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Sure 59 Verse 22-24
Die 99 schönsten Namen Gottes

Nach der weit verbreiteten Vorstellung von Muslimen hat Gott 99 sogenannte schönste Namen. Sie kennzeichnen seine Charaktereigenschaften. Aber wie passt das mit den Dogmen zusammen, wonach man Gott nicht mit menschlichen Kategorien fassen könne und er nur ein einziger sei?

Von Prof. em. Dr. Hans Zirker, Universität Duisburg-Essen | 03.02.2017
    "Er ist Gott, außer dem kein Gott ist, der das Verborgene weiß und das Offenbare. Er ist der Allerbarmende und Barmherzige. Er ist Gott, außer dem kein Gott ist, der König, der Heilige, der Friede, der Sicherheit Stiftende, der Gewissheit Gewährende, der Mächtige, der Gewaltsame und Stolze. Gepriesen sei Gott, fern dem, was sie als Partner beigeben! Er ist Gott, der Schöpfer, der Erschaffende und Gestaltende. Er hat die schönsten Namen. Ihn preist, was in den Himmeln und auf der Erde ist. Er ist der Mächtige und Weise."
    Vier Mal spricht der Koran von Gottes "schönsten Namen". Nach islamischer Tradition wurden 99 von ihnen offenbart; der hundertste aber, der ihre Zahl symbolisch füllt, ist aller menschlichen Kenntnis entzogen, als Hinweis auf Gottes geheimnisvolles Wesen.
    Die Sendereihe Koran erklärt als Multimediapräsentation
    Welche 99 Namen gemeint sind, wird unterschiedlich beantwortet. Dem Koran könnte man einige mehr entnehmen, und dementsprechend gibt es verschiedene Listen.
    Unter allen Eigenschaften, die Gott in seinen Namen zugeschrieben werden, hat im Koran die höchste Bedeutung, dass er der Allerbarmende und Barmherzige" ist. So nennen ihn 113 der 114 Suren zu ihrem Beginn, und außerdem eröffnet Salomo mit dieser Namensformel einen Brief an die Königin von Saba (27, 30).
    Proträt von Hans Zirker.
    Hans Zirker, Koranübersetzer und emeretierter Theologe an der Universität Duisburg-Essen (priv. )
    Aber nicht den einzelnen Namen soll hier nachgegangen werden – dies würde den zeitlichen Rahmen sprengen –, sondern der Namensgebung überhaupt. Sie berührt das Wesen religiöser Sprache, besonders unter den Vorgaben des Koran. In ihm lesen wir an anderen Stellen:
    "Kennst du jemanden, der einen Namen hätte wie er?" (19: 65)
    "Nichts ist ihm gleich." (42: 11)
    "Nicht einer ist ihm gleich." (112: 4)
    "So prägt für Gott keine Vergleiche!" (16: 74)
    Nach diesen Grundsätzen, so scheint es, dürfte es von Gott diese Namen nicht geben, denn sie werden in wechselnden Formen auch in unserer sozialen Welt gebraucht, bezogen auf menschliche Eigenschaften, Tätigkeiten und Positionen. Sie gehören unserer Sprache an und sind uns nur "im Vergleich" verständlich, auch wenn wir dann sagen, dass Gott doch "ganz anders" ist.
    Außerdem trägt die Namensgebung in Gott, der doch schlechthin "ein Einziger" (112: 1) ist, eine Vielheit ein; er ist dies und jenes, so und auch anders. Darf er in seinem Wesen derart aufgefächert gedacht werden?
    Die islamische Theologie hat sich mit solchen Fragen von alters her vehement und kontrovers auseinandergesetzt.
    Den grundsätzlich gangbaren Weg weist der Koran selbst: Auch wenn er einerseits den Menschen verwehrt, für Gott "Vergleiche zu prägen", so setzt er doch dagegen: "Gott prägt den Menschen die Vergleiche" (24: 35).

    Mit anderen Worten: Gott stellt uns eine Sprache zur Verfügung, damit wir uns überhaupt auf ihn beziehen können. Und wir können diese von ihm gewährte Sprache nur sinnvoll gebrauchen, weil sie der uns gewohnten gleicht, ihre Bedeutung aus unseren menschlichen Verhältnissen gewinnt.
    Nur so ist uns Gott im Sinne des Koran nicht gänzlich entzogen. Er schenkt uns eine sprachliche Nähe, die wir uns nicht aus eigenem Vermögen zurechtdenken dürften. Nicht wir stellen uns Gott so vor, sondern – das ist die Botschaft des Koran – er stellt sich uns so vor, um unsertwillen. Er lässt sich ein auf die Bedingungen unserer Welt.
    Die Audioversion musste aus Sendezeitgründen leicht gekürzt werden.