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Symbol für den Zustand der rumänischen Politik

Rumäniens Abgeordnete, der Senat, das Verfassungsgericht und staatliche Würdenträger sind im Parlamentspalast in Bukarest angesiedelt. Das ehemalige "Haus des Volkes" wurde noch unter Diktator Nikolai Ceausescu errichtet. Doch inzwischen bröckeln die Mauern des Prachtbaus.

Von Karla Engelhard | 21.08.2012
    Etwas verloren steht der alte Mann aus der Provinz zwischen den Marmorsäulen im Parlamentspalast in Bukarest - früher das sogenannte "Haus des Volkes":

    "Es gibt was, worauf wir Rumänen stolz sein können: Auf dieses Gebäude. Auch wenn es zur Zeit der Kommunisten gebaut worden ist, ist es dennoch die Arbeit der Rumänen, der Menschen von hier. Auch sind es Rumänen, die heute hier arbeiten."

    Der etwa 70-Jährige im weißen Hemd und verbeulten Hosen gehört mit seinen zwei erwachsenen Enkelinnen zu einer rumänischen Touristengruppe, die durch die Gänge des Giganten im neostalinistischen Stil geführt werden.

    "Die Parlamentsabgeordneten sitzen seit 1994 hier, der Senat seit 2005. Außerdem das Verfassungsgericht und staatliche Würdenträger. Von Montag bis Freitag arbeiten hier 4000 Menschen gleichzeitig. Der Grundstein wurde am 25. Juni 1984 gelegt. Es ist das größte Verwaltungsgebäude Europas und das zweitgrößte der Welt - nach dem Pentagon."

    Bauherr war Nikolai Ceausescu - Rumäniens Diktator - der die Fertigstellung seines Palastes nicht mehr erlebte. Im Dezember 1989 wurden er und seine Frau nach kurzem Prozess hingerichtet. Die blasse junge Frau die die Touristen durch die Räume führt war zu dieser Zeit wohl gerade erst geboren. Verunsichert reagiert sie auf Nachfragen:

    "Man spricht von mehr als einer Milliarde Dollar Baukosten. Offizielle Zahlen gibt es nicht. Ich hab mal gelesen, dass 80 Prozent der rumänischen Stahlproduktion in den Bau - sagen wir - geflossen sind."

    Ansonsten reiht sich Superlativ an Superlativ bei der Führung durch die langen Gänge mit den riesigen Kronleuchtern und den großen Sälen mit guter Akustik:

    "Der größte Teil der Baumaterialien kommt aus Rumänien, mehr als eine Million Kubikmeter Marmor in verschiedenen Farbtönen aus den Steinbrüchen von Ruschita, Moneasa, Caprioara. Über 900.000 Kubikmeter verschiedene Holzsorten: Eiche, Nuss und vor allem Kirsche. Mehr als 3500 Tonnen Kristall, 220.000 Quadratmeter Teppiche und diese Liste mit solchen Zahlen könnte man fortsetzen."

    Sie setzt sie auch fort, jeder Raum, jeder Gang bringt neue große Zahlen, die vor allem nach sehr, sehr viel klingen. Die Geschichte des Protzbaus bleibt außen vor - kein Wort über den Wandel des Hauptbauwerkes des rumänischen Totalitarismus zum architektonischen Platzhalter des jungen demokratischen Staates, dessen Unterhalt allein dem armen Land Millionen kostet. Ein schmaler Junge aus Kronstadt, der mit seinen Eltern den Palast besucht erzählt:

    "Heute erzählt man nicht mehr so viel über Ceausescu. Das waren schlechte Zeiten damals unter ihm, vor allem gab es keine Freiheit. Aber ich weiß auch, dass er die "Transfeg Ereschan" - Hochstraße über die Karpaten gebaut hat, das ist eine wunderschöne Strecke. Ich empfehle allen Deutschen, da mal drüber zu fahren."

    Ein Rumäne um die 50 schüttelt den Kopf und zeigt auf Risse in den Wänden, auf abgeschlagenen Marmor an den Treppen und fehlende Lampen in den üppigen Kronleuchtern:

    "Wie war es möglich, dass früher solche Gebäude gebaut werden konnten und jetzt schafft man es offensichtlich nicht mal, sie in Stand zu halten. Man sieht es in den Mauern ringsum, die überall bröckeln, an den eingerissene Steinfließen. Gut, ansonsten ist es schon ein imposantes Gebäude."

    Der überdimensionierte Parlamentspalast in Bukarest ist die Bühne für große Weltpolitik und große innenpolitische Drama in Rumänien.

    Der Junge aus Kronstadt kommt extra noch mal zurück, um zu erzählen:

    "Ich fühl mich wohl in Rumänien, aber es gibt leider immer wieder Probleme mit unserer Regierung, das ärgert mich. Jetzt zum Beispiel, wo sie den Präsidenten Basescu los werden wollen, das finde ich ein wenig übertrieben und nicht gut. Aber: Ich bin stolz darauf Rumäne zu sein."

    Dabei stolpert er fast über eine kaputte Treppenstufe.