Freitag, 19. April 2024

Archiv

Tadschikistan
Umstrittenes Verbot einer muslimischen Partei

Die autoritäre Führung in Tadschikistan kontrolliert auch das religiöse Leben streng. Minderjährigen ist es so verboten, Moscheen zu besuchen. Nun wurde eine islamische Partei unter dem Vorwand des Terrorismus verboten - dabei sorgt eher die Armut für eine zunehmende Radikalisierung.

Von Gesine Dornblüth | 11.01.2016
    Ein Plakat mit dem Konterfei von Staatspräsident Emomalii Rahmon hängt an einem Gebäude.
    Staatspräsident Emomalii Rahmon regiert autoritär. (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)
    Safar Dawlat sitzt auf dem Beifahrersitz. Es ist schon dunkel. Sein langes Gewand ist nur schemenhaft zu erkennen.
    "Jeder meiner Schritte wird überwacht. Ich hätte Sie zu mir nach Hause einladen müssen, das gebietet unsere Gastfreundschaft. Aber es geht nicht, entschuldigen Sie. Wenn irgendjemand verrät, dass ausländische Journalisten bei mir waren, bekomme ich morgen Probleme mit dem Geheimdienst."
    Safar Dawlat war Imam in einer Moschee in Tadschikistan. Vor einigen Monaten verlor er seine Stelle. Die Probleme begannen, als die Behörden von ihm verlangten, das Minarett der Moschee abzutragen. Es war von der Straße aus zu sehen, die zur Residenz des Präsidenten führt.
    "Sie haben gesagt: Wenn Touristen die Moschee sehen, denken sie, sie seien in Pakistan oder Afghanistan, und hier seien Terroristen. Sie könnten sich gestört fühlen."
    Tadschikistan wird autoritär regiert
    Widerwillig lenkte der Imam ein und ließ das Minarett abreißen. An Druck war er gewöhnt. Tadschikistan wird autoritär regiert. Der Staat kontrolliert auch das religiöse Leben streng. Minderjährigen ist es verboten, Moscheen besuchen. Auch Islamunterricht steht unter Strafe. Dann aber wollten die Behörden Dawlat auch noch vorschreiben, was er am Freitag in der Moschee predigen sollte. Es ging um die Partei der islamischen Wiedergeburt, eine Oppositionspartei Tadschikistans. Es war die einzige reguläre religiöse Partei auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Im Herbst haben Richter sie für extremistisch erklärt und verboten. Safar Dawlat:


    "Sie haben entsetzlichen Druck auf mich ausgeübt: 'Entweder, du predigst, was wir sagen, oder du wirst entlassen.' Ich sollte sagen, dass das eine Partei von Verrätern sei. Und ich sollte auch gegen unsere geistlichen Anführer predigen. Ich habe gesagt: Für eine Milliarde Dollar würde ich so etwas nicht tun. Denn ich achte die Verfassung Tadschikistans und die religiösen Vorschriften."
    Straßnhändler in Chudschand.
    Die Menschen leben in ärmlichen Verhältnissen. (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)
    Das Verbot der Partei der islamischen Wiedergeburt ist umstritten. Die Regierung Tadschikistans sagt, sie habe einen Staatsstreich vorbereitet. Kritiker werfen der Regierung vor, sie nutze den Antiterrorkampf nur als Vorwand, um die Religions- und Meinungsfreiheit einzuschränken und die Opposition zu kriminalisieren. Westliche Experten etwa von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin schätzen die Partei als eher gemäßigt und vergleichsweise weltlich ein. Die tadschikische Justiz hat die gesamte Führungsriege verhaftet: mehr als zwanzig Mann. Parteimitglieder, die noch frei sind, haben Angst und reden nicht mit Journalisten. Ein Anwalt, der die verhafteten Parteifunktionäre verteidigen wollte, wurde auch gleich hinter Gitter gebracht. Er heißt Buzurgmekhr Yorov.
    Terrorismusvorwürfe gegen einen Anwalt
    Ein Besuch bei dem Vater des verhafteten Anwalts. Vor seinem Haus in Duschanbe spielen Nachbarskinder. Ravshani Yormuhammad ist 75 und geht am Stock. Die Staatsanwaltschaft wirft seinem Sohn vor, er habe Mandanten betrogen. Der Vater hält diese Vorwürfe für konstruiert.
    "Mein Sohn ist ein ehrlicher Mensch. Die Behörden sagen das zwar nicht, aber sie haben ihn verhaftet, weil er Mitglieder der Partei der islamischen Wiedergeburt verteidigen wollte. Was ist aber dabei? Sollen die Parteimitglieder etwa ohne Anwalt vor Gericht gestellt werden? Das ist verboten."
    Sein zweiter Sohn sitzt dabei, Dschamsched Yorov, gleichfalls Anwalt. Er sagt, die Terrorismusvorwürfe gegen die Partei der Islamischen Wiedergeburt seien an den Haaren herbeigezogen.
    "Hier gilt einfach jeder als Terrorist, der sagt, dass ihm etwas nicht gefällt. So läuft das hier."
    Er hat seinen Bruder im Gefängnis besucht.
    "Ich habe ihm einen Gebetsteppich gebracht. Im Gefängnis beten alle. Dort kann man ja sonst nichts tun."
    Für Religionspolitik und den Kampf gegen religiösen Radikalismus ist in Tadschikistan das Religionskomitee zuständig. Die Behörde ist beim Präsidenten angesiedelt. Ihr Mitarbeiter Mawlon Muchtorow verteidigt das Verbot der Islamischen Partei. Und Einschränkungen der Religionsfreiheit seien nötig, um Stabilität und Sicherheit in Tadschikistan zu gewährleisten.
    "Wir müssen die Jugend auf den rechten Weg bringen. Die jungen Leute werfen sonst alles hin, die Ausbildung, den Job, und gehen nur noch in die Moschee. Wenn alle in die Moschee gehen, wer arbeitet dann noch? Wer wird Schweißer, Dreher, Elektriker?"
    Radikalisierung nimmt zu
    Muchtorow nennt eine Zahl. 400 bis 450 Tadschiken würden in den Reihen des sogenannten Islamischen Staates in Syrien und im Irak kämpfen. Der religiöse Extremismus, sagt er, werde aber von außen nach Tadschikistan hineingetragen.
    "Unser Volk ist zufrieden. Tadschikistan entwickelt sich. Wir stören niemanden, und wir möchten, dass unser Volk, unser Regime und unseren Präsidenten auch niemand stört."
    Dschamsched Yorov, der Bruder des verhafteten Anwalts, kann darüber nur müde lächeln.
    "Hier in Tadschikistan ist nichts in Ordnung. In vielen Wohnungen gibt es keinen Strom. Ich wohne im zweiten Stock, da gibt es schon kein Wasser mehr! Man müsste eine Pumpe installieren, aber vom Staat kann man nichts erwarten."
    Armut macht die Menschen anfällig für Radikalismus – auch in Tadschikistan. Der entlassene Imam Safar Dawlat blickt aus dem Auto ins Dunkle. Er berichtet von mindestens 13 Männern aus seinem Bezirk, die im Irak und in Syrien kämpfen. Er ist frustriert. Denn seit er nicht mehr predigen dürfe, komme er an die Menschen nicht mehr heran.
    "Der Staat treibt die Leute dazu, radikal zu werden."