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Tarifgerangel in Zeitarbeitsbranche

Der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister wehrt sich gegen einen Mindestlohn für Zeit- und Leiharbeiter. Verbandspräsident Peter Mumme warf dem DGB vor, mit einem eigenen Mindestlohn dafür sorgen zu wollen, dass die Tarifverträge seines Verbandes mit den Christlichen Gewerkschaften von der Bildfläche verschwinden.

Moderation: Philipp Krohn |
    Philipp Krohn: Das Ringen um einen Mindestlohn in der Postbranche liegt noch nicht lange zurück. Nun steht die nächste Bewährungsprobe für die Große Koalition bevor: Zwei Unternehmensverbände und der Deutsche Gewerkschaftsbund haben bei Bundesarbeitsminister Olaf Scholz beantragt, die Zeitarbeitsbranche in das Entsendegesetz aufzunehmen. Das ist einer der Wege, den Unionsparteien und SPD vereinbart hatten, um einen Mindestlohn zu ermöglichen. Aber weil der Wunsch in der Branche nicht von allen geteilt wird, streiten auch die Parteien wieder. ( MP3-Audio , Beitrag von Andrea Baum)

    Am Telefon begrüße ich jetzt Peter Mumme, den Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Mittelständischer Personaldienstleister. Er lehnt eine Lohnuntergrenze anders als seine zwei Konkurrenzverbände ab. Guten Tag, Herr Mumme!

    Peter Mumme: Guten Tag Herr Krohn!

    Krohn: Herr Mumme, warum kämpfen Sie für geringe Löhne?

    Mumme: Sehen Sie, Herr Krohn, unser Verband vertritt die kleinen und mittelständischen Betriebe in der Zeitarbeitsbranche. Bei uns sind etwa 1100 Mitglieder registriert. Diese Mitglieder haben seit mehr als vier Jahren einen Tarifvertrag abgeschlossen mit den Christlichen Gewerkschaften, der ein eigenes Lohn-Niveau vorsieht. Mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines DGB-Mindestlohnes wären unsere Tarifverträge quasi überflüssig. Uns geht es also im Wesentlichen darum, das, was uns die Verfassung garantiert, nämlich die Koalitionsfreiheit, zu schützen.

    Krohn: Wie kommt es dazu, dass Sie diese Vereinbarung mit den Christlichen Gewerkschaften getroffen haben?

    Mumme: Damals im Jahr 2003, als es erforderlich wurde, eigene Tarifverträge abzuschließen, um dem Equal-pay-Gebot des Gesetzgebers auszuweichen, hat sich der DGB …

    Krohn: Das haben wir nicht verstanden, was Sie eben gesagt haben!

    Mumme: Im Jahr 2003 wurde mit der Hartz-IV-Gesetzgebung ein sogenanntes Equal-pay-Gebot in das Gesetz geschrieben. Das erwartet, dass Zeitarbeitskräfte genauso vergütet werden wie Kundenmitarbeiter. Das heißt Mitarbeiter, die am gleichen Arbeitsplatz arbeiten, sollten den Kundenlohn bekommen. Damals ist dann gesagt worden, dieses Equal-pay-Gebot wird außer Kraft gesetzt, wenn die Zeitarbeitsbranche eigene Tarifverträge hat. So ist es in 2003 dann auch dazu gekommen, dass man Tarifverhandlungen geführt hat. Der DGB hat damals die Zeitarbeitsbranche vor die Alternative gestellt, relativ hohe Equal-pay-ähnliche Löhne abzuschließen, und nur mit Hilfe des jetzt vorliegenden Tarifvertrages, den wir mit dem Christlichen Gewerkschaftsbund abgeschlossen haben, ist es gelungen, marktverträgliche Löhne abzuschließen, die letztendlich auch dazu geführt haben, dass in der Branche inzwischen mehr als 700.000 Arbeitnehmer tätig sind.

    Krohn: Wo liegt die Lohnhöhe?

    Mumme: In unserem Tarifvertrag beispielsweise liegt die unterste Lohnhöhe für einen Helfer, für eine ungelernte Kraft also, bei 7 Euro im Westen und 5,77 Euro im Osten.

    Krohn: Benötigen Sie denn diese niedrigeren Löhne, um Ihre Beschäftigten überhaupt vermitteln zu können?

    Mumme:! Es ist so, dass gerade im Bereich der ungelernten Kräfte am Markt doch ein erheblicher Bedarf besteht nach Kräften, die bezahlbar sind. Es ist also so, dass zu weit höheren Löhnen wir sicherlich wieder das Phänomen der Abwanderung von Arbeitsplätzen ins Ausland hätten oder einen Rationalisierungseffekt befürchten müssten, so dass gerade wieder diese Kräfte, die es am Markt wirklich schwer haben unterzukommen, dann von der Arbeitslosigkeit bedroht wären. Im Fall dieser Mindestlöhne, die jetzt vom DGB für allgemein verbindlich erklärt werden sollen, der bei 7,31 Euro liegt, sehen wir, dass eine Differenz gar nicht so groß ist. Wir haben hier eine Differenz von 31 Cent. Das ist also nicht das große Problem für unsere Mitgliedsbetriebe, diese Differenz zu vergüten, sondern im Grunde geht es darum, dass der DGB mit diesem eigenen Mindestlohn dafür sorgt, dass unsere Tarifverträge quasi von der Bildfläche verschwinden und er damit die Tarifhoheit im Zeitarbeitsgewerbe für sich beansprucht. Das würde mittelfristig dazu führen, dass die Pläne des DGB nach Aufhebung der eigenen Tarifverträge und Einführung [im Hörprotokoll unverstädnlich, Anm. d. Red.] Gedankens letztlich wahr würden.

    Krohn: Nun sprechen sich aber zwei Unternehmensverbände für diesen Mindestlohn aus. Warum gelingt es den Unternehmen aus diesen Konkurrenzverbänden, die Leiharbeiter zu höheren Preisen unterzubringen?

    Mumme: Das ist keine Frage des Gelingens und des Unterbringens zu höheren Preisen, sondern letztendlich ist es eine Frage des Überlebens der ganzen Branche. Wenn der DGB seine Ansprüche durchsetzt und unseren Tarifvertrag verdrängt, werden wir in ein bis zwei Jahren insgesamt Equal pay in der Branche haben. Das führt dazu, dass ein Großteil der ungelernten Kräfte in Deutschland in der Zeitarbeitsbranche abgebaut würde. Wir befürchten den Wegfall von mehr als 200.000 Arbeitsplätzen - insbesondere im Osten der Republik. Dort werden fast flächendeckend unsere Tarifverträge angewendet. Wir sprechen dort von einer Verbreitung von etwa 90 Prozent. Es würde der DGB-Mindestlohn zu einem Wegfall von etwa 50.000 Arbeitsplätzen führen.

    Krohn: Welche Möglichkeiten sehen Sie, gegen eine Aufnahme in das Entsendegesetz vorgehen zu können?

    Mumme: Wir behalten uns natürlich rechtliche Schritte vor. Erst vor kurzem haben wir mit einem Rechtsgutachten nachgewiesen, dass diese Verdrängung von existierenden Tarifverträgen verfassungswidrig wäre. Das ist das eine, und das andere ist, dass wir derzeit eben mit unseren Juristen klären, inwieweit wir in dieses Gesetzgebungsverfahren noch eingreifen können. Wir hoffen nach wie vor auf die Einsicht der Politiker, denn letztendlich ist unsere Branche die schlechteste von allen für die Einführung von Mindestlöhnen, weil es in unserer Branche bereits eine Tarifgeltung von etwa 95 Prozent gibt. Das heißt, in unserer Branche gibt es eigentlich keinen Regelungsbedarf.

    Krohn: Peter Mumme, der Präsident des Arbeitgeberverbandes Mittelständischer Personaldienstleister. Danke für das Gespräch.

    Mumme: Herzlichen Dank.