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Tabuthemen beim Bündnis für Arbeit?

Heinlein: Am Telefon begrüße ich jetzt die stellvertretende DGB-vorsitzende Ursula Engelen-Kefer. Guten Morgen.

    Engelen-Kefer: Guten Morgen, Herr Heinlein.

    Heinlein: Frau Engelen-Kefer, die Arbeitgeber haben Interesse an einer Neuauflage der Bündnisgespräche. Sie auch?

    Engelen-Kefer: Natürlich haben wir Interesse an einer weiteren Runde der Bündnisse für Arbeit. Die Lage ist ernst, wir müssen dringend gemeinsame Aktionen machen, um die Beschäftigung zu verbessern und die Arbeitslosigkeit zurückzudrängen.

    Heinlein: Bundeskanzler Schröder hat nun gesagt, er wolle ein 'Bündnis ohne Tabus'. Gibt es denn Tabus für die Gewerkschaft?

    Engelen-Kefer: Das ist natürlich immer eine interessante Frage, denn es geht ja im Endeffekt darum, zu wessen Gunsten beziehungsweise zu wessen Lasten sollen denn hier Tabus gebrochen werden? Und wenn das Brechen von Tabus so wie das in den letzten Wochen deutlich wurde vor allem zu Lasten der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften geht, dann wird man hier wenig Freude auf dieser Seite hervorrufen und das Bündnis für Arbeit eher belasten.

    Heinlein: Zu diesen gebrochenen Tabus, die Sie gerade angesprochen haben, gehört sicherlich der Clement-Vorschlag in Sachen Kündigungsschutz. Fühlen Sie sich denn vom Kanzler getäuscht, denn vor der Wahl hatte er ja eine Lockerung des Kündigungsschutzes ausgeschlossen.

    Engelen-Kefer: Ja, wir sind enttäuscht und sehr verärgert, ich glaube, das ist vom DGB, aber auch von Mitgliedsgewerkschaften, sehr deutlich gemacht worden und außerdem hat ja die Erfahrung gezeigt, dass die Lockerung und Aufweichung des Kündigungsschutzes keine neuen Arbeitsplätze bringt, eher das Umgekehrte, gerade in konjunkturell schlechteren Zeiten würden die Entlassungen damit noch leichter gemacht und deshalb sollte man sich lieber mit den Maßnahmen beschäftigen, die wir ja schon auf den Weg gebracht haben, nämlich im Rahmen der Hartz-Gesetze, und sehen, wie wir sie bestmöglich umsetzen.

    Heinlein: Sie machen also von vornherein die Schotten dicht, keine Gespräche über den Kündigungsschutz im Bündnis für Arbeit?

    Engelen-Kefer: Soweit ich das übersehen kann, sieht das bei den Gewerkschaften so aus und wie gesagt: es gibt viele Alternativen, die erheblich besser sind und die wir verfolgen wollen. Zum Beispiel die Frage, wie die vermittlungsorientierte Leiharbeit so umgesetzt werden kann, dass sie Beschäftigung bringt und eben die Arbeitnehmer nicht unzulässig belastet.

    Heinlein: Bleiben wir noch einen Moment beim Kündigungsschutz. Da meldet die Süddeutsche Zeitung, der Kanzler plane einen Kompromiss beim Kündigungsschutz. Danach soll der Kündigungsschutz für Beschäftigte im Betrieb mit mehr als fünf Mitarbeitern erhalten bleiben, aber aufgeweicht werden. Kündigungen innerhalb der ersten vier Jahre sollen möglich sein mit einer Abfindung, ab mehr als zehn Mitarbeitern soll der bisherige Kündigungsschutz dann erhalten bleiben. Ist das für den DGB ein akzeptabler Kompromiss?

    Engelen-Kefer: Nein, denn er gibt natürlich Arbeitgebern dann jede Möglichkeit, durch geschickte Personaldispositionen praktisch den Kündigungsschutz erheblich aufzuweichen. Wenn man schaut: Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten betreffen acht Millionen Beschäftigte in der Bundesrepublik. Das sind also nicht irgendwelche Minderheiten sondern über ein Viertel der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik. Und wie gesagt: derartige Aufweichungsversuche sind mit den Gewerkschaften nicht zu machen.

    Heinlein: Also glauben Sie, dass eine Lockerung des Kündigungsschutzes, egal in welcher Form, neue Stellen nicht schafft in kleinen und mittleren Betrieben, sondern eher Arbeitsplätze vernichtet?

    Engelen-Kefer: So ist das. Und ich darf darauf hinweisen, dass wir ja andere Flexibilisierungsinstrumente bereits haben, die nicht zu unserer Freude eingeführt wurden, wie beispielsweise die befristete Beschäftigung. Heute kann jeder jeden Arbeitnehmer erst einmal bis zu zwei Jahren befristet beschäftigen. Auch Mehrfachbefristungen sind möglich. Ich glaube, es gibt so viele Flexibilisierungsinstrumente, auch im Rahmen der Tarifpolitik. Wir brauchen nicht noch mehr zu Lasten der Arbeitnehmer.

    Heinlein: Frau Engelen-Kefer, die Arbeitgeber wollen ja auch das Thema Tarifpolitik in die Gespräche mitaufnehmen. Der DGB, wir haben es eben gehört, hat dies abgelehnt. Warum wollen Sie das von vornherein ausklammern?

    Engelen-Kefer: Ich glaube, wir werden erst einmal sehr um Vertrauen für das Bündnis für Arbeit werben müssen. Arbeitnehmergewerkschaften haben ja nicht so gute Erfahrungen damit gemacht und dann sollte man es nicht mit Themen belasten, die für eine Seite nicht akzeptabel sind. Es sind auch im Bündnis für Arbeit nicht diejenigen, die die Tarifverhandlungen führen - auf beiden Seiten nicht. Man sollte die Tarifverhandlungen da lassen, wo sie sind und ich darf daran erinnern, dass wir ja in der Bundesrepublik grundgesetzlich verankert die Tarifautonomie haben, das sollte man nicht in Frage stellen. Wir haben so viele andere Themen, warum muss man ausgerechnet dieses Reizthema in den Vordergrund stellen, wo man weiß, dass dies nur unnötige Hürden für das Bündnis für Arbeit aufbaut.

    Heinlein: Aber anscheinend sind sich die Gewerkschaften untereinander bei diesem Thema nicht einig: der Chef der IGBCE, Hubertus Schmoldt, ist durchaus bereit, im Bündnis über die Tarifpolitik zu reden. Haben Sie eine Erklärung für diese Kakophonie der Gewerkschaften?

    Engelen-Kefer: Ich weiß nicht, ob man dies so bezeichnen kann. Dass es auch bei den Gewerkschaften unterschiedliche Auffassungen gibt, denke ich, ist durchaus plausibel, es gibt ja auch unterschiedliche Rahmenbedingungen. Aber auch Hubertus Schmoldt hat, wenn ich das richtig sehe, immer wieder deutlich gemacht, dass er das Bündnis für Arbeit nicht als Ersatz-Tarifpartei oder Ersatz-Tarifverhandlungen ansehen will und das ist das Entscheidende.

    Heinlein: Herr Rogowski vom BDI verlangt jetzt von den Gewerkschaften, sie sollen ihre Oberbremserfunktion aufgeben, so hat er gesagt, endlich den Fuß von der Bremse nehmen. Ist dies ein guter Auftakt für die möglichen Bündnisgespräche?

    Engelen-Kefer: Ich möchte gerne wissen, wer bremst. Die Arbeitgeber bremsen, was die Investition anbelangt und die Schaffung von Arbeitsplätzen und ich wäre froh, wenn sie den Fuß von der Bremse nehmen würden und endlich einmal ihre offenen Stellen melden, von denen sie ja immer behaupten, dass sie da sind. Denn dann hätten wir ganz schnell die Möglichkeit, die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verringern und auch die Kosten zu verringern und ein Stückchen weiter zu kommen in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

    Heinlein: In die Rolle der sozialen Besitzstandswahrer wollen Sie sich also nicht drängen lassen?

    Engelen-Kefer: Nein, ich glaube, das bringt uns nicht sehr viel weiter. Wir sind bereit zu konstruktiven Verhandlungen über Maßnahmen, die die Beschäftigung voranbringen, aber sie müssen auch wirksam und alle sozial ausgewogen sein.

    Heinlein: Ganz kurz zum Schluss, Frau

    Engelen-Kefer: wann rechnen Sie mit einem Beginn möglicher Gespräche: in den kommenden ein, zwei Monaten oder wird es länger dauern?

    Engelen-Kefer: Ich hoffe, dass es in den kommenden ein, zwei Monaten passiert, denn es ist dringend erforderlich in Anbetracht der Lage auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft und hier darf keine unnötige Verzögerung auftreten. Das gilt aber für alle betroffenen Seiten.

    Heinlein: Die stellvertretende DGB-Chefin Ursula Engelen-Kefer hier heute morgen im Deutschlandfunk. Frau Engelen-Kefer, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Engelen-Kefer: Auf Wiederhören, Herr Heinlein.

    Link: Interview als RealAudio