschen, die seitdem von der Polizei erschossen wurden. Und sehen die internationale Gemeinschaft in der Pflicht.
Frauenstimme auf Demo:
"Verurteilen Sie aufs Schärfste die Praktiken der sudanesischen Sicherheitskräfte und den Einsatz von scharfer Munition gegen friedliche Demonstranten. Fordern Sie die sudanesische Regierung auf, die sudanesische Bevölkerung zu respektieren, und den Weg für einen friedlichen Übergang zu Demokratie und Rechtsstaat zu ebnen."
Adam Baher: "In Sudan hat die Polizei von Deutschland Ausbildung bekommen. Deutschland hat die Polizei von Sudan trainiert, um die Grenzen zu schützen. Aber die töten heute die Menschen auf der Straße. Viele labern über Fluchtursachen und blabla, aber die müssen auch die Hauptsache machen, die Kooperation stoppen. Einfach, die Regierung nicht weiter zu stützen, diese Polizei von Sudan nicht weiter auszubilden, die jetzt mit Waffen auf der Straße schießt."
Aus Deutschland kaum Reaktionen
Doch aus Deutschland kamen bisher kaum Reaktionen. Adam Baher und die anderen Mitstreiter kämpfen um Öffentlichkeit. Sie bereiten Flyer vor und laden Videos von Protesten im Internet hoch, die ihnen von Freunden aus Sudan zugeschickt werden. Baher erzählt, dass die Bewegung hauptsächlich säkular sei.
"Die Mehrheit von den Menschen im Sudan sind Muslime. Dann ist klar, Islam spielt eine Rolle. Aber die jungen Leute in den Straßen sagen immer: Wir brauchen keine religiöse Regierung, wir müssen eine klare Trennung haben zwischen Religion und Politik."
Der sudanesische Präsident Omar al-Baschir
Der zurückgetretene sudanesische Ex-Präsident Omar al-Baschir (AFP / Ashraf Shazly)
Am 11. April tritt Omar Al Bashir zurück. Ein historischer Moment: 1989 war er durch einen Putsch an die Macht gekommen, und regierte seitdem autoritär. Wegen Völkermords wurde vom internationalen Gerichtshof ein Haftbefehl gegen ihn erlassen. Nun scheint sein Regime am Ende.
Doch was danach kommt, gibt Baher und seinen Mitstreitern vorest keinen Grund zur Freude. Denn das Militär versucht, die Macht zu übernehmen. In der Hauptstadt Khartum belagern Demonstranten seit Tagen das Hauptquartier der Armee. Auch in Berlin stellt sich an einem kalten Samstagmittag eine Gruppe gegenüber der sudanesischen Botschaft auf.
Demonstrantin: "Eigentlich feiern wir nicht, dass Al Bashir geht, weil wir sind gegen das ganze System. Und wenn Al Bashir weg ist, und das System bleibt, dann heißt, dass, das wir nichts geschafft haben."
Adam Baher: "Ich finde es richtig interessant, dass während der jetzigen Proteste mehr als 60 Leute getötet wurden, dass die Proteste aber weiter friedlich blieben. Das ist krass. Aber die Angst vor der weiteren Entwicklung ist da. Es könnte umschlagen. Ich hoffe, so weit kommt es nicht. Aber um es zu verhindern, braucht es ein bisschen mehr Druck von der internationalen Gemeinschaft."
Für Baher ist es schwer, so weit weg zu sein, während die Bevölkerung weiterhin im Protest ausharrt. Noch hat sich in Sudan nichts entschieden.