Archiv


Tarifabschluss: Leipziger Oberbürgermeister hat "große Bauchschmerzen"

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung hat die von den Gewerkschaften im öffentlichen Dienst durchgesetzten Lohnerhöhungen als maßlos bezeichnet. "Ich habe große, große Bauchschmerzen, weil uns das so dauerhaft belastet in den nächsten Jahren", sagte der SPD-Politiker. Der Tarifabschluss ziehe Mehrausgaben nach sich, die mit Einsparungen zu Lasten der Bürger ausgeglichen werden müssten.

Moderation: Christian Schütte |
    Christian Schütte: Die Tarifpartner freuen sich. Der gemeinsame Abschluss im öffentlichen Dienst ist geschafft. Dennoch mischt sich zumindest bei den Kommunen ein leichtes Grummeln in die Freudenstimmung. Sie müssen nämlich zum Teil erhebliche Mehrkosten aufbringen.

    Was ist jeweils drin im Säckel? Wo müssen die Kommunen künftig einsparen? Wir blicken nach Leipzig. Dort ist Burkhard Jung von der SPD der Oberbürgermeister. Guten Morgen, Herr Jung!

    Burkhard Jung: Guten Morgen, Herr Schütte! Ich grüße Sie!

    Schütte: Bis zu 9,5 Milliarden Euro Mehrkosten für die Kommunen insgesamt. Herr Jung, haben Sie schon ausgerechnet, wie viel Sie in Leipzig drauflegen müssen?

    Jung: Nein, Herr Schütte. Ganz genau wissen wir es noch nicht. Sie können Pi mal Daumen sagen: Ein Prozent Tarifabschluss mehr kostet die Stadt Leipzig in etwa zwei Millionen Euro mehr. Jetzt müssen wir mal gucken, wie das im Konkreten aussieht mit den 50 Euro plus 3,9. Also ich sage Ihnen eines: Ich bin erst mal ganz froh, dass es keinen Streik gibt, dass der Streik abgewendet ist. Aber bei allem Respekt für die guten Mitarbeiter und die gerechte Entlohnung, die nötig ist, es war und ist ein maßloses Fordern gewesen der Gewerkschaften, des Herrn Bsirske.

    Schütte: Also hätte Ihr Verhandlungsführer Thomas Böhle in Potsdam dann besser doch nicht zugestimmt?

    Jung: Ich habe große, große Bauchschmerzen, weil uns das so dauerhaft belastet in den nächsten Jahren. Wir haben gerade mal den Kopf so ein bisschen rausgestreckt aufgrund der guten Entwicklung im letzten Jahr, und das wird eigentlich wieder aufgefressen durch diesen Tarifabschluss. Das heißt wir bleiben, in dem harten Konsolidierungssparkurs. Wir bleiben bei allen Überlegungen, Einnahmen zu generieren, sprich Gebührenhaushalte zu stabilisieren. Das ist für alle eine ganz, ganz schwierige Kiste.

    Schütte: Jetzt hätte sich aber die Gewerkschaft vermutlich nicht mit weniger zufrieden gegeben. Streiks wären dann möglicherweise die Alternative gewesen. Das können Sie doch aber auch nicht gewollt haben?

    Jung: Das ist auf jeden Fall positiv, dass es keinen Streik gibt. Ich glaube auch, dass die Bevölkerung kein Verständnis dafür gehabt hätte. Aber ich kritisiere wirklich diese sehr pauschale Forderung nach acht Prozent mehr, die im Endergebnis dann bei über acht Prozent landen wird. Eine Differenzierung wäre angebracht gewesen.

    Schütte: Inwiefern geht das über die acht Prozent hinaus, Herr Jung?

    Jung: Wenn wir es richtig ausrechnen, sind wir ab 2009 höher als acht Prozent mit den jetzt erreichten Abschlüssen. Aber wie gesagt: Wir sind beim Rechnen.

    Schütte: Das ganze kommt allerdings für Sie nicht ganz überraschend, denn zumindest die Acht-Prozent-Forderung steht ja schon seit längerem im Raum. Inwiefern haben Sie denn in Leipzig schon vorgesorgt für einen höheren Abschluss?

    Jung: Wir haben vier Prozent mehr für das Jahr 2008 eingestellt, weil wir schon Sorge hatten, es wird auf jeden Fall bei dieser Marge landen. Aber für 2009 haben wir in der mittelfristigen Finanzplanung natürlich die acht Prozent nicht drin.

    Schütte: Wo kommt das Geld jetzt her?

    Jung: Ich kann Ihnen das sagen: Das heißt ganz konkret für den Haushalt der Stadt Leipzig, dass wir nach wie vor mit einem Defizit in das Haushaltsjahr 2008 gehen von 35 Millionen. In 2009 möchten wir einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das heißt: harter Konsolidierungskurs in allen Bereichen. Wir sprechen über Elternbeiträge in Kindertagesstätten genauso wie über die Gebührensatzungen, Entgelte bei öffentlichen Ausleihgeschichten, Schwimmbäder. Kurzum: In allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung wird man sich prüfen müssen, wo noch was geht. Das heißt: letztlich wieder Belastungen den Bürgern zumuten. Und das kann eigentlich nicht gewollt sein.

    Schütte: Andere Kommunen sprechen auch von Mitarbeiterentlassungen. Wäre das auch bei Ihnen in Leipzig ein Thema?

    Jung: Das ist bei uns kein Thema, weil wir seit Jahren einen ganz, ganz schlanken Personalkörper fahren. Wir sind uns hier auch einig mit der Gewerkschaft, dass wir hier auf jeden Fall in den letzten Jahren betriebsbedingte Kündigungen vermieden haben, auch in Zukunft nicht wollen. Aber natürlich stehen auch Organisationsstrukturen auf dem Prüfstand: Wie wird zukünftig die richtige Organisation mit dem richtigen Personalkörper ausgestattet sein? Wir sprechen über freiwillige Aufgaben. Kurzum, es hilft ja nichts. Wir müssen sozusagen den öffentlichen Haushalt in Ordnung kriegen, und da ist ein Tarifabschluss in dieser Höhe ein wirklich echtes Problem.

    Schütte: Andererseits profitieren die Kommunen ja insgesamt von deutlichen Mehreinnahmen bei den Steuern. Also haben Sie doch auch eigentlich mehr zur Verfügung?

    Jung: Aber Sie dürfen nicht vergessen, von welchem Niveau wir starten. Das heißt, wir haben in der Tat in den letzten beiden Jahren eine gute Entwicklung auf der kommunalen Ebene im Hinblick auf die Gewerbesteuereinnahmen, und dieses wäre nötig gewesen, um jetzt dauerhaft stabile Haushalte vorzulegen. Das ist genau meine Sorge: Der Tarifabschluss frisst einen großen Teil dieser Mehreinnahmen wieder auf.

    Schütte: Burkhard Jung (SPD), Oberbürgermeister von Leipzig. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Jung: Danke Ihnen, Herr Schütte. Auf Wiederhören.