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Syrien
Alltag in den Trümmern Dumas

Gemüseverkauf in Häuserruinen, Werkstätten in Garagen, Feuer in Wellblechhütten: Duma in Syrien ist durch den Bürgerkrieg zerstört. Seit einem Jahr kontrollieren die Regierungstruppen die Stadt wieder. Nur noch wenige Menschen leben hier - und die versuchen nun, ihren Alltag zurückzugewinnen.

Von Anne Allmeling | 14.03.2019
    Motorradfahrer vor Häuserruinen in der syrischen Stadt Duma.
    Eine Kriegskulisse - von Wiederaufbau ist in Duma kaum etwas zu sehen (Deutschlandradio / Anne Allmeling)
    Der Lärm aus der Schmiede dringt bis auf die Straße. Yassin und seine Brüder haben das Rollgitter hochgezogen; ihre Werkstatt grenzt an den Bürgersteig und gleicht einer Garage. An der Wand lehnen Spaten; ein paar Hämmer und Äxte hängen von der niedrigen Decke. Yassin und die anderen arbeiten an Schleifstein und Amboss. Das Geschäft laufe gut, sagt der Schmied, und fügt hinzu: Besser könne es kaum sein.
    "Wir haben alles, und Schritt für Schritt wird es noch besser. Jetzt haben wir wieder regelmäßig Strom."
    Mandarinen, Kohl und Minze in Ruinen
    Regelmäßig Strom – für die Menschen in Duma ist allein das viel wert. Die Stadt, etwa 15 Kilometer östlich von Damaskus gelegen, ist komplett zerstört. Jahre lang lieferten sich hier bewaffnete Aufständische und Regierungstruppen heftige Gefechte. Tausende Menschen flohen aus der Stadt, viele kamen ums Leben. Seit April 2018 kontrolliert die syrische Armee Duma. Kaum ein Haus ist noch intakt. Wo früher Fenster waren, klaffen riesige Lücken. Hauswände sind eingerissen; ganze Etagendecken hängen herab. Aber dort, wo wenigstens ein Erdgeschoss noch heil blieb, haben sich Händler niedergelassen. Einer verkauft Mandarinen und Kohl, ein anderer Minze und Thymian – frische Ernte aus der Umgebung.
    Ein Mann steht in der syrischen Stadt Duma an einem Schleifstein. 
    Es gibt wieder regelmäßig Strom in Duma: Grundlage für die Arbeit, auch des Schmieds (Deutschlandradio / Anne Allmeling)
    "Während der Krise gab es gar keine Arbeit."
    Erzählt Yassin, der Schmied, über die lange Zeit von Belagerung und Kämpfen.
    "Wir arbeiten mit den Bauern zusammen. In der Krise gab es nichts; aber jetzt bewirtschaften sie ihre Ackerstücke wieder."
    "Das Leben ist schöner geworden"
    Eine Kundin, von Kopf bis Fuß verschleiert, kauft bei Yassin einen neuen Hammer. Es gibt viel zu tun für die, die in Duma geblieben sind. Die Straßen sind voller Schlaglöcher, die Bürgersteige kaputt, es riecht nach verbranntem Diesel. Ein paar Soldaten haben sich ein kleines Feuer unter einem Wellblechdach gemacht. Die Häusergerippe am Straßenrand lassen erahnen, wie schön Duma früher einmal gewesen sein muss. Wer etwas wiederaufbauen will, muss selber Hand anlegen. Dem syrischen Staat mangelt es an Geld. Seine Verbündeten Russland und Iran halten sich mit Aufbau-Hilfen zurück, der Westen ohnehin – aus politischen Gründen.
    Am Rande der Stadt hat vor kurzem ein Café eröffnet: ein großes Plastikzelt mit ein paar Heizstrahlern, Tischen und Stühlen. Drei junge Paare haben sich in den Familienbereich zurückgezogen, rauchen Wasserpfeife, flüstern leise.
    "Ich habe in den vergangenen acht Jahren viel durchmachen müssen."
    Erzählt einer von ihnen, der 22-jährige Qais.
    "Es war katastrophal. Aber nun – Gott sei Dank – und Dank der syrischen Armee ist alles in Duma wieder so wie vorher. Und es wird noch viel, viel besser werden, so lange Dr. Bashar Al-Assad an der Spitze dieses Landes ist."
    Qais sagt das, während ihn ein Mann vom Informationsministerium und weitere fünf Soldaten beim Interview beobachten. Qais Freundin Marwa ist froh darüber, dass in Duma nicht länger islamistischen Extremisten das Sagen haben.
    "Das Leben ist schöner geworden. Wir haben alles. Es gibt wieder mehr Arbeitsmöglichkeiten – auch für mich als Frau. Ich kann wieder arbeiten, rausgehen oder sogar mein Studium beenden. Unter den Extremisten war es unmöglich, dass wir als Frauen irgendetwas machen."
    Etwa sechs Dollar braucht eine Familie täglich
    Marwa wünscht sich, bald einen Job zu finden, um ihre Familie zu unterstützen – denn auch ihr Vater ist seit Jahren arbeitslos. Nur mit Hilfe von Freunden und Verwandten können sie sich über Wasser halten.
    Drei Männer stehen in der syrischen Stadt Duma an einem Pizzaofen.
    Die Zutaten sind nun gesichert, sagt der Pizzabäcker in Duma (Deutschlandradio / Anne Allmeling)
    In einem kleinen Geschäft an der Hauptstraße herrscht reger Betrieb. Ahmed macht keine Pause, während er spricht – er muss zusehen, dass die frisch gebackenen Teigtaschen und Mini-Pizzen schnell verpackt und verkauft werden. Seit vier Jahren arbeitet der junge Familienvater in der Bäckerei.
    "Früher war es sehr schwierig mit der Arbeit, wegen des Krieges und wegen des Beschusses. Außerdem gab es Mangel an Lebensmitteln wie Mehl, mit dem wir ja arbeiten. Auch andere Zutaten wie Fleisch und Käse fehlten, womit wir unser Geschäft machen. Jetzt ist es besser: Die Zutaten, die wir brauchen, sind nun gesichert."
    Um die Ausgaben für seine Frau, seine drei kleinen Kinder und sich selbst zu decken, braucht Ahmed umgerechnet sechs Dollar pro Tag. Dafür arbeitet er jeden Tag acht bis zehn Stunden.