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Syrien: Palästina-Frage Grundproblem in Nahost

Der syrische Botschafter in Berlin, Hussein Omran, ist der Ansicht, es sei zu früh, von einem Erfolg der Nahost-Konferenz in Annapolis zu sprechen. Er hoffe jedoch, dass die angestrebten Ziele des Treffens erreicht werden. Die Lösung der palästinensischen Frage sei für ihn ein "Grundstein" für die Beilegung auch anderer Probleme im Nahen Osten.

Moderation: Christian Schütte |
    Christian Schütte: Ein Überraschungsgast bei der Nahost-Konferenz in Annapolis war Syrien. Wie das Land, das George W. Bush einmal zur "Achse des Bösen" zählte, das Gipfeltreffen beurteilt, darüber habe ich mit dem Botschafter Syriens in Berlin gesprochen, Hussein Omran.

    Hussein Omran: Also von Erfolg zu sprechen, ist, glaube ich, ein bisschen etwas verfrüht. Wir wollen gerne, dass diese Konferenz einfach zum Erfolg führen wird.

    Schütte: Also Sie sind nicht so richtig davon überzeugt? Waren Sie möglicherweise doch Schauspieler in einem Theaterstück?

    Omran: Na, schauen Sie mal, also eigentlich, wenn es sich um den Frieden handelt, sollte man eigentlich davon ausgehen, dass das sich lohnt einfach, dass man sich um den Frieden bemüht, und dass man einfach alles einsetzt, dass der Friede endlich mal in dieser Region eigentlich Fuß fassen kann.

    Schütte: Für wie realistisch halten Sie denn den Plan, dass bis Ende nächsten Jahres ein Friedensabkommen unter Dach und Fach ist?

    Omran: Wir wollen hoffen, dass dies eigentlich realisierbar sein wird. Also ohne Hoffnung kann der Mensch überhaupt nicht leben. Das ganze Leben ist sehr beengt ohne Hoffnung, denn es ist doch an der Zeit, dass die gesamte Region bei uns, wissen Sie, einmal einfach in Frieden leben kann. Und ich hoffe, ich hoffe es natürlich, es ist ein Wunschdenken von mir, dass diese Konferenz auch die Atmosphäre dazu verschaffen wird, einfach den Frieden herbeiführen zu lassen.

    Schütte: Für viele ist die Lösung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern der Schlüssel für eine stabile Lage in der Region. Sehen Sie das auch so?

    Omran: Die palästinensische Angelegenheit oder Lösung des Problems von Palästina sollte meines Erachtens ein Grundstein für die Beilegung auch anderer Problematik sein, denn ohne dass man das Grundproblem lösen kann, ich glaube, das wird sehr schwierig sein. Und da sollte man einfach Mut und Willigkeit dazu einfach aufbringen, indem einfach dieses Problem endlich mal anerkennt und den leidgeprüften Palästinensern endlich mal dazu verhelfen, ihren eigenen Staat zu bilden, dass sie einfach menschenwürdig leben können, dass sie einfach ihre nationalen Rechte einfach realisieren werden. Es ist einfach meines Erachtens eine Grundbedingung, eine Erwägung, wissen Sie, für die Etablierung eines richtigen Friedens im Nahen Osten. Und alles andere, ich glaube, das ist einfach nur Reden an der Sache, nicht für die Sache.
    Schütte: Damit spielen Sie die Rolle Syriens aber auch ein wenig herunter, denn es war ja auch zu hören, dass Syriens Engagement für eine Lösung des Konflikts an eine Bedingung geknüpft ist, und das ist die Bedingung, Israel soll die 1967 besetzten Golanhöhen an Syrien zurückgeben.

    Omran: Wenn wir eigentlich davon ausgehen, dass das palästinensische Problem auch, sagen wir einfach, die Basis für die Lösung aller dort vorhandenen Problematik ist, bedeutet nicht, dass wir auch unsere eigenen Probleme, unsere eigenen Sachen einfach etwas bagatellisieren wollen, das Gegenteil. Denn das ist einfach eine andere Folge der Gesamtproblematik, die seit längerer Zeit bei uns einfach besteht, Besetzung der Golanhöhen ist auch eine Folge, wissen Sie, dieser einfach unstabilen Lage im Nahen Osten. Es ist natürlich für uns unabdingbar, auch für die Lösung des Gesamtproblems, dass auch unser Land zurückgegeben wird, dass unsere Golanhöhen wieder mal natürlich syrisch sein werden, und das werden wir niemals aufgeben, und es ist für mich eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass der Frieden einfach umfassend sein kann. Denn wenn man ein Problem teillöst und alle anderen Segmente nicht nur vergisst, sondern vernachlässigt, besteht eventuell die Gefahr in der Zukunft, dass dies einfach niemals irgendwie zur Ruhe kommen kann. Und um das zu vermeiden, wollen wir gerne, dass alle Probleme mitangesprochen werden, und deshalb war das für das Syrien sehr wichtig, als uns einfach versichert wurde, dass die Frage von unseren besetzten Gebieten, Golanhöhen, auch mit unbedingt einfach angesprochen werden, und dafür besteht die Möglichkeit, dass noch mal, nicht um aufzugreifen, sondern dass dies zum Gegenstand richtiger Verhandlungen sein wird. Und das ist doch sehr gut.

    Schütte: Hat denn Ihr Unterhändler in Annapolis darüber mit Olmert konkret reden können?

    Omran: Es ist nicht so weit, denn, wie gesagt, die Gesamtproblematik steht am Anfang. Es sind ja verschiedene Punkte, die einfach angesprochen werden, aber die Abhaltung der Konferenz und die Teilnahme Syriens im Zeichen des Konsensus von allen arabischen Staaten, daran teilzunehmen, und allen friedliebenden Völker, daran teilzunehmen, gibt uns, wissen Sie, ein Anzeichen dafür, dass die Sache bis jetzt gut angepackt wurde. Es hängt natürlich damit zusammen, ob, wissen Sie, dieses Momentum richtig verstanden wird und diese Konferenz als eine Entfaltung anderer, noch wichtiger Schritte verstanden wird, um die Sache richtig anzusprechen mit dem Gesamtziel, Frieden im Nahen Osten herbeizuführen auf Grundlage der Implementation von UNO-Resolutionen oder Rückgabe der besetzten Gebiete, und dann, wie gesagt, Richtung eines palästinensischen Staates, also wie die Aufrechterhaltung der palästinensischen Nationalforderungen. Das ist sehr wichtig. Alles in allem bildet für uns ein Paket, um den Frieden herbeizuführen.

    Schütte: Ein Paket, sagen Sie. Was aber, wenn Israel und die syrische Regierung sich über die Golanhöhen doch nicht einig werden? Unterstützen Sie dann trotzdem noch den Friedensprozess?

    Omran: Na, schauen Sie mal, Syrien ist davon ausgegangen, und das ist einfach unsere Haltung, und das wird immer unsere Haltung sein, der Frieden ist für uns alternativ, ist eine Alternative, von der wir niemals abgehen werden oder abwenden werden. Sicherlich, wir werden darum kämpfen, dass der Frieden eines Tages realisiert wird, und es könnte, wie gesagt, nah sein, wenn Israel sagt, okay, ich bin einverstanden, die relevanten UNO-Resolutionen zu implementieren, und ich gebe wieder das Land Syrien zurück, das einfach von uns annektiert wurde im Jahre 1967, an die Syrier wieder weiter. Erst dann herrscht die Möglichkeit, dass man einfach ganz normale Beziehungen, so wie es sich gehört, wissen Sie, zwischen Staaten einfach aufnehmen kann. Aber ohne Land gibt es meines Erachtens keinen Frieden.

    Schütte: Kommen wir auf ein weiteres, sagen wir, Problem zu sprechen, das ist die Haltung der Hamas. Hat die Hamas die Macht, die Friedensprozesse, die Friedensgespräche scheitern zu lassen?

    Omran: Was wir wollen, ist eigentlich, dass alle Probleme, die Hamasleute sind auch Palästinenser, und wenn sie etwas sagen, dann, von ihrer Sichtwarte aus gesehen, wollen sie die Sache anders anpacken. Sie gehen davon aus, dass alles, was bis jetzt einfach gemacht wurde, zu nichts führen wird, weil sie nach Ihrer Auffassung die Israelis bis jetzt einfach gut kennen gelernt haben, und sie werden das niemals irgendwie ihr Land oder ihre Rechte bekommen durch die Israelis. Deshalb halten sie einfach diese für viele unverständliche Position. Aber für ihre Begriffe ist das verständlich, weil sie sehr viel gelitten haben. Was uns Syrier angeht, ich kann das Ihnen sagen und noch mal bestätigen, schauen Sie mal, in Syrien gibt es zurzeit ungefähr eine Million Palästinenser, eine Million. Und wenn wir das Problem lösen wollen, dann muss die Frage der Flüchtlinge auch mitgelöst werden. Es könnte nicht meinetwegen davon gesprochen werden, ohne dass dauernd die Palästinenser, die überall zerstreut sind, in Syrien und Jordanien, in Libanon auch mit einbegriffen werden und dafür auch eine Lösung oder zum Beispiel irgendwie so eine Alternative dafür gefunden werden, die in ihrem Sinne einfach existiert, und es war ihr Recht. Wie sie später mal mit diesem Recht vorgehen, das ist ihnen überlassen, nicht uns, aber das kann man niemals verkennen.

    Schütte: Bisher galt Damaskus als ein sicherer Hafen für die Führungsspitze radikaler Palästinensergruppen. Sind diese Zeiten denn nun vorbei?

    Omran: Wir haben die Palästinenser nicht zu uns eingeladen. Sie sind zu uns gekommen, weil sie von ihrem Land vertrieben worden sind. Syrien war das erste Land, das viele Palästinenser aufgenommen hat, die von 1948. Und wenn sie in Syrien zurzeit sind, dann müssen wir auch daran denken, dass ihnen unbedingt geholfen werden muss, einfach, dass sie zu ihrem Recht kommen. Und wir hoffen, das, was sich zurzeit, wissen Sie, in der Gesamtpolitik heute abspielt, unbedingt nicht die Frage der Flüchtlinge einfach vernachlässigt oder vergisst, um einen allgemeinen Frieden herbeizuführen, ohne das ist es ein bisschen schwierig.

    Schütte: Was bedeutet die Teilnahme Syriens in Annapolis, jetzt rückblickend, für das Verhältnis zum Iran?

    Omran: Na ja, schauen Sie mal, also ich muss vielleicht von vornherein den Zuhörern etwas erklären, dass die syrischen Beziehungen zu Iran freundschaftlich sind. Es gibt wirtschaftliche Beziehungen zwischen Iran und Syrien. Und Iran ist für uns ein bedeutendes Land, wissen Sie, also nicht nur für Syrien, sondern für die gesamte Region. Und nach unserem Wissen hat der Iran niemals Aggressionskriege gegen seinen Nachbarn geführt, aber Syrien ist nun mal ein säkularer Staat, der auf politische, religiöse und ethnische Polarität beruht und an Prinzipien des Friedens, ich sag es noch mal wieder, an Prinzipien des Friedens, der Freundschaft, Zusammenarbeit, Anerkennung des anderen Partner irgendwie glaubt. Und darin gibt es meines Erachtens sicherlich ein bestimmtes Herangehen, das eventuell anders zu interpretieren sei. Syrien glaubt an die UNO-Resolutionen, Syrien glaubt an die Zukunft aller Staaten, wissen Sie, in der Region, und wenn dazu der Friede, also sagen wir mal, der Boden für Frieden herbeigeschaffen werden kann, dann besteht für ein gutes nachbarschaftliches Zusammenleben überhaupt gar kein Problem.

    Schütte: Eine gute Beziehung zum Iran, sagen Sie. Trotzdem haben Sie dazu beigetragen, dass Teheran nun politisch ein wenig isoliert dasteht?

    Omran: Was heißt das, isoliert, wissen Sie? Also von Isolation, wenn die Rede davon sein kann, dann liegt es nicht an uns, wissen Sie, wir halten uns an die arabische, solidarische Haltung. Es wurde einfach in dem letzten Außenministertreffen, kürzlich stattgefunden in Kairo -- Wir haben, wissen Sie, den Beschluss gefasst, wenn der Golan angesprochen wird und die Problematik aufgegriffen wird, dass wir einfach daran teilnehmen werden, und zwar in dieser für meine Begriffe wichtigen Konferenz. Und als uns das einfach zugesprochen und versichert wurde, dass dies eventuell auch ein Anfang sein kann für spätere, für andere Thematiken, die uns persönlich als Syrier betreffen, hatten wir einfach nichts dagegen gefunden, dass man daran teilnimmt.

    Schütte: Irans Präsident Ahmadinedschad hat aber geäußert, er sei nun enttäuscht von Syrien. Also doch nicht so gute Nachbarschaft mehr?

    Omran: Na ja, ich weiß nicht ganz den Wortlaut, was er gesagt hat darüber, aber ich kann Ihnen sagen, wie die syrische Haltung, die syrische Diplomatie einfach ausschaut. Wir sind für alle Schritte, die dazu führen werden, eine Gesamtfriedenslage im Nahen Osten herbeizuführen.

    Schütte: Hussein Omran, der Botschafter Syriens in Berlin. Danke für das Gespräch!