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'Tag der offenen Moschee'

Lange: Der Dialog mit der islamischen Welt - seit dem 11. September 2001 ist das eine der regelmäßig wiederkehrenden Forderungen der Politik und wichtiger gesellschaftlicher Gruppen. Sie richtet sich zum einen nach innen, wie derzeit in der 'Woche des ausländischen Mitbürgers' oder wie gestern am 'Tag der offenen Moschee'. Aber die Forderung gilt natürlich auch nach außen. Seit einigen Monaten gibt es im Auswärtigen Amt ein spezielles Referat für den Dialog mit der islamischen Welt und einen speziellen Beauftragten. Er heißt Günter Mullak, war zuletzt Botschafter in Syrien und ist jetzt am Telefon in Kabul. Guten Morgen Herr Mullak

    Mullak: Einen schönen guten Morgen Herr Lange.

    Lange: Herr Mullak, was machen Sie in Afghanistan zur Zeit?

    Mullak: Ich bin in Afghanistan unterwegs, um mir einmal ein Bild vom kulturellen Wiederaufbau dieses durch langjährigen Krieg völlig zerschundenen Landes zu machen und zum andern auch Gespräche zu führen mit den Vertretern des Islam in allen Bereichen hier.

    Lange: In welchem Zustand sind denn die Kulturgüter in Afghanistan?

    Mullak: Bekannt ist ja die Zerstörung der Buddastatuen in Bamian, ansonsten haben die Moscheen natürlich auch lange gelitten von dieser wirklich schlimmen Zeit. Es gibt auch sehr viele Raubgrabungen, Zerstörungen und Beschädigungen. Aber es ist nicht so schlimm, wie ich es befürchtet hatte.

    Lange: Welchen Eindruck haben Sie von den Menschen in Afghanistan, wie organisiert ihren Alltag?

    Mullak: Die Menschen sind froh und erleichtert, von der Herrschaft der Taliban erlöst worden zu sein. Sie sind extrem freundlich, insbesondere wenn sie wissen, dass man Deutscher ist. Also, ich sage immer wieder: Wenn ich manchmal die missmutigen Gesichter der deutschen Mitbürger und Mitbürgerinnen in der U-Bahn in Berlin sehe und ich sehe diese strahlenden Kinder und diese freundlichen Menschen, die es doch so viel schwerer haben als wir, das wundert einen dann schon. Und irgendwie ist das sehr beeindruckend.

    Lange: Wer sind denn jetzt für diesen Dialog mit dem Islam Ihre Gesprächspartner?

    Mullak: Meine Gesprächspartner hier im Lande sind natürlich der Kulturminister, der oberste Richter, die Vertreter auch der Universität, der Fakultät für islamische Wissenschaft und für die Scharia, das heißt also das allumfassende islamische Recht – mit all diesen habe ich gesprochen.

    Lange: Das Spannungsverhältnis zwischen dem Islam und dem westlichen Verständnis von Menschenrechten ist bekannt. Wie gehen Sie damit um?

    Mullak: Wir bemühen uns, in einem Dialog den Islam aufzufordern zur gegenseitigen Toleranz, also nicht nur Toleranz als Einbahnstraße, sondern gegenseitig. Wir versuchen zu vermitteln, dass wir in einer pluralistischen Gesellschaft natürlich bestimmte Regeln und Grundwerte haben, die allerdings auch teilweise nur in dem Islam zu finden sind, denn es gibt natürlich einige grundlegende Normen und Werte, die universell sind. Und davon versuchen wir die Gesprächspartner zu überzeugen.

    Lange: Lassen die sich überzeugen?

    Mullak: Es ist nicht einfach, es kommt darauf an, mit wem Sie sprechen. Aber wir müssen auch an die Zukunft denken. Über die Hälfte der Bevölkerung in der islamischen Welt sind unter 20 Jahre alt, und ich glaube, gerade die Jugend und die künftigen Eliten sind leichter zu gewinnen als die 70jährigen Rechtsgelehrten des Islam.

    Lange: Wie beurteilen Sie denn diesen Islam, der da in Afghanistan jetzt praktiziert wird? Ist der etwas mehr liberal, ist er grundsätzlich liberaler, oder ist das nur 'Taliban minus ein paar Prozent'?

    Mullak: Ganz so kann man es nicht sagen. Die Taliban waren völlig ungebildete Menschen, die sozusagen den Islam und auch die Scharia missbraucht haben für ihre Machtpolitik. Der Islam in Afghanistan war immer relativ konservativ. Es gibt aber unterschiedliche Gruppen, wir haben Soniten, Schiieten und auch Ismaelis. Ich bin gerade heute durch einige Ismaeli-Dörfer gefahren. Die sind wesentlich aufgeschlossener zum Beispiel als andere. Lange: Im Auswärtigen Amt – ich habe es erwähnt – gibt es seit einigen Monaten eine Arbeitsstelle für den Dialog mit der islamischen Welt. Was sind die Ziele dieser Arbeitsstelle?

    Mullak: Wir wollen versuchen, durch intensiven Dialog mit den islamischen Staaten oder den Vertretern der islamischen Staaten dazu beizutragen, dass diese leider nach dem 11. September gegenseitig entstandenen Feindbilder abgebaut werden, dass wir mehr Vertrauen schaffen können, und dass wir auch der islamischen Welt helfen können, den Weg in die Moderne zu finden – den Anschluss an das 21. Jahrhundert.

    Lange: Und wie läuft das in der Praxis?

    Mullak: Das läuft in der Praxis nicht durch große Konferenzen, sondern durch intensive Gespräche, durch Projektarbeit – meistens in den Ländern selbst. Wir fördern die Zivilgesellschaft, wir arbeiten mit NGO’s, sofern es diese gibt und versuchen wirklich, in einem Dialog durch Aktionen dieses voranzubringen. Das ist sehr wichtig, dass wir eben auch gerade im Bildungsbereich zum Beispiel dafür sorgen, dass diese enorm große Bildungslücke geschlossen wird.

    Lange: Inwiefern sehen Sie sich denn auch als Interessenvertreter islamischer Kultur in Ihrem eigenen Ministerium?

    Mullak: Natürlich, wir sind sicherlich die Stelle auch im Auswärtigen Amt, die die Auskunft geben kann zu allen Fragen des Islams. Das ist unsere Aufgabe. Und natürlich auch nach innen heraus halten wir den Kontakt zu den verschiedenen muslimischen Vereinigungen und versuchen, auch nach innen aufzuklären, um eben – wie schon gesagt – die Feindbilder und die Fehleinschätzungen abzubauen.

    Lange: Gibt es da etwas, was Sie als Erfolgserlebnis der letzten Monate betrachten würden?

    Mullak: Gut, dass wir schon mal Gespräche hatten, auch hier jetzt gerade vor einigen Tagen in Afghanistan mit einer sehr konservativen Fakultät der Scharia, wo also das islamische Recht gelehrt wird, und dass dieses Menschen sich doch auf einmal bereiterklärt haben, mit uns Deutschen aufgrund der Freundschaft, die zwischen Afghanistan und Deutschland besteht, in engeren Kontakt zu treten, darüber zu sprechen, wie das islamische Recht in Zukunft ausgeformt werden soll hier in Afghanistan. Das finde ich schon einen sehr guten Erfolg.

    Lange: In den Informationen am Morgen war das Günter Mullak. Er ist der Beauftragte des Auswärtigen Amtes für den Dialog mit der islamischen Welt. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Mullak: Auf Wiederhören Herr Lange.