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Syrien
Zech (CSU): "Russlands Truppeneinsatz hat Friedensgespräche vorangebracht"

Hätte Russland im vergangenen Herbst keine Truppen nach Syrien geschickt, dann wäre man in den Friedensverhandlungen längst nicht an dem Punkt, an dem man heute sei, sagte CSU-Außenpolitiker Tobias Zech im DLF. Eine Partnerschaft mit Putin sei unumgänglich - denn ohne Russland werde es langfristig keinen Frieden in Syrien geben.

Tobias Zech im Gespräch mit Christoph Heinemann | 15.03.2016
    Christoph Heinemann: Die Überraschung ist gelungen. Heute offenbar der Auftakt zum Vollzug. Russland hat mit dem Teilabzug seiner Truppen aus Syrien begonnen. Erste Kampfflugzeuge seien vom Stützpunkt Yemin mit Ziel Russland gestartet. Das teilte das russische Verteidigungsministerium in Moskau mit. Präsident Putin hatte gestern etwa fünf Monate nach dem Beginn der Luftangriffe in Syrien den Abzug des Hauptkontingents befohlen. Am Telefon ist Tobias Zech (CSU), Abgeordneter des Deutschen Bundestages und stellvertretender Vorsitzender der EVP-Fraktion in der parlamentarischen Versammlung des Europarats. Guten Tag.
    Tobias Zech: Hallo! Ich grüße Sie.
    Heinemann: Herr Zech, hat Putin Sie überrascht?
    Zech: Der Zeitpunkt hat mich definitiv überrascht. Dass Russland nicht vorhatte, ein längeres Engagement in Syrien militärisch anzustreben, war offenkundig. Allerdings der schnelle Abzug jetzt gestern, die schnelle Verkündigung, das sofortige Handeln heute Vormittag war etwas überraschend, ja.
    Heinemann: Warum jetzt?
    Zech: Ich denke, dass die Strategie von Russland war, Bewegung in die Diskussion zu bringen, natürlich aber auch Bewegung in die Truppenstärken vor Ort. Das hat funktioniert und jetzt geht es um eine nachhaltige Lösung. Die kann nur in Genf erfolgen und es macht tatsächlich Sinn, jetzt die Truppen abzuziehen und somit den Friedensverhandlungen Lauf zu geben.
    "Fremde Truppen im Land sind für Friedensgespräche nicht positiv"
    Heinemann: Hat Putin denn sein strategisches Ziel erreicht?
    Zech: Ich denke, Putin hat das Ziel erreicht, dass wir zum ersten Mal seit fünf Jahren alle Verhandlungspartner am Tisch haben und wir jetzt seit über zwei Wochen einen nicht hundertprozentigen, aber doch stabilen Waffenstillstand in Syrien haben. Bewegung ist in die Sache gekommen, nachdem die Russen am 30. September in Syrien einmarschiert sind.
    Heinemann: Inwiefern Bewegung?
    Zech: Dass wir neue Gesprächsformate haben, dass das Thema einer Lösung des Bürgerkrieges in Syrien wieder auf die Agenda Nummer eins gesetzt worden ist. Wir haben bei der Frage Syrien immer die Flüchtlinge im Auge gehabt, aber nicht mehr den Krieg. Wir haben ein Vakuum geschaffen, in dem dann Russland vordringen konnte, weil wir nicht aktiv genug waren, diplomatisch wie auch militärisch diesen Krieg zu beenden. Das ist jetzt anders.
    Heinemann: Heißt das, zur Bilanz dieses Einsatzes gehört, dass der russische Einsatz die Friedensverhandlungen eigentlich erst ermöglicht hat?
    Zech: Ich denke, hätte Russland am 30. September nicht Truppen nach Syrien geschickt, dann wären wir heute nicht so weit, wie wir jetzt sind.
    Heinemann: Herr Zech, wird dieser Teilabzug die Friedensgespräche beeinflussen?
    Zech: Ja, positiv. Positiv. Fremde Truppen im Land sind für Friedensgespräche sicherlich nicht positiv. Der Teilabzug hat aus meiner Sicht genau das, was Sie gerade angesprochen haben, zum Ziel, die Friedensgespräche in einem positiven Weg mit zu begleiten und so wenig wie möglich zu stören. Allerdings behalten sich die Russen natürlich das Hintertürchen vor, dass sie noch Truppenteile in Syrien belassen, allerdings mit einer verminderten Stärke.
    "Wir müssen einfach erkennen, dass jedes Land eigene Interessen verfolgt"
    Heinemann: Nun hat Al-Nusra - das ist die Vertretung von Al Kaida in Syrien - eine Offensive angekündigt, jetzt wo die Russen teilweise jedenfalls verschwinden. Geht es jetzt weiter so wie vor dem russischen Einsatz?
    Zech: Ich glaube nicht. Wir haben in den letzten Wochen erlebt, dass man sich, wenn man will, durchaus koordinieren kann. Es gibt eine ganz starke Einigkeit aller Partner, westlich wie auch mit Russland, dass wir gegen Al Kaida beziehungsweise die Al-Nusra-Front, aber auch gegen den IS vorgehen. Das passiert. Das passiert auch mit Beteiligung aus Europa, aktiv oder wie wir in der Logistik oder in der Aufklärung, und das wird so weitergehen.
    Heinemann: Herr Zech, wie sehen Sie das? Wird in Deutschland zu einseitig über die Einsätze der unterschiedlichen Nationen berichtet im Sinne, die Russen sind die Bösen, die Amerikaner und die Franzosen die Guten?
    Zech: Das weiß ich nicht. Ich glaube, wir müssen einfach erkennen, dass jedes Land eigene Interessen verfolgt. Amerika verfolgt amerikanische Interessen, Russland verfolgt russische Interessen. Ich glaube, wir sind manchmal zu gutgläubig, was den altruistischen Ansatz betrifft. Ob zu einseitig berichtet wird, das will ich mir nicht anmaßen. Es gibt durchaus unterschiedliche Medien, die einen Schwerpunkt auf bestimmte Einsätze legen. Ich glaube, wir tun gut daran, unsere eigenen Interessen zu vertreten, mal mit dem einen, mal mit dem anderen Partner. Dann können wir das meiste für uns auch mit bewegen und somit auch zu einer Stabilität und Stabilisierung der Lage beitragen.
    "Eine Partnerschaft ist mit Putin unumgänglich"
    Heinemann: Und wie viel Partnerschaft ist mit Putin möglich?
    Zech: Ich denke, eine Partnerschaft ist mit Putin unumgänglich. Ohne Russland wird es langfristig keinen Frieden im Orient geben. Ohne Russland wird es auch keinen Frieden in Syrien geben. Das ist die Situation. Der nächste Konflikt in der Ostukraine wird auch nur mit Russland zu lösen sein. Wir haben mit der Normandie-Gruppe, mit Poroschenko, Putin, Hollande und unserer Bundeskanzlerin ein gutes Format. Hier müssen jetzt aber mehr Taten folgen.
    Heinemann: Der CSU-Europapolitiker Tobias Zech. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Zech: Sehr gern. Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.