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Syrische Flüchtlinge
Schweden sagt Willkommen

In Schweden bekommt jeder syrische Flüchtling ein permanentes Bleiberecht, darf arbeiten, erhält finanzielle Unterstützung und Sprachunterricht. Diese Bedingungen machen das Land zu einem beliebten Ziel vieler Syrer. Beachtlich: Überfordert sind die schwedischen Behörden deshalb aber nicht.

Von Simonetta Dibbern | 11.06.2014
    Eine schwedische Flagge an einem Kleidungsstück
    Flüchtlings-Beraterin Rebekkah Kaufmann: "Ich sehe es als meine Verantwortung und nicht als Problem, so viele Flüchtlinge aufzunehmen." (dpa / Romain Fellens)
    Es ist ein gewöhnlicher Frühlingsnachmittag im Arbeitsamt von Södertälje, einer kleinen Industriestadt nahe Stockholm. Ein schäbiger 70er-Jahre-Bau mit niedrigen Decken und dunklen Fluren, trotzdem ist die Atmosphäre heiter. Die Wartenden plaudern - auf Arabisch. Liliana, 30 Jahre alt, hat gerade eine Nummer gezogen.
    "Ich komme aus Syrien und ich liebe mein Land. Ich bin nach Schweden gekommen wegen der Probleme in Syrien, der Krieg. Ich möchte zurück, aber das geht nicht. Hier habe ich keine Wohnung, ich lebe bei meinem Cousin und die Wohnung ist klein, ich kann die Sprache nicht, da ist es schwierig, einen Job zu finden."
    Darum ist sie hier. Nachdem sie von der Einwanderungsbehörde ein permanentes Bleiberecht bekommen hatte, wurde sie aufgefordert, sich bei der Steuerbehörde zu melden, um ihre persönliche Identifikationsnummer zu erhalten. Seitdem ist das Arbeitsamt zuständig für sie. Eine politische Entscheidung der Regierung: Damit die Neuankömmlinge so schnell wie möglich in der schwedischen Gesellschaft Fuß fassen, bekommen sie Hilfe bei der Arbeitssuche. Zunächst mit einem sogenannten Etablierungsprogramm – unterstützt von persönlichen Betreuern wie Rebekkah Kaufmann.
    "Wir haben ein Programm für alle, die in Schweden Asyl bekommen, es läuft über zwei Jahre. Das Ziel ist, ihnen entweder bei der Jobsuche zu helfen oder sie auf eine weitere Ausbildung vorzubereiten. Im Moment sind insgesamt circa 1100 Personen in diesem Programm - als ich hier angefangen habe, vor zweieinhalb Jahren, waren es nur 300. Das ist also ein enormer Anstieg."
    Wer schwedisch lernt, bekommt finanzielle Unterstützung
    50 Klienten hat Rebekkah Kaufmann im Moment, Liliana ist eine von ihnen. Neben der persönlichen Beratung müssen die ersten Schritte geplant werden. Am Anfang steht eine zweiwöchige Einführung in schwedische Geschichte, Gesellschaft und Kultur – möglichst in der Muttersprache. Gleichzeitig läuft die Anmeldung für den Schwedischkurs. Denn erst wer beim SFI, dem Institut Schwedisch für Einwanderer, eingeschrieben ist, bekommt Geld – rund 38 Euro für jeden Unterrichtstag. Daneben läuft die intensive Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz, zusammen mit dem sogenannten Lotsen.
    Im Team von Rebekkah Kaufmann sind ausschließlich Akademiker, die sich für diesen Job extra beworben haben: die Anfang 30-Jährige hat selber Politikwissenschaften studiert, mehrere Jahre für eine NGO in den Palästinensergebieten gearbeitet – dass sie dort arabisch gelernt hat, ist jetzt ein Vorteil.
    "Ich spreche ein bisschen Arabisch. Doch für die Gespräche hier im Büro hole ich immer einen Übersetzer dazu, das hat rechtliche Gründe, damit die Klienten alles richtig verstehen. Aber sie können mich jederzeit anrufen. Oder ich sie. Auf Arabisch."
    Bisher zu wenige Wohnungen und Arbeitsplätze
    Auch Rebekkahs Kollegen sind hochmotiviert - trotz des Flüchtlingsansturms. Sie versuchen, ihren Schützlingen während ihrer ersten zwei Jahre in Schweden soviel Sicherheit zu geben wie möglich . "Wir freuen uns, Sie kennenzulernen", steht auf der Internetseite des schwedischen Arbeitsamtes, in verschiedenen Sprachen.
    "Ich bin sicher, dass wir die Situation meistern können. Schließlich sind die Menschen vor dem Krieg geflohen. Und daher müssen wir ihnen helfen und die Probleme irgendwie lösen."
    Doch es gibt zu wenig Wohnungen, zu wenig adäquate Arbeitsplätze. Dafür, meint auch Boel Godner, die Bürgermeisterin von Södertälje, müssen möglichst bald Lösungen gefunden werden, auf staatlicher Ebene. Dafür kämpft sie. Doch bis es soweit ist, sei jeder Flüchtling in ihrer Gemeinde willkommen, sagt sie.
    "Alle reden von den Problemen – ich sehe es als meine Verantwortung und nicht als Problem, so viele Flüchtlinge aufzunehmen. Sie wissen doch sonst nicht wohin. Und ich denke, das gleiche sollten auch die anderen Länder tun: nicht die Probleme aufzählen, sondern: Verantwortung übernehmen."