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Südkorea
Geothermie-Bohrung löste Erdbeben in Pohang aus

Das Erdbeben in der südkoreanischen Stadt Pohang im Jahr 2017 wurde durch geothermische Bohrungen verursacht, so das Ergebnis einer internationalen Expertenkommission. Mit dem Erdwärme-Projekt wollte die südkoreanische Regierung eine erneuerbare Energiequelle erschließen - Anzeichen für Probleme wurden übersehen.

Von Dagmar Röhrlich |
Riss in einem Pier am Hafen von Pohang, Nord Gyeongsang Province, am 16 NOvember 2017 nach dem Erdbeben der Magnitude 5,5.
Schäden in Milliardenhöhe: Für die Geothermie ist Pohang ein ähnliches Desaster wie das Geothermieprojekt Deep Heat Mining in Basel (picture alliance / Yonhap)
Die wichtigste Frage zuerst: Zu welchem Ergebnis sind die Forscher gekommen?
Zwar gibt es in der Gegend um Pohang auch natürliche Erdbeben, aber nach der Auswertung aller Daten ist die Antwort der Experten eindeutig: Die Geothermiebohrung war es.
Was ist denn in Pohang überhaupt gemacht worden?
2012 begannen die Arbeiten an diesem Pilotprojekt. Bis 2016 wurden zwei Explorationsbohrungen bis in mehr als 4.500 Meter Tiefe abgeteuft. Dann wurden bis zum Sommer 2017 fünf sogenannte Einleitungsversuche durchgeführt. Dabei wird Wasser unter Hochdruck in den Untergrund gepresst. Diese Stimulierung - sprich: dieses Fracking - soll durch kleine Erdbeben neue Risse im Untergrund bilden und vorhandene weiten. So soll für das Geothermiekraftwerk aus dem tiefen, heißen Gestein eine Art Wärmetauscher werden. Das Erdbeben trat etwa drei Monate nach der letzten Stimulation auf. Der zeitliche Abstand war groß, deshalb war offen ob beides wirklich zusammenhing.
Was haben die Forscher in ihre Untersuchungen mit einbezogen?
Solche forensischen Untersuchungen sind aufwendig. Die Forscher haben die Geologie untersucht, die tektonischen Stressverhältnisse im Untergrund, die Daten der Bohrung, was bei den fünf Hochdruck-Stimulationen passiert ist, und wie sich die Seismizität durch die Injektionen verändert hat.
Wusste man nicht, was im Untergrund los ist?
Im Nachhinein ist man ja bekanntlich immer schlauer. Rückblickend lässt sich sagen, dass es durchaus Anhaltspunkte gegeben hat, die hätten hellhörig machen können.
Die geophysikalischen Untersuchungen vor dem Beginn des Projekts hatten zwar keine aktiven Störungen in der direkten Nähe des Projekts ausgemacht. Aber: Es war bekannt, dass in der näheren Umgebung durchaus Störungen unter einem so hohen tektonischen Stress standen, dass mittlere bis große Erdbeben möglich waren. So ereignete sich 2016 in rund 20 Kilometern Entfernung ein natürliches Beben der Stärke 5,8.
Das erleuchtete Geothermie Kraftwerk in Kirchwaidach bei nacht. 
Mit Geothermie-Kraftwerken lassen sich erneuerbare Energiequellen erschließen - wie hier in Kirchwaidach, Bayern (imago / Thomas Einberger)
Ein weiterer Anhaltspunkt: Während der Bohrung traf man in 3,8 Kilometer Tiefe auf einen Bereich, in dem verstärkt kleine Erdbeben auftraten und viel Bohrflüssigkeit in das Gestein entwich. Die Gutachter erklären, dass das eine bis dahin unbekannte tektonische Störungszone war.
Hat diese Störung dann etwas mit dem späteren Erdbeben zu tun?
Die seismische Überwachung zeigt, dass bei der letzten Stimulierung im August und September 2017 die Seismizität direkt in dieser Zone stark angestiegen ist - viel stärker als bei den Injektionen zuvor. Allerdings waren diese Erdbeben zunächst schwach, erreichten höchstens Magnitude zwei, und nach dem 26. September 2017 schien alles ruhig zu sein. Doch das trog. 49 Tage später zeichneten die Seismometer erneut Erdbeben auf, und diese neuerliche Serie gipfelte schließlich in dem 5,5-Schock vom 15. November.
Diese letzte Stimulierung, so erklären die Experten, habe diese Störung also weiter geschwächt und zusammen mit der Stresserhöhung durch das eingepumpte Wasser am 15. November zu dem Erdbeben geführt.
Wie wurde das Projekt überwacht?
Das Pohang-Projekt wurde intensiv wissenschaftlich begleitet. Unter anderem war das europäische Destress-Konsortium beteiligt, ein von der EU geförderter Forschungsverbund zur Geothermie. Destress erprobte in Pohang ein schonendes Injektionsverfahren, das Wassermenge und Druck variiert, je nachdem wie viele Mikroerdbeben ausgelöst werden. Einige der Injektionen in Pohang wurden auf diese Art durchgeführt, darunter die vorletzte im August 2017. Die abschließende Einleitung am Bohrloch im September 2017 stand allerdings unter Verantwortung der Koreaner.
Welche Lehren ziehen die Experten aus diesen Ereignissen?
Für die Geothermie ist Pohang ein ähnliches Desaster wie das Geothermieprojekt Deep Heat Mining Basel, das 2006 zu Schäden in Basel führte und eine heftige Diskussion über die Risiken der Tiefen Geothermie ausgelöst hat.
Die koreanische Regierung hat das Projekt endgültig beendet. Bei künftigen Projekten wird es darum gehen, noch vorsichtiger zu sein und vor allem in jeder Phase des Projekts jeden Anhaltspunkt ernst zu nehmen - in diesem Fall beispielsweise den Verlust der Bohrspülung. So etwas kann ein Warnsignal sein. Die Projektgruppen müssten, so fordern die Forscher, "rechtzeitige und umfassende Anstrengungen unternehmen, die Seismizität zu überwachen, zu analysieren und die Daten zu interpretieren, um das Erdbebenrisiko abzuschätzen." Doch ein Restrisiko, das ist auch klar, wird immer bleiben.