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Ta-Nehisi Coates
Eine amerikanische Tragödie

Rasse und Rassismus sind das Lebensthema des afroamerikanischen Journalisten Ta-Nehisi Coates. In seiner Essaysammlung "We were eight years in power" vertritt er die These, die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten sei die Rache des weißen Amerika für die Ära Obama.

Von Katja Ridderbusch | 12.03.2018
    Der US-amerikanische Schriftsteller und Journalist Ta-Nehisi Coates bei einer Rede in der Howard University in Washington am 16.11.2016.
    Der US-amerikanische Schriftsteller und Journalist Ta-Nehisi Coates (imago/ZUMA Press)
    Es gebe kein schwarzes und kein weißes Amerika, kein Amerika der Latinos oder der Asiaten, sondern die Vereinigten Staaten von Amerika, rief Barack Obama in seiner berühmten Rede auf dem Parteitag der Demokraten 2004. Vier Jahre später wurde er ins höchste Staatsamt gewählt. Der erste schwarze Präsident der USA. Einer, der versprach, das Land zu versöhnen. Doch vom Ende her liest sich die Geschichte anders, schreibt Ta-Nehisi Coates, einer der profiliertesten schwarzen Intellektuellen der USA:
    "Ein schwarzer Präsident würde immer ein Widerspruch für eine Regierung sein, die die meiste Zeit ihrer Geschichte schwarze Menschen unterdrückt hatte. Der Versuch, diesen Widerspruch durch Obama aufzulösen - einem schwarzen Mann mit tiefen Wurzeln in der weißen Welt - war bemerkenswert. Der Preis, den er forderte, unglaublich. Die Welt, in die er mündete, unvorstellbar."
    "We were eight years in power": Wir waren acht Jahre an der Macht, heißt Coates' neues Buch. Die These: Die Wahl von Donald Trump im November 2016 war der Rückschlag, die Rache für das historische Experiment Obama.
    Ideologie der weißen Vorherrschaft
    Der Autor bezeichnet Trump als den "ersten weißen Präsidenten Amerikas". Dabei meine er "nicht sein Aussehen, die Farbe seiner Haare oder Augen oder Haut", erklärt Coates im US-Rundfunk. "Selbstverständlich hatten wir viele Präsidenten, die ethnisch betrachtet Weiße waren. Aber das Besondere bei Trump ist, dass er seine gesamte politische Agenda als Antithese, als Negation der Identität und des Programms eines schwarzen Präsidenten, seines Vorgängers ausgerichtet hat."
    Bereits 2011 orchestrierte Trump, damals noch als Geschäftsmann, die sogenannte "Birther"-Schmutzkampagne: die Behauptung ultra-rechter Kreise, Obama sei gar kein amerikanischer Staatsbürger und damit auch kein legaler Präsident. Später schoss sich der Wahlkämpfer Trump auf Obamacare ein, die Gesundheitsreform seines Vorgängers - vor allem, meinen viele Beobachter, weil das Gesetzespaket Obamas Namen trägt.
    Trumps Ideologie sei die der White Supremacy, der weißen Vorherrschaft, sagt Coates. Argumente, die Trumps Wahlsieg mit der tiefen Frustration der weißen Arbeiterklasse erklären, überzeugen den Autor nicht: "Dann soll mir jemand erklären, warum die schwarze Arbeiterklasse und die Latino-Arbeiterklasse anders gewählt haben", sagt Coates. Diese seien schließlich auch Verlierer der Globalisierung. "Tatsache ist, dass Trump nicht nur in der weißen Arbeiterklasse die Mehrheit der Stimmen bekam, sondern im gesamten weißen Amerika."
    Reparationen für Afroamerikaner?
    Die Statistik gibt Coates recht: 58 Prozent der weißen Amerikaner wählten Donald Trump. Weiße Männer und weiße Frauen, Weiße mit und ohne Hochschulabschluss, Weiße an der Ostküste und Weiße im Mittleren Westen - sie alle wählten mehrheitlich Trump.
    Vordergründig handelt es sich bei Coates' Buch um eine Sammlung von acht Essays aus dem Magazin "The Atlantic"- ein Essay für jedes Jahr der Obama-Ära. Darunter sind Porträts von First Lady Michelle Obama, Schwarzenführer Malcolm X und Entertainer Bill Cosby. Außerdem ein Essay aus dem Jahr 2014, in dem der Autor vorschlägt, die US-Regierung solle Reparationen an die Afroamerikaner zahlen. Darin schreibt Coates:
    "Wir können unserer Geschichte nicht entkommen. All unsere Lösungsansätze für die großen Probleme der Gesundheitsversorgung, der Bildung, des Wohnungswesens und der ökonomischen Ungleichheit werden durch das, was nicht gesagt werden darf, beeinträchtigt. [...] Ein Amerika, das wegsieht, ignoriert nicht nur die Sünden der Vergangenheit, sondern auch die Sünden der Gegenwart und die unvermeidlichen Sünden der Zukunft."
    Kritische Analyse der Obama-Präsidentschaft
    Coates stellt jedem Artikel eine Einführung voran. Darin erläutert der Autor die Umstände des Schreibens, hinterfragt seine Einschätzungen und relativiert rückblickend einige seiner Urteile. Die Einführungen binden die Artikel zusammen, schaffen Tiefenschärfe und Kontext.
    Der Autor hat Obama während seiner Jahre im Weißen Haus mehrfach getroffen. Er begegnet ihm mit Sympathie, aber das hält ihn nicht davon ab, die Grenzen der Obama-Präsidentschaft kühl zu analysieren. "Die bittere Ironie von Barack Obama ist Folgende: Er wurde zum erfolgreichsten schwarzen Politiker der amerikanischen Geschichte, indem er den radioaktiven Rassethemen der Vergangenheit auswich", schreibt Coates. "Und doch verstrahlt sein unauslöschliches Schwarzsein alles, was er anfasst."
    Düsteres Sittengemälde
    Ta-Nehisi Coates ist kein Autor, der es seinem Publikum leicht macht, keiner, der sich in eine feste Kategorie pressen oder vor einen politischen Karren spannen lässt. Und vor allem keiner, der das Bedürfnis nach Harmonie bedient. Die Aussichten auf eine Versöhnung der Rassen in Amerika stünden schlecht, meint er.
    "Wir haben 400 Jahre Geschichte, die auf uns lasten", so Coates. "Unsere Gesellschaft hat noch keinen Weg gefunden, diese Schuld an Schwarzen abzuzahlen, die Last der Geschichte von uns zu nehmen. Und deshalb halte ich die Erwartung, dass sich das bald ändern sollte - mit Verlaub - für etwas naiv."
    Die Essays von Ta-Nehisi Coates zeichnen ein düsteres Sittengemälde Amerikas, eigenwillig und verstörend, in rauer, schöner, manchmal sperriger Sprache. Ein Lagebild, das den Optimismus der Obama-Jahre wie ein fernes und ein schales Echo erscheinen lässt.
    Ta-Nehisi Coates: "We were eight years in power. Eine amerikanische Tragödie"
    Hanser Berlin, 416 Seiten, 25 Euro.