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Super-Image für Deutschland

Ausgegangen war die Initiative von einer Londoner Agentur namens Wolff Olins. Sie hatte vor ein paar Jahren auch den Schlachtruf "Cool Britannia" aufgebracht - übrigens schon kurz vor der Blair-Epoche. Doch dem neugewählten Labour-Premier kam das neue, moderne Image gerade recht, und so wurde die Parole "Cool Britannia" geradezu zu einem Markenzeichen seines Amtsantritts. Etwas Ähnliches möchte die Firma Wolff Olins jetzt für Deutschland tun: "re-branding Germany", die Marke Deutschland neu positionieren.

Burkhard Müller-Ullrich berichtet |
    Aus der Idee ist mittlerweile eine Bewegung geworden, die nationale Image-Beratung boomt, Kongresse werden abgehalten, Slogans kreiert und neue Institutionen geschaffen - zum Beispiel eine "Creative Capital Foundation", die am Mittwoch zusammen mit dem Goethe Institut in London eine eintägige Konferenz über die Möglich- und Notwendigkeit der deutschen Markenpflege abhielt. Dass dies eine Aufgabe von höchster staatspolitischer Bedeutung sei, stand für den Geschäftsführer von Wolff Olins, John Williamson, natürlich außer Frage.

    Wenn ein Kanzler oder ein Premierminister nicht mehr wirklich bestimmen, was in einem Land passiert, denn das tun längst die Banken, dann bleibt dem Kanzler oder dem Premierminister als einzige Aufgabe übrig, das Image, die Marke des Landes zu managen.

    In einer Zeit, da aber nicht bloß das Image, sondern die Wirtschaftslage schlecht ist, hilft Reklame auch nicht viel. Sprüche wie "Deutschland - die treibende Kraft in Europa" klingen gegenwärtig eher nach Satire, und doch sind sie Teil eines Maßnahmenkatalogs, der bis hin zur Umfärbung der deutschen Nationalflagge reicht: blau-rot-gold statt schwarz-rot-gold, weil blau die europäische Dimension symbolisiert. Neben solchen Absurditäten ging es auf der Londoner Konferenz aber auch um seriöse Fragen der Mentalitätsforschung: Wie nehmen uns die Briten wahr und wie lässt sich das ändern? Hitler, BMW und Lederhosen sind hier immer noch die geläufigsten Manifestationen des Germanentums, und während in Deutschland eine regelrechte Kultur der Beflissenheit entstanden ist, die nationale Stereotypen meidet, badet sich die englische Presse regelmäßig in purem Rassismus. Im englischen Fernsehen werden abends noch immer die Nazis besiegt. Deutsch hingegen wird immer weniger gelernt, und es ist fraglich, ob ausgerechnet Nadja Auermann, die als Überraschungs-Stargast auch plötzlich im Saal des Goethe-Instituts auftauchte, mit ihren langen Beinen diesen kulturellen Brückenschlag begünstigt.

    Ob der Einsatz von Prominenten für die Landeswerbung überhaupt dienlich sei, darüber wurde lange diskutiert. Dagegen spricht, dass die meisten international bekannten Stars eben international sind. Boris Becker oder David Beckham werden kaum noch als Exponenten ihrer jeweiligen Heimat wahrgenommen, von Kultur ganz zu schweigen. Doch sie sind auch Marken und als solche können Sie - genauso wie Produkte - zur Kennzeichnung von Ländern dienen. Simon Anholt vom Londoner Place Branding Institute:

    Die nationalen Images werden immer mehr durch Markenprodukte definiert. Einerseits erleichtert das die Verbreitung der jeweiligen Kultur, denn vorausgesetzt, dass die Produkte gut sind, muss man sie bloß verkaufen und verdient noch Geld dabei, andererseits führt das aber zu einer bedauerlichen Verknüpfung der Länder mit kommerziellen Attributen. London ist die Welthauptstadt des Marketings. Schon die bei uns gebräuchlichen Begriffe Marketing, Publicity oder Public Relations deuten an, dass wir in diesen Dingen von den Angelsachsen nur lernen können. Und doch gehört zu diesem angelsächsischen Bereich ein Land, das sich in letzter Zeit ein ganz konträres Image zugelegt hat. Wie das kam, schilderte Colin Hicks von der kanadischen Kulturbehörde:

    Kanada galt einst als das sanfteste und langweiligste Land der Welt. Dann war es plötzlich das Land der Berge, der Sonderlinge und der Pferde und dann - ohne dass das jemand geplant hätte - wurde es zu einer Art Gewissen von Nordamerika. Die Regierung hatte damit nichts zu tun, es waren Zeitschriften wie "Adbusters", Leute wie Margaret Atwood, kanadische Universitäten und die Sezessionsbewegung von Quebec, die das bewirkten. Wir sehen Kanada jetzt als die vielleicht letzte Bastion gegen Umwandlung Europas und der ganzen Welt ist einen Markenkosmos.

    In diesem Markenkosmos ist Werbung nicht nur eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sondern ihre Ersetzung. Politik erscheint im Lichte fortgeschrittener Publicity bloß als ein Hirngespinst, eine Luftspiegelung über dem heißen Boden der globalen Ökonomie.

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