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Sybil Gräfin Schönfeldt
Die nimmermüde Autorin

Journalistin, Übersetzerin, Kochbuchautorin, Erzählerin – Sybil Gräfin Schönfeldt war in vielen Berufen und Genres zuhause. Sie war insbesondere für die Kinder- und Jugendliteratur eine wichtige Stimme. Jetzt ist sie im Alter von 95 Jahren gestorben.

Von Ute Wegmann | 16.12.2022
Die deutsche Schriftstellerin Sybil Gräfin Schönfeldt, aufgenommen am 12.10.2007 auf der Internationalen Frankfurter Buchmesse, ist nun im Alter von 95 Jahren gestorben
Die deutsche Schriftstellerin Sybil Gräfin Schönfeldt, aufgenommen am 12.10.2007 auf der Internationalen Frankfurter Buchmesse, ist nun im Alter von 95 Jahren gestorben (picture-alliance / dpa / Arno Burgi)
Sie war eine Kulturvermittlerin mit Engagement und Humor. Neben gutem Benehmen und der Esskultur lag ihr besonders die Literatur für junge Menschen am Herzen.
Ihre Arbeit als freie Journalistin begann Sybil Gräfin Schönfeldt 1954 bei der „Zeit“ und beim „Zeit Magazin“. Fortan berichtete und rezensierte sie unter anderem Kinder- und Jugendbücher, engagierte sich stets für das anspruchsvolle Kinderbuch und schrieb bis ins hohe Alter für die „Süddeutsche Zeitung“.
In den ersten Jahren ihrer journalistischen Tätigkeit gehörte sie zur Redaktion der Frauenzeitschrift „Constanze“ und arbeitete unter anderem für den „Stern“. Ihr Interesse an Menschen und Themen, das sich auch in den unterschiedlichen Genres ihrer Bücher spiegelt, erklärte sie einmal so:
„Es zeigt, dass ich Journalistin bin und gewesen bin. Journalisten kriegen gesagt: ‚Schreib mal das‘, dann geht man hin und recherchiert, unterhält sich mit Leuten und manchmal kommt man zum Ziel, manchmal löst sich das auf, aber man hat irgendwas davon schon im Kopf und verarbeitet es für die nächste Geschichte (…) Auf jeden Fall, wenn ich jetzt zurückblicke, so fällt mir auf, dass alle, die mit der Bundesrepublik in den Beruf hineingewachsen sind, auch in dieses Land hineingewachsen sind, sein Schicksal, seine Eigenarten, seine Fährnisse natürlich auch verfolgt und aufgeschrieben haben und gar nicht gewusst haben, dass sie damit das Bild der Nation gezeichnet haben.“

Stimmen aus der ganzen Welt

Sie übersetzte auch Klassiker aus dem Englischen wie „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll oder Bücher von Roald Dahl, Charles Dickens und Edith Nesbit, insgesamt waren es 120 Titel.
„Die deutsche Nachkriegsliteratur ist aus politischen Gründen reich an den Stimmen aus der ganzen Welt", sagte Sybil Gräfin Schönfeldt. "Die Zahl der Übersetzungen war bei der Kinderliteratur am höchsten zwischen Ende 30 bis Anfang 50 Prozent, also ist das etabliert von Anfang an. Bei der Belletristik ist es genau so, die Belletristik-Verlage haben ja auch vor allem das übersetzt, was während der Nazizeit draußen blieb und davon sich eine Basis von wunderbarer Literatur schaffen können, von denen die Autoren auch nur gezehrt haben.“
Eins ihrer wichtigsten Werke blieb für sie der Roman „Sonderappell“, er erschien erstmals 1979. Die Erzählungen der 17-jährigen Charlotte, die im letzten Kriegsjahr nach Oberschlesien gebracht wurde und dort ihren Dienst antreten musste, das waren ihre Erfahrungen im Reichsarbeitsdienst. Viele Briefe erhielt sie von Menschen, die sich für die Aufarbeitung bedankten, aber es gab auch andere Stimmen.

Führer und Führerinnen mit weißer Weste

„Die Beteiligten haben mich natürlich aufs Korn genommen und haben gedroht, haben angerufen und gesagt, das sei Nestbeschmutzung", erzählte Sybil Gräfin Schönfeldt. "Und es hat sich herausgestellt, dass die Führer und Führerinnen des Reichsarbeitsdienstes keine Parteigenossen werden mussten, infolge dessen hatten all die jungen Leute eine schneeweiße Weste. Sie waren Anfang und Mitte 20 und waren Heimleiter oder so was Ähnliches und sind ohne mit der Wimper zu zucken in die deutsche Pädagogik hinübergegangen, sind Lehrer geworden, Geschichtslehrer geworden. Sie haben ihrerseits wieder Heime geleitet und sie haben alle Unterlagen, Arbeitslisten und so weiter sichergestellt.“
Sybil Gräfin Schönfeldt hatte Glück, wie sie selber sagte, und konnte als eine der letzten diese Unterlagen einsehen. Aufklärung war ihr stets wichtig.
Ihre Leidenschaft für die Esskultur und das Kochen dokumentieren  Buchtitel wie „Gestern aß ich bei Goethe“, „Bei Astrid Lindgren zu Tisch“, „Wanderungen durch Theodor Fontanes Esslandschaften“. Das „Kochbuch für die kleine alte Frau“, ein heiterer selbstironischer Titel, heute ein Bestseller, erschien zu ihrem 95. Geburtstag als Taschenbuch.

Denk nicht nur an dich!

Sybil Gräfin Schönfeldt war eine leidenschaftliche Journalistin, eine nimmermüde Autorin. Ihre Autobiografie trägt den Titel: „Hoffen auf das Bessere. Vom langen Weg in eine neue Zeit“. Hier erzählt sie ihre Familiengeschichte, die in Österreich begann.
Vielleicht findet man dort eins ihrer sogenannten Lebens-Geheimnisse, das sie im Deutschlandradio Kultur so formulierte: „Schau dich um, sei aufmerksam, guck, was um dich herum passiert, denk nicht nur an dich!“