Donnerstag, 25. April 2024

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Synode
"Für eine Kirche, die für die Menschen da ist"

Die heute im Bistum Trier beginnende Synode der katholische Kirche sei eine Art Selbstvergewisserung, sagt Bischof Stephan Ackermann im DLF. Aber auch der neue Papst und dessen Ansichten, die in der Kirche auch kritisch gesehen werden, werden Thema sein.

Bischof Stephan Ackermann im Gespräch Christoph Heinemann | 13.12.2013
    Christoph Heinemann: Wenn ein katholischer Bischof zu einer Synode einlädt, dann heißt das nicht, dass er mit seinem Latein am Ende wäre; er möchte vielmehr zuhören, er möchte diskutieren, der Kirche und des Bistums Profil schärfen im Austausch mit den Synodalen. Heute beginnt eine solche Synode im Bistum Trier. Es ist übrigens die erste in Deutschland seit 1990. Im Bistum Trier fand die letzte 1956 statt. Seither ist einiges passiert, neuerdings ja auch im Vatikan. - Am Telefon ist jetzt der Trierer Bischof Stephan Ackermann. Guten Morgen!
    Stephan Ackermann: Guten Morgen nach Köln!
    Heinemann: Bischof Ackermann, welches ist für Sie das wichtigste Thema dieser Synode?
    Ackermann: Für mich ist das wichtigste Thema die Frage, wo stehen wir als Christen im Bistum Trier. Es geht natürlich um eine Selbstvergewisserung dabei. Aber wir werden die Antwort nur finden können, wenn wir uns auch fragen, wofür stehen wir als Christen, was ist unser Auftrag, den klarer zu sehen auch als Bistum, nicht nur in der Unterschiedlichkeit der Pfarreien, Pfarreiengemeinschaften, der Verbände, sondern auch noch mal auf den gemeinsamen Auftrag stärker zu schauen. Das ist für mich ein ganz wichtiges Anliegen.
    Heinemann: Wofür stehen Sie persönlich?
    Ackermann: Für eine Kirche, die für die Menschen da ist und die die Botschaft auszurichten hat, von der ich überzeugt bin, dass das die beste Botschaft der Welt ist, dass uns nichts Besseres passieren kann, als diese Botschaft Jesu Christi zu hören und die in unser Leben einzulassen. Die Freude darüber, das ist ja zum Beispiel auch etwas, was der Papst in seinem Schreiben deutlich macht. Die Freude, die verändert das Leben. Das ist eigentlich der Kern.
    Auf den Kern des Glaubens schauen
    Heinemann: Und um das, ich sage es jetzt salopp, rüberzubringen, was muss sich dafür in der Katholischen Kirche ändern?
    Ackermann: Ich glaube, da gehören eine ganze Reihe Dinge dazu, dass wir vor allen Dingen uns besinnen auf den Kern der Botschaft Jesu Christi, also auf das, was uns von ihm her zugesagt und geschenkt ist. Und dann gibt es natürlich Konsequenzen in die unterschiedlichsten Richtungen. Ich glaube, dass ein ganz wichtiges Signal ist, dass die Menschen spüren, die Kirche ist an unserer Seite, sie tritt für den Menschen und für das Leben ein, in allen Fassetten, in allem Hellen und Dunklem, an schönen Stellen des Lebens - da wird die Kirche ja auch immer wieder in Anspruch genommen bei Festen, bei Feiern -, aber natürlich auch in den schwierigen Situationen des Abschieds und der Trauer. Aber es geht natürlich auch um die Situationen von Brüchen und Schwierigkeiten, also zu spüren, hier ist wirklich eine Botschaft, die den Menschen dient. Das ist etwas, glaube ich, das oft genug verdunkelt ist.
    Heinemann: Bischof Ackermann, Sie sagten gerade, wir müssen uns auf den Kern konzentrieren. Muss die katholische Kirche – pardon, jetzt muss ich ein ketzerisches Wort benutzen – lutherischer werden im Sinne von sola fide, von sola scriptura, das heißt Glaube, Heilige Schrift in den Mittelpunkt stellen, vielleicht nicht länger Heerscharen von Vatikanbeamten damit beschäftigen, um herauszufinden, wer mit wem und mit welcher Veranlagung ins Bett steigen darf?
    Ackermann: Auf den Kern des Glaubens zu schauen und in dem Sinne lutherischer zu werden, das kann auch der katholischen Kirche nicht schaden. Das hatte übrigens Papst Benedikt bei seinem Besuch in Deutschland auch schon gesagt. Martin Luther als der große Gottsucher, dem daran gelegen ist, darauf zu schauen und sich auch nicht zu verlieren in allen möglichen Fragen, das heißt nicht, dass man nicht auch auf die dunklen Seiten schaut, dass auch Schuld aufgearbeitet wird. Wenn Sie sagen, da sollen nicht Heerscharen von Menschen sich beschäftigen mit allen möglichen Themen, natürlich heißt das nicht, Themen wegzudrücken, aber zu gucken, aus welcher Perspektive, von welcher Mitte aus gehen wir sie an. Das ist, glaube ich, etwas, was sehr wichtig ist. Insofern würde ich ein Ja sagen auf Ihre Frage.
    Eine gewisse Versorgungsmentalität in den Gemeinden
    Heinemann: In welchen Grenzen dürfen die Synodalen nachdenken?
    Ackermann: Es geht natürlich um den Weg der katholischen Christen im Bistum Trier. Ein Bischof hat Verantwortung für eine bestimmte Ortskirche, und da hat er auch natürlich Gestaltungsmöglichkeiten, zusammen mit den Synodalen. Es kann natürlich nicht darum gehen, dass wir von Trier aus jetzt die ganze Weltkirche verändern. Insofern kann das immer nur im Rahmen dessen sein, was auch weltkirchlich sowohl theologisch als auch rechtlich abgesteckt ist. Aber das heißt nicht, dass man keine Möglichkeiten hätte. Da muss man auch ein bisschen Acht geben, dass man nicht sagt, ja gut, es gibt bestimmte Dinge, die gehen nur Rom an, und man drückt sich möglicherweise vor der Verantwortung, die man aber auch konkret wahrzunehmen hat.
    Heinemann: Zum Beispiel das, was Hans Küng, der Theologe, jetzt im "Spiegel" gesagt hatte. Er meint, der Priestermangel werde dazu führen, dass der Zwangszölibat abgeschafft werden muss, anders geht es gar nicht. Wann, Bischof Ackermann, wenn nicht jetzt - ich sprach eben vom frischen Wind im Vatikan - ist es an der Zeit, solche notwendigen Veränderungen mal zu besprechen, oder dann auch zu fordern?
    Ackermann: Besprochen und gefordert wird das ja schon seit Jahrzehnten. Das Thema Zölibat ist ja gar kein neues Thema. Das ist natürlich kein Thema, das ich von Trier aus lösen kann. Das ist vollkommen klar. Ich kann nicht sagen, ich ändere selbstmächtig von mir aus die Zulassungsbedingungen zum Priesteramt. Die Frage ist nur: was steckt auch immer dahinter zu sagen, wir brauchen wieder mehr Priester. Das würde ich als Bischof von Trier auch sagen, ich habe zu wenig Priester. Aber was ist denn gemeint? Geht es darum, zum Beispiel eine Versorgungsstruktur der Pastorale aufrecht zu erhalten, so wie wir sie in den letzten Jahrzehnten hatten, in einer Weise, wie es sie Jahrhunderte vorher nicht gab, wir sind das gewohnt, und eigentlich wollen wir, dass das System so weiterläuft, wie wir es kennen. Und in dem Sinne gibt es ja auch - das sage ich auch kritisch - an nicht wenigen Stellen in unseren Gemeinden eine gewisse Versorgungsmentalität. Aber die jetzt sicherzustellen, das kann jetzt nicht einfach die Aufgabe von Diskussionen sein in der Kirche, auf welcher Ebene auch immer.
    Armut als innere Haltung
    Heinemann: Andererseits funktioniert Kirche doch ohne Priester wahrscheinlich nicht?
    Ackermann: Richtig. Das ist unser Verständnis. Die Kirche braucht das Amt, und das heißt, das Amt der Diakone, der Priester und der Bischöfe.
    Heinemann: Bischof Ackermann, was bedeutet es für Sie als Bischof und für Ihr Bistum, dass der Papst eine Kirche der Armut und für Arme fordert?
    Ackermann: Das ist eine sehr gute und auch schwierige Frage: Was heißt das buchstabiert in die jeweiligen Ortskirchen und auf die verschiedenen Kontinente hin? Ich glaube, da müssen wir uns auch in der Kirche in Deutschland noch intensiver mit befassen. Es ist ja nicht einfach damit getan zu sagen, arme Kirche für die Armen heißt, Bistümer in Deutschland sollen arm sein. Wir sind eine reiche Kirche, materiell gesehen, keine Frage, im Vergleich zu anderen Ortskirchen in der Welt. Aber was heißt denn Armut in dem Sinne, wie der Papst meint, und das ist ja auch die Armut, von der das Evangelium, von der Jesus selber spricht, wenn er die Armen selig preist. Dann geht es aber zum Beispiel auch um eine Haltung, also nicht als der aufzutreten, der für alles die Antwort hat, der alles besser weiß, auch eine Haltung der Bescheidenheit, eine Haltung, die sagt, ich lebe auch von anderen, von dem, was andere mir sagen, entgegenbringen, ich bin nicht derjenige, der im Besitz aller Macht und allen Wissens ist. Ich glaube, es geht auch darum, die Haltung der Armut stärker auszuprägen im Sinne des Evangeliums. Das heißt nicht, dass das Materielle keine Rolle spielt, aber ich glaube, da geht es um mehr Dimensionen als um die vordergründigen Fragen des Materiellen.
    Heinemann: Woher wissen Sie, dass der Papst Armut nicht wörtlich meint?
    Ackermann: Der Papst meint die Armut sicher wörtlich im Sinne des Engagements, auch materiellen Besitz, den die Kirche hat, einzusetzen zu Gunsten der Armen. Er meint das sicher auch wörtlich. Das ist nicht einfach eine abstrakte spirituelle Ebene. Aber die Dinge, die er sagt, die zeigen mir, dass er doch ein sehr geistlicher Mensch ist, der auch vom Heiligen Ignatius, von seinem Orden, von den Jesuiten geprägt ist. Und das heißt auch, genau hinzuschauen, was erfordert eine Situation. Wenn der Papst selber zum Beispiel mehr Beratung für sich wünscht und auch etabliert, dann ist das auch eine Weise, wie er sagt, ich bin eben nicht derjenige, der schon alles weiß und über alles bestimmt, sondern ich lasse mir auch Beratung geben. Das ist auch eine Haltung, die zeigt, ja, ich bin nicht derjenige, der alles hat, sondern da gibt es auch eine Form von geistlicher Armut als Haltung. Ich glaube schon, dass der Papst nicht so eingeschränkt jetzt fixiert auf das Materielle denkt.
    Die Kurie ist in gewisser Weise nervös
    Heinemann: Papst Benedikt fühlte sich den Beharrungskräften im Vatikan offenbar nicht mehr gewachsen. Über welchen Spielraum verfügt Franziskus?
    Ackermann: Da bin ich ehrlich gesagt überfragt, weil ich da in diesem Sinne kein Vatikan-Experte bin. Die Kardinäle haben Papst Franziskus gewählt. Das heißt, er hat ja sicher durch das Kardinalskollegium eine große Rückendeckung. Ich glaube, dass auch viele Mitarbeiter im Vatikan ja wissen, es braucht Veränderung. Das ist ja auch in den letzten Monaten immer wieder signalisiert worden. Wie das dann konkret geht, auch in einer, so möchte ich mal sagen, so multikulturellen Situation wie dem Vatikan, den verschiedenen Kongregationen der Weltkirche, das muss man mal sehen. Ich glaube, da braucht es viel Klarheit und auch Werben von Seiten des Papstes, aber auch der Kardinäle, die ihm da helfen müssen, damit die Veränderungen, die ja auch gewünscht worden waren im Vorkonklave, damit diese Veränderungen auch greifen.
    Heinemann: …, wenn er diese Hilfen findet. Sie haben gerade gesagt, Sie sind kein Vatikanist. Aber gibt es da im Vatikan auch hohe Priester der Tradition, die hoffen, dass Franziskus scheitert?
    Ackermann: Das ist jetzt Mutmaßung. Da gibt es sicher Menschen, die sagen, das wollen wir nicht, was er da sagt, die kritisch sind und sagen, muss er jetzt so viel da in den Ansprachen reden, was wird das am Ende bedeuten. Dass die Kurie natürlich auch in einer gewissen Nervosität ist, das kann ich mir schon vorstellen, weil ja immer wieder auch Gesten und Signale gesetzt werden, dass es Veränderungen gibt, und das wissen wir ja im Umgang, das weiß auch ein Bischof etwa im Verhältnis zu seiner eigenen Verwaltung. All diese Signale machen Menschen, die in solchen Systemen arbeiten, müssen ja auch, in einer gewissen Weise nervös, und ich vermute schon, dass es auch Menschen gibt die sagen, na hoffentlich kommt er nicht weit.
    Heinemann: Stephan Ackermann, der Bischof des Bistums Trier. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Ackermann: Ich danke auch – einen guten Tag.
    Heinemann: Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.