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Tag der Bildung

Heuer: Heute ist Tag der Bildung, jedenfalls in Deutschland. Hierzulande scheint so ein Tag besonders nötig zu sein, wie die Pisa-Studien ergeben haben. Mit hunderten Veranstaltungen will die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft auf den erheblichen Reformbedarf auch an den Schulen hinweisen. Die Bundesschülervertretung gehört mit zu den Initiatoren des Tages der Bildung. In ihrem Vorstand sitzt Dana Lüddemann, guten Tag, Frau Lüddemann.

    Lüddemann: Guten Morgen.

    Heuer: Spätestens seit PISA ist Bildung, Bildungspolitik wieder in aller Munde. Die Parteien schreiben das Thema ganz groß, hat sich im Alltag an den Schulen dadurch irgendetwas geändert?

    Lüddemann: An meiner Schule zumindest nicht. Ich habe den gleichen Unterricht vor zweieinhalb Jahren gehabt, wie ich ihn am Ende meiner Schulzeit vor kurzem auch noch hatte.

    Heuer: Fühlen Sie sich denn schlecht ausgebildet an Ihrer Schule?

    Lüddemann: Ich glaube, sehr vieles, was ich heute benutze, habe ich nicht in der Schule gelernt sondern im Bereich außerschulischer Bildung und das finde ich schon sehr schade, dass sozusagen das nicht allen möglich ist.

    Heuer: Woran hapert es denn im Schulunterricht?

    Lüddemann: Es hapert viel am Methodenverständnis der Lehrer, sich auf andere Methoden oder den einzelnen Schüler einzulassen und abzugehen vom Frontalunterricht.

    Heuer: Was ist Frontalunterricht?

    Lüddemann: Der Lehrer steht vorne, zeigt den Weg, eine Aufgabe zu lösen, man selber aber überlegt nicht, einen anderen Weg zu finden. Nur den Unterrichtsstoff durchzugehen, ohne zu sehen, ob es alle verstanden haben, ob es die sinnvollste Methode war. Es gibt auch viel mehr Methoden. Neben der klassischen Gruppenarbeit lassen sich auch Verfahren wie das open space, eine Kartenabfrage oder selbstorganisierter Unterreicht von Schülern einbauen.

    Heuer: Frau Lüddemann, erklären Sie uns auch noch, was open space bedeutet?

    Lüddemann: Das ist eine Moderationsmethode, in der man sehr frei erst mal von seinen eigenen Ideen ausgeht zu einer Thematik, dann in Arbeitsgruppen arbeitet und gemeinsam die Sachen auswertet.

    Heuer: Das eine ist die Methodik, das andere, wie man immer wieder hört, dass aufgrund der leeren Länderkassen zu wenige Lehrer an den Schulen sind und der Unterricht da ein bisschen kürzer kommt, als er es sollte und zum Beispiel die Klassen zu groß sind. Können Sie das bestätigen?

    Lüddemann: Natürlich. Wenn man in der siebten Klasse, in anderen Ländern ist es die Fünfte, wo man auf eine andere Schule wechselt, in einem recht starken Umschwung ist und dann mit 30 Leuten zusammensitzt, sich in einer neuen Umgebung orientieren muss, dann selber ein bisschen überfordert ist mit der Situation und der Lehrer dann nicht auf einen eingehen kann, mit 30 Leuten ist das eben sehr schwierig. Ähnlich ist es auch in den Grundschulen, da kommt sozusagen keine frühkindliche Förderung zu tragen wenn man bedenkt, dass 25 oder 30 in der Klasse sitzen. Das ist auch für den Lehrer schwierig. Das ist auch eine Geldfrage, aber ich glaube auch nicht, dass der große Wille bei den Politikern da ist.

    Heuer: Worin sollte sich denn dieser Wille äußern, wenn Sie sagen, unabhängig vom Geld muss sich etwas ändern - was muss sich ändern?

    Lüddemann: Aus dem Grundverständnis von Schule, nicht zu glauben, man schickt Schüler hinein und die kommen hinten als Menschen fertig raus, die man in der Wirtschaft verwerten kann. Darum kann es in der Schule nicht gehen, man kann das nicht glauben, so kann Schule nicht funktionieren, auch wenn man sich das zur Zeit sehr stark vormacht.

    Heuer: Da wären wir aber wieder bei der Methodik.

    Lüddemann: Das stimmt, aber auch das Verständnis von Lehrern. Wenn man den Lehrer nicht nur als jemanden hat, der seine Autorität und seinen Respekt von mir bekommt, weil ich weiß, der gibt mir eine schlechte Note oder einen Tadel, sondern darüber, dass ich weiß, dass er Fachwissen hat. Dass der Lehrer immer mehr in die Rolle eines Moderators kommt und den Schülern Wege aufzeigt und nicht immer gleich die fertige Lösung präsentiert. Das sind Möglichkeiten, die man auch heute umsetzen kann.

    Heuer: Nun behaupten ja alle politischen Parteien, sie wollten die Bildungspolitik reformieren und das sei ein ganz besonders wichtiges und dringendes Thema. Werden Schüler bei diesen anstehenden Reformen eigentlich nach Ihrer Meinung gefragt?

    Lüddemann: In einem sehr geringen Maße. Es gibt einzelne Schülervertretungen, die bei Gesetzesänderungen Mitspracherecht haben, aber insgesamt ist das Mitsprachrecht von Schülern sehr gering. Zur Zeit ist ein großes Problem, dass sich Bund und Länder um Kompetenzen streiten, wer mehr zu sagen hat, als wirklich gute Bildungspolitik zu machen. So lange man nicht mit den Betroffenen redet, kann die Reform auch nicht funktionieren.

    Heuer: Schüler fordern mehr Mitsprache. Das war Dana Lüddemann vom Vorstand der Bundesschülervertretungen am heutigen tag der Bildung in Deutschland. Danke, Frau Lüddemann.

    Lüddemann: Tschüss.

    Heuer: Tschüss.