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Tag der Pressefreiheit
Verschärfte Pressezensur in Venezuela

Einschüchterungen und Zensur haben in Venezuela stark zugenommen, seit der politische Machtkampf zwischen Nicolás Maduro und Juan Guaido wieder offen ausgebrochen ist. Regierungskritische Journalisten werden mithilfe neuer Gesetze zum Schweigen gebracht. Für viele ist das Exil der einzige Ausweg.

Von Anne-Katrin Mellmann | 03.05.2019
Letzte Print-Ausgabe der venezolanischen Zeitung "El Nacional". Wegen politischen Drucks und wirtschaftlicher Probleme wurde die gedruckte Ausgabe eingestellt
Letzte Print-Ausgabe der regierungskritischen venezolanischen Zeitung "El Nacional". Wegen politischen Drucks und wirtschaftlicher Probleme wurde die gedruckte Ausgabe eingestellt (AFP)
Das Staatsfernsehen nennt die Rebellion, zu der Oppositionsführer Juan Guaidó am Dienstag aufgerufen hat, ausnahmslos einen Putschversuch. Der sei sofort niedergeschlagen worden. Der Tag war ein neuer Tiefpunkt der Pressefreiheit in Venezuela: Nichtregierungsorganisationen registrieren dutzende Fälle von Angriffen auf Reporter, die über den Antiregierungsprotest berichten. Unabhängige Radiosender werden ebenso abgeschaltet wie die internationalen Fernsehkanäle von CNN und BBC. Der Internetzugang ist eingeschränkt.
Seit das Parlament Juan Guaidó Ende Januar zum Übergangspräsidenten gemacht hat und der Machtkampf zwischen Regierung und Opposition wieder offen ausgebrochen ist, kämpfen unabhängige, kritische Medien ums Überleben. In diesem Zeitraum hat Carlos Correa von der Nichtregierungsorganisation Espacio Publico drei Mal mehr Angriffe auf die Pressefreiheit gezählt als im Vorjahreszeitraum
"Je stärker der politische Konflikt, desto mehr Übergriffe auf Journalisten und Medien gibt es. Wir haben diese Verdreifachung festgestellt, dabei hat die Zahl der Medien in Venezuela sehr abgenommen. Das bedeutet, dass die wenigen Übriggebliebenen extrem unter Beobachtung stehen und systematischen Angriffen ausgesetzt sind."
Danieri verbreite Angst in der Bevölkerung
Niemand traue sich, Juan Guaidó Interimspräsidenten zu nennen, oder gar: ihn zu interviewen, so Correa. Das tun nur ausländische Medien. Auch deren Reporter werden Opfer staatlicher Repression: Dazu zählen Einschüchterungsversuche, Gewalt, Rauswurf aus Venezuela oder Haft, wie im Fall des deutschen Reporters Billy Six, der monatelang im Geheimdienstknast saß. Einheimische Journalisten, die noch kritisch berichten, stehen mit einem Bein im Gefängnis. Grund dafür ist unter anderem das "Gesetz gegen den Hass", das sich die sozialistische Regierung von ihrer Verfassungsversammlung schreiben ließ. Besonders in der Provinz würden Journalisten durch diesen Gummi-Paragraphen mundtot gemacht, erzählt Lenin Danieri aus Maracaibo im Bundesstaat Zulia, der freiberuflich für mehrere Fernseh- und Radiosender arbeitet:
"Das Gesetz sieht Haftstrafen von mehr als 15 Jahren vor. Das hat große Angst geschaffen. Angewandt wird es von Funktionären. Wenn hier ein Journalist über korrupte Funktionäre recherchiert, kann dieses Gesetz angewandt werden. Die Kollegen bekommen dann erst einmal Drohungen."
Danieri ist selbst Opfer der Repression: Unter anderem, weil er kritisch über die immer häufigeren und langanhaltenden Stromausfälle in dem Bundesstaat berichtet, droht ihm der Gouverneur jetzt mit diesem "Gesetz gegen den Hass". Danieri verbreite Angst in der Bevölkerung, so ein Vorwurf. Einziger Ausweg scheint ihm im Moment das Exil zu sein. Diesen Weg haben schon ungezählte Journalisten vor ihm gewählt.